Unterfranken:Maximale Konfrontation in Bad Kissingen

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Die Heiligenfeld-Klinik spielt eine wichtige Rolle in Bad Kissingen. (Foto: Jasmin Siebert)
  • In Bad Kissingen liefern sich der Oberbürgermeister und der Chef eines großen Klinikunternehmens einen erbitterten Dauerstreit.
  • Der Klinikchef sieht sich benachteiligt und findet, die Stadt behandle seine GmbH nicht entsprechend ihrer Bedeutung.
  • Der Unternehmer hat rund 52 Millionen Euro in der unterfränkischen Kurstadt investiert und Hunderte Arbeitsplätze geschaffen.

Von Jasmin Siebert, Bad Kissingen

Die Plakate tauchten an Ostern auf. "Wir sind es leid!" stand da weiß auf blau, nicht zu übersehen. An fünf Plakatwänden, in Infokästen vor den Kliniken und in den Fensterbögen einer Vinothek mitten am Marktplatz von Bad Kissingen. Hinter der Aktion steckt die Heiligenfeld GmbH, eine auf psychische Erkrankungen spezialisierte Klinikgruppe und der größte Arbeitgeber in der unterfränkischen Kurstadt. Doch diese und die Kliniken streiten seit Jahren. Nun setzt Gründer und Geschäftsführer Joachim Galuska mit Plakaten und "politischen Newslettern" auf maximale Konfrontation.

Sein Vorwurf: Die Stadt behandle seine Heiligenfeld GmbH nicht entsprechend ihrer Bedeutung. Ein ganzer Straßenzug ist in der Hand des Unternehmens, es hat im vergangenen Jahrzehnt mehr als 52 Millionen Euro in Bad Kissingen investiert, 680 Arbeitsplätze geschaffen. Neben Vorwürfen, die sich dezidiert an Oberbürgermeister Kay Blankenburg (SPD) richten, prangert Galuska eine generelle politische Unkultur in der Kurstadt an, die von "Neid und Missgunst" geprägt sei.

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Je mehr der Klinikchef in die Öffentlichkeit drängt, desto mehr zieht sich die Stadt zurück. Auch mit der SZ spricht der Oberbürgermeister nicht. Warum ist der Streit derart eskaliert? Vordergründig geht es um den Termin für ein Weinfest, um eine denkmalgeschützte Fassade und um einen Wald, in dem 48 Bäume gefällt wurden. Doch es geht auch um zwei gekränkte Führungspersönlichkeiten. Galuska sagt, er sei enttäuscht, dass ihm der OB nicht auf Augenhöhe begegne. Von der Stadt heißt es, man behandle die Heiligenfeld GmbH wie jedes andere Unternehmen auch. Das scheint Galuska nicht zu genügen. Genial, aber auch narzisstisch sei er, sagt jemand, der ihn schon lange kennt. Aus seinen Verdiensten leite er besondere Rechte ab.

1990 eröffnete Galuska seine erste psychosomatische Klinik in Bad Kissingen. Damals war es noch etwas ganz Neues, Depressionen oder Essstörungen ganzheitlich zu behandeln. Heute betreibt die Heiligenfeld GmbH vier Kliniken in der Kurstadt sowie weitere Häuser in Uffenheim, Waldmünchen, Bad Grönenbach und Berlin. Thomas Hack, Sprecher der Stadt Bad Kissingen, sagt, dass die Stadt dem Unternehmen und seinem Gründer "große Wertschätzung und Anerkennung" entgegenbringe. Hört man sich unter Stadträten um, fällt kein schlechtes Wort. "Wir sind froh, dass wir die da haben", sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Bernd Czelustek.

Der Zwist begann mit Galuskas Herzensprojekt, dem "Wald für die Seele". Auf einem 14,5 Hektar großen Areal im Stadtwald hat Galuskas "Stiftung Bewusstseinswissenschaften" eine Art Freilichtmuseum mit Landschaftskunstwerken und Meditationsorten geschaffen. Beim Aushandeln des Nutzungsvertrags prallten zwei Welten aufeinander: Hier der Arzt, der den Wald befrieden will. Dort die Stadt, für die der Wald in erster Linie Quelle für Holz und Fleisch ist. Galuska ließ zwei Hochsitze wegschaffen, weil sich "empfindsame Seelen" daran stören könnten. Die Jäger im Stadtrat bestanden auf den Hochsitzen.

Wenige Wochen nach der Eröffnung im April 2018, welcher der OB fern blieb, fällten Arbeiter 48 Bäume im "Wald für die Seele" - laut Stadt, um Besucher vor herabfallenden Ästen zu schützen. Galuska war entsetzt. Er spricht von einem "brutalen Eingriff", bei dem auch gesunde Bäume wie eine mehr als 100 Jahre alte Eiche gefällt worden seien. Die Stadt bekräftigt, dass alle gefällten Bäume "derart beschädigt waren, dass eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der Besucher bestand". Der Briefwechsel, der sich zwischen Galuska und Blankenburg entspann, lässt sich auf der Homepage des Seelen-Walds nachlesen: Vorwürfe und Rechthaberei, der Ton immer spitzer, Verletztheit auf der einen Seite, Verwaltungsrhetorik auf der anderen. Im August kündigte OB Blankenburg den Nutzungsvertrag, obwohl der noch bis 2025 läuft. Galuskas Angebot, den Wald zu kaufen, lehnte die Stadt ab.

Neuester Streitpunkt ist das Weinfest. Seit zwei Jahren betreibt Galuskas Unternehmen eine Vinothek im Alten Rathaus, einem Gebäude von 1577. Man wolle regionale Winzer fördern und die Innenstadt beleben, mache damit aber bisher nur Verluste, sagt Galuska. Laut Vertrag darf die Vinothek jährlich ein Weinfest veranstalten. Die Wahl fiel just auf das Wochenende im Juni, an dem die Offroad-Messe "Abenteuer & Allrad 50 000 Besucher in die Kurstadt lockt. Aus Angst vor Umsatzeinbußen protestierten 21 Wirte per Unterschriftensammlung gegen den Weinfest-Termin. Also genehmigte die Stadt ihn nicht.

Nicht genehmigt wurde vorerst auch der Abriss des "Preußischen Hofs". Das 1899 erbaute Hotel, das von Heiligenfeld-Gebäuden umringt ist, steht unter Ensembleschutz, Galuska plante dort ein Seniorenheim. "Ein ganz normaler Verwaltungsvorgang" war das laut Stadtsprecher Hack. Auch habe man darauf hingewiesen, dass das Hotel abgerissen werden dürfe, wenn der Erhalt nachweislich unwirtschaftlich sei. Doch Galuska glaubt das nicht.

Der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Stadtrat, Steffen Hörtler, sagt, er sei "höchst unglücklich" über den Streit. Er plädiert für "reden, reden, reden" - und zwar miteinander. Doch das letzte persönliche Gespräch der Kontrahenten fand im Dezember statt. SPD-Mann Czelustek findet, "alle sollten sich für eine Weile zurückhalten, das wäre das Beste". Dann könne man zur Sachebene zurückkehren, und irgendwann könne es auch menschlich wieder besser werden. Galuska hat seine Konsequenzen schon gezogen: "Mit unserem Wald werden wir umziehen", auch das Seniorenheim soll anderswo gebaut werden. Vielleicht werden sich die Wogen bald von allein glätten. Am Sonntag trat Galuska zum letzten Mal als Heiligenfeld-Geschäftsführer auf. Nun geht der 64-Jährige vorzeitig in Ruhestand.

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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