Kirchenasyl in Bayern:Wenn Kümmern zur Straftat wird

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Pfarrer Peter Brummer im Gespräch mit zwei Flüchtlingen aus dem Irak, die in seiner Kirche in Tutzing um Asyl baten.

(Foto: AFP)
  • Wenn ein Pfarrer oder eine Pfarrerin einem Flüchtling Kirchenasyl gewährt, droht eine Geld- oder Haftstrafe.
  • Derzeit gibt es bundesweit 309 Kirchenasyle mit mindestens 512 Personen.
  • Bekannt geworden sind Strafverfahren wegen Gewährung von Kirchenasyl nur in Bayern - doch es gebe keine Vorgabe aus dem Ministerium, solche Verfahren einzuleiten, sagt Justizminister Bausback.

Von Heribert Prantl

Die Schreiben kommen von der Polizei. Sie sind adressiert an Dutzende Pfarrhöfe in Bayern. Katholische und evangelische Geistliche werden von der Polizei als Beschuldigte einvernommen, im Auftrag der bayerischen Staatsanwaltschaften: "Ihnen wird vorgeworfen, folgende Straftat(en) begangen zu haben: Illegaler Aufenthalt ohne Aufenthaltstitel".

So steht es, unfreiwillig komisch, in einem der strafrechtlichen Schreiben, die der SZ vorliegen. Gemeint ist natürlich nicht, dass sich der Pfarrer oder die Pfarrerin illegal in Bayern aufhalten, sondern dass sie Beihilfe geleistet haben sollen zum illegalen Aufenthalt eines Flüchtlings. Das kann nach Paragraf 95 Absatz 1 Nummer 2 Aufenthaltsgesetz mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft werden oder mit Geldstrafe, in besonderen Fällen droht nach Absatz 2 eine Haft sogar bis zu drei Jahren.

Es geht bei den Strafverfahren gegen Pfarrer, gegen katholische Pfarrgemeinderäte, Kirchenvorstände und evangelische Presbyter um das Kirchenasyl. Es köchelt und kocht deswegen in vielen christlichen Gemeinden, die mit dem Kirchenasyl dem Jesuswort im Evangelium gerecht werden wollen: "Ich war verfolgt, ihr habt mir Schutz gewährt".

In Hassfurt in Unterfranken hat sich die Kirchengemeinde mit einem Protestgeläut gewehrt gegen die polizeiliche Vorladung ihrer Pfarrerin Doris Otminghaus. Ein paar Tage später, das war Ende März, wurde das Ermittlungsverfahren gegen sie dann wegen geringer Schuld eingestellt. Die Pfarrerin sprach vom Versuch einer "Einschüchterungsmaßnahme". Anderswo geht die Ermittlerei weiter. Das letzte Verfahren, das der SZ vorliegt, stammt von Mitte Juli.

74 Kirchenasyle mit 80 Personen gibt es derzeit in den evangelischen Kirchengemeinden in Bayern, in den katholischen bayerischen Kirchengemeinden sind es etwa doppelt so viele. Tendenz steigend, verlässliche bundesweite Zahlen gibt es nicht. Die ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" weiß derzeit von 309 Kirchenasylen mit mindestens 512 Personen, davon etwa 129 Kinder. 250 der Kirchenasyle sind sogenannte Dublin-Fälle, also solche, bei denen die Flüchtlinge gemäß den EU-Zuständigkeitsregeln nach Bulgarien, Ungarn oder Italien zurückgeschoben werden sollen.

Hunderte Flüchtlinge leben im Kirchenasyl

Bekannt geworden sind Strafverfahren wegen Gewährung von Kirchenasyl nur in Bayern. Zahlen dazu konnte oder wollte das bayerische Justizministerium auf Anfrage nicht nennen: "Der Eindruck zunehmender Strafverfolgung dürfte mit dem vermehrten Zuzug von Flüchtlingen nach Bayern und der damit einhergehenden Zunahme von sogenanntem Kirchenasyl zusammenhängen", ließ Justizminister Winfried Bausback (CSU) auf Anfrage der SZ mitteilen.

Die Gewährung von Kirchenasyl sei aber kein Merkmal, das in der Geschäftsstatistik oder in der Strafverfolgungsstatistik erfasst würde. Und: Es gebe keine Vorgabe aus dem Ministerium, solche Verfahren einzuleiten. Es gelte aber, so Bausback, das Legalitätsprinzip: "Die Pflicht der Staatsanwaltschaften, auch in Fällen des sogenannten Kirchenasyls einzuschreiten, ergibt sich daher seit jeher aus dem Gesetz."

Die Landessynode der Evangelischen Kirche hat sich auf ihrer Sitzung in Coburg im März mit dem "deutlichen Anstieg staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gegen Pfarrerinnen und Pfarrer" befasst. Mittlerweile, so heißt im Sitzungsprotokoll, "wird selbst bei abgeschlossenen Kirchenasylen, die Jahre zurückliegen, ermittelt". Das Protokoll spricht von einer aktuellen "Änderung der Ermittlungspraxis in Bayern". Der Landeskirchenrat hat vor einiger Zeit beschlossen, dass Geldauflagen und Geldstrafen nicht aus Kirchensteuermitteln gezahlt werden können. "Auch bei einer Freiheitsstrafe würde diese", so heißt es in einer Stellungnahme, "niemand stellvertretend antreten können". Aber die Rechtsanwalts- und Verfahrenskosten werden von der Landeskirche übernommen.

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