Eigentlich haben alle dasselbe Ziel, das war am Donnerstag im Landtag klar: beste Betreuung für Bayerns Kleinkinder. Nur wird das Problem dadurch nicht kleiner, denn wie in ganz Deutschland fehlen auch in bayerischen Kindertagesstätten Tausende Fachkräfte. Im Alltag tut sich eine Lücke auf zwischen den pädagogischen Zielen und der Realität. Oft sind Mütter und Väter froh, wenn sie ihre Kinder irgendwo abgeben können, wo es ihnen gut geht, und die Betreuungszeiten stabil sind. Zu viele Einrichtungen müssen wegen Personalmangel Betreuungszeiten verkürzen, Gruppen oder gleich die Kita schließen.
Eine entsprechende Expertenanhörung im Sozialausschuss sollte nun klären, was der Freistaat macht, um Personal zu gewinnen und Qualität zu sichern. Schnell war klar, die Furcht vor einem Zwei-Klassen-System, vor Ungerechtigkeiten sowie einer Qualitätsverschlechterung geht um.
Zum Jahreswechsel 2023/24 besuchten 632 000 Mädchen und Buben eine Kita. Betreut wurden sie von 61 300 Erziehern sowie 57 134 Ergänzungskräften. 18 800 von ihnen fehlen derzeit in Bayern, davon 14 400 in Kitas und 4400 im Hort. Allerdings ging Natalie Niedermeier, Referatsleiterin für Frühkindliche Bildung und Erziehung im Sozialministerium, davon aus, dass 2026 ein "Silberstreif am Horizont erreicht" sein könnte, wenn weiterhin pro Jahr etwa 5000 neue Kinderpflegerinnen und Erzieher dazukommen. Dagegen steht die Befürchtung der kommunalen Spitzenverbände, wegen Personalmangels den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung der Grundschüler nicht einlösen zu können.
Die Staatsregierung versucht, Personal für die Kitas zu gewinnen, das legten die Vertreterinnen von Sozial- und Kultusministerium ausführlich da: Man mache Werbung, es gibt Kampagnen und eine enge Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit. Die Plätze an den Berufsfachschulen für Kinderpflege werden ausgebaut. Wohnortnah, sagte Christine Hefer aus dem Kultusministerium, das sei das "Zauberwort". Das soll verhindern, dass längere Fahrtwege Bewerber abschrecken. Die Ausbildungszahlen seien stabil. Derzeit gibt es 9500 Frauen und Männer, die Kinderpflege lernen. Außerdem sei die Ausbildung zur Kinderpflegerin, die als Ergänzungskraft gilt, in Teilzeit möglich.
Ein Haken der Kinderpfleger- und Erzieherausbildung ist, dass sie im schulischen und nicht im dualen System verankert ist, deshalb wird die Ausbildung in der Regel nicht bezahlt. Der Staat will mit Modellversuchen gegensteuern: Angehende Erzieherinnen können nun zwischen der gegliederten Ausbildung mit zwei Jahren Schule und einem dritten, praktischen Jahr wählen oder drei Jahren mit Praxis und Theorie im Wechsel. Dafür gibt es Vergütung, bei der reinen Schulphase können Berechtigte Bafög beziehen. Und potenziellen Abbrechern der Fachakademien für Sozialpädagogik wird nach zwei Jahren Studium die Kinderpflegerprüfung angeraten, damit sie einen Abschluss haben.
Diese Ansätze wurden im Landtag kaum kritisiert, Sorge bereitet die neue Initiative des Sozialministeriums, Quereinsteiger zu qualifizieren. Von einer "Schmalspur-Qualifizierung", der großen Befürchtung der Erzieherverbände, wollte Niedermeier aber nichts hören. Seiteneinsteiger können sich über drei Blöcke und insgesamt fünf Module von der Hilfs-, zur Ergänzungskraft bis zur Fachkraft weiterbilden, also von der Helferin über die Kinderpflegerin zur Erzieherin - die allermeisten sind Frauen über 40 mit eigenen Kindern, die schon einen Berufsabschluss haben und sich umorientieren wollen. Diese Fortbildung dauert laut Niedermeier bis zu fünf Jahre und könne bis zu 9000 Euro kosten, die Arbeitgeber oder Quereinsteiger zahlen. Dieser Weg laufe als berufliche Weiterbildung, es gebe Online- und Präsenzmodule und orientiere sich an neuesten Erkenntnissen der Lernforschung. Das Staatsinstitut für Frühpädagogik sei beteiligt, ebenso die Fachverbände. Mehr als 6700 Interessierte nutzen das Angebot, etwa 2300 sind bereits Hilfskraft oder Kinderpflegerin.
Der Unterschied zur klassischen Ausbildung ist aber neben dem Alter der Quereinsteigerinnen, dass sie von Anfang an in der Kita eingesetzt werden können, Gehalt beziehen und in den Betreuungsschlüssel eingerechnet werden. Das macht diese Fortbildung für Freistaat, Träger und Azubis attraktiv, aber genau darin lag das Problem der geladenen Vertreter von Pädagogen und Fachakademien. Sie befürchten den Qualitätsverlust in den Kitas. "Wollen wir Betreuung für alle oder Bildung für viele?", sagte Rene Rosenzweig vom Fachkräfteverband. An das Niveau der staatlichen Erzieherausbildung reiche die Weiterbildung nicht heran, am Ende aber stehe auch Erzieher auf dem Zeugnis. Das störte die Experten unisono.
"Aber wenn wir Kitaplätze erhalten wollen, brauchen wir diese Weiterbildungsmodelle", sagte Robert Fabian Krause, Finanzvorstand der Stiftung ICP aus München, die integrative Kitas betreibt. Die Quereinsteiger könnten im Alltag "nachqualifiziert" werden, dafür allerdings bräuchten Kitaträger mehr Geld vom Freistaat, etwa um die Sprachkurse für ausländisches Personal oder Fortbildungen zu finanzieren. Derzeit aber werde die "Betriebskostenlücke" immer größer.