Süddeutsche Zeitung

Kirchenstreit:Bayerische Bischöfe gegen liberaleres Arbeitsrecht

  • Zum 1. August werden 23 katholische Bistümer in Deutschland ein neues kirchliches Arbeitsrecht in Kraft setzen. Es sieht vor, dass Wiederverheiratete und Homosexuelle nur in Ausnahmefällen entlassen werden können.
  • Die Bistümer Passau, Regensburg und Eichstätt sprechen sich gegen liberaleres Arbeitsrecht aus: Ihnen scheinen die Regelungen zu weit zu gehen.

Von Matthias Drobinski

Ein Affront? "Auf keinen Fall", sagt Clemens Neck, der Sprecher des katholischen Bistums Regensburg. Man prüfe halt gründlich, das sei ja auch die Aufgabe des jeweiligen Bischofs - zu schauen, ob und wie im Bistum umzusetzen ist, was an Empfehlungen von der Bischofskonferenz kommt. Alles ganz normal also.

Wie auch immer: Zum 1. August werden 23 katholische Bistümer in Deutschland ein neues kirchliches Arbeitsrecht in Kraft setzen - vier Bistümer jedoch nicht. Das Erzbistum Berlin aus formalen Gründen nicht, weil dort der neue Erzbischof Heiner Koch sein Amt noch nicht angetreten hat. Doch die Bischöfe Rudolf Voderholzer aus Regensburg, Stefan Oster aus Passau und Gregor Maria Hanke aus Eichstätt verweigern sich den neuen Regeln vorläufig, weil sie inhaltliche und kirchenrechtliche Bedenken haben.

Man kann auch sagen: Weil ihnen die Liberalisierung nicht passt, die das neue Arbeitsrecht vorsieht. Und weil sich der Münchner Kardinal und Bischofskonferenzvorsitzende Reinhard Marx ganz besonders für dieses neue Recht eingesetzt hat, kann man schon davon ausgehen, dass er sich von den drei Mitbrüdern auf den Fuß getreten sieht.

Was die neuen Regelungen beinhalten

Die neue "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" haben die Bischöfe nach jahrelangen Debatten Ende April verabschiedet. Sie sieht vor, dass kirchliche Beschäftigte nur noch in Ausnahmefällen entlassen werden, wenn sie als Geschiedene wieder heiraten oder in einer homosexuellen Lebenspartnerschaft leben. Der Schritt muss "ein erhebliches Ärgernis" darstellen, dann bleibt die Entlassung als letzte Möglichkeit.

So ist es auch, wenn jemand öffentlich Abtreibung oder Fremdenhass propagiert, aus der Kirche austritt oder sonst "kirchenfeindliches Verhalten" an den Tag legt. Wann nun genau das Ärgernis "erheblich" ist, das entscheidet der jeweilige Bischof. Ausgenommen von der Neuerung bleiben Religionslehrer und Seelsorger, die besonders vom Bischof beauftragt worden sind. Er hat auch das letzte Wort, für welche Gruppe die höheren Loyalitätsanforderungen gelten sollen.

Kardinal Marx, der Bischofskonferenzvorsitzende, wollte so Druck von der katholischen Kirche nehmen - in der Öffentlichkeit, aber auch bei den Kirchenangestellten seien die alten, strengen Regeln kaum noch zu vermitteln, argumentierte er. Die große Mehrheit der Bischöfe überzeugte er damit, eine konservative Minderheit aber nicht: Warum das Arbeitsrecht ändern, obwohl doch alle Gerichte in Deutschland das Recht der Kirchen anerkennen, dort eigene Regeln aufzustellen? Die Kritiker fürchten den Verlust des katholischen Profils, wenn künftig schwule Pfleger oder geschiedene Kindergärtnerinnen einfach heiraten dürfen. Um solche Zweifel zu beseitigen, gibt das neue Arbeitsrecht dem einzelnen Bischof weit reichende Freiheiten - die Details der Umsetzung darf jeder in seinem Bistum selber regeln.

Was die Gegner befürchten

Doch die drei bayerischen Mitbrüder des Bischofskonferenzvorsitzenden Marx hat auch das nicht überzeugt. Sie wollen nun von Kirchenrechtlern prüfen lassen, wie viel Loyalitätspflicht das Kirchenrecht tatsächlich verlangt; die neuen Regeln erscheinen ihnen zu großzügig. Sie fürchten zudem - durchaus zu Recht - dass, wenn jeder Bischof andere Maßstäbe an die Loyalität der Mitarbeiter anlegt, ein Flickenteppich entsteht. Die weltlichen Arbeitsgerichte könnten dann der Kirche ihre widersprüchliche Praxis um die Ohren hauen: Warum soll einer in Passau entlassen werden, der in München oder Köln bleiben dürfte?

Für Marx ist die Situation misslich: Ausgerechnet die Nachbarn Voderholzer, Oster und Hanke aus der bayerischen Bischofskonferenz verweigern ihm in einer wichtigen Frage die Solidarität und profilieren sich insgesamt zunehmend als konservative Opposition zum mächtig vorwärtsdrängenden Kardinal in München. In dem Satz, man müsse die neue Regel erst kirchenrechtlich überprüfen lassen, steckt auch der Vorwurf, dies bislang nicht getan zu haben, und die Drohung, mal in Rom nachzuhorchen, ob das alles richtig sei, was da in Deutschland geschieht.

Für die kirchlichen Mitarbeiter bestehe "weiterhin Rechtssicherheit", heißt es in den drei Bistümern, was bedeutet: Das alte Arbeitsrecht gilt einfach weiter; auch mit ihm gab es in den vergangenen Jahren nur noch selten Entlassungen. Wie lange man in den Bistümern Passau, Regensburg und Eichstätt prüfen will, ob man sich den neuen Regeln anschließt oder nicht? "Wir lassen uns da nicht unter Zeitdruck setzen", sagt der Regensburger Sprecher Clemens Neck.

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SZ vom 16.07.2015/lime/mmo
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