Kirche und Corona:Andacht auf Abstand

Palmsonntag in Bayern

Mal mehr, mal weniger Banknachbarn: Die bayerischen Kirchen haben noch die Wahl, ob sie ihre Weihnachtsgottesdienste mit oder ohne 3-G-Regelung veranstalten. Ein Spender für Desinfektionsmittel, so wie er bereits am Palmsonntag in der Tutzinger Kirche St. Joseph zum Einsatz kam, dürfte aber stets sinnvoll sein.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Mit der Weihnachtszeit kommen auch wieder mehr Menschen in die bayerischen Kirchen. Diese können selbst entscheiden, ob sie für Gottesdienste 3-G-Regeln einführen oder nur auf Abstand und Masken setzen.

Von Ben Bergleiter

Bayern ist das Bundesland mit den meisten Kirchenmitgliedern Deutschlands. Etwas mehr als acht Millionen Menschen, also rund zwei Drittel der Bayern, sind Mitglied der katholischen oder evangelischen Kirche. Im bundesweiten Vergleich mag das viel erscheinen, doch schaut man zwanzig Jahre zurück, wird deutlich, wie sehr die Zahlen auch im Freistaat zurückgegangen sind: 2001 waren noch mehr als 82 Prozent der Bevölkerung Mitglied einer Kirche. Allein im Jahr 2020 sind knapp 100 000 Menschen in Bayern aus den Kirchen ausgetreten, 2019 waren es noch mehr - nämlich 110 000. Ein klarer Abwärtstrend ist also zu erkennen.

Doch eine bestimmte Jahreszeit erinnert die Leute jedes Jahr aufs Neue an ihre christlichen Wurzeln: die Weihnachtszeit. Besagte Jahreszeit ist jetzt angebrochen, und mit ihr kommen wieder mehr Menschen in die Gotteshäuser. Das ist erfreulich für Pfarrer und Pastoren, denn vor vollen Bänken predigt es sich besser als vor leeren. Aus pandemischer Sicht stellt das aber eine Herausforderung dar. Die bayerische Sieben-Tage-Inzidenz ist zwar mittlerweile wieder auf unter 600 gesunken, die Kapazitäten freier Intensivbetten liegen aber immer noch bei weniger als zehn Prozent. Eine Lage, die dazu geführt hat, dass Konzerte und Kulturveranstaltungen eingeschränkt oder abgesagt werden mussten. Kirchen hingegen sind davon zumindest bei religiösen Veranstaltungen nicht betroffen.

Das war nicht immer so, an Weihnachten vor einem Jahr galt nicht nur eine nächtliche Ausgangssperre, so dass viele Christmetten früher als üblich gefeiert werden mussten. Außerdem gab es strenge Hygienekonzepte, es wurde nicht gesungen, Masken mussten getragen und meistens Plätze reserviert werden. Der Handschlag zum Friedensgruß wurde abgeschafft, Weihwasser aus dem Becken ebenfalls. Viele Gottesdienste fanden gar nicht mehr in Präsenz, sondern nur noch in digitaler Form statt. Das ist nach der aktuellen Infektionsschutzverordnung nicht nötig.

Dennoch hat der Bamberger Dom hat seine Pforten vergangene Woche zumindest für Touristen geschlossen, das bedeutet: keine geführten Touren und Besichtigungen mehr. Der Dom dürfe nur noch aus religiösen Gründen besucht werden, teilte das Erzbistum Bamberg mit. "Gerade in der besinnlichen Adventszeit und in diesen herausfordernden Pandemiezeiten soll der Dom ein Gotteshaus und Ort des Gebets sein", sagte Birgit Kastner, Hauptabteilungsleiterin für Kunst und Kultur. Im Dom gelten auch für Gottesdienstbesucher eine FFP2-Maskenpflicht und Abstandsregelungen.

Die Gemeinden entscheiden selbst über Regelungen

Generell haben Kirchen in Bayern die Wahl, ob sie religiöse Veranstaltungen wie Messfeiern mit oder ohne 3-G-Regelung veranstalten. Ohne 3G muss unter den Anwesenden aus verschiedenen Hausständen ein Abstand von 1,5 Metern gewahrt werden, mit 3G können die Leute direkt nebeneinander sitzen. Die Entscheidung liegt bei den Kirchenvorständen der einzelnen Gemeinden.

In der katholischen Stadtteilkirche Rosenheim-Inn beispielsweise hat sich Pfarrer Andreas Zach bisher dafür entschieden auf G-Regelungen zu verzichten und auf Abstand gesetzt. Jetzt mit der beginnenden Advents- und Weihnachtszeit hat er allerdings eine 3-G-Plus-Regelung (also geimpft, genesen oder mit einem aktuellen PCR-Test) eingesetzt, um dem vermehrten Andrang gerecht zu werden. Fanden bisher etwas mehr als 100 Menschen in seiner Kirche Platz, dürfen jetzt bis zu 300 kommen. Die Regelung werde von der Gemeinde ohne große Widerstände umgesetzt, Ausnahme seien bloß ein paar Impfgegner, aber die ließen sich überhaupt nicht überzeugen, sagt Zach.

Anders wird es in der evangelischen Nürnberger Lorenzkirche gehandhabt, wo keinerlei G-Regeln gelten. Der alte gotische Bau mitten in der Innenstadt kann von allen betreten werden, es muss lediglich auf Abstände und Maskenpflicht geachtet werden. "Wir wollen einen Ort bilden, wo die Leute einfach reinschlüpfen können", sagt die geschäftsführende Pfarrerin Claudia Voigt-Grabenstein. Jeden Tag um 17 Uhr finden Kurzandachten statt, zu denen 30 bis 40 Menschen kommen. Voigt-Grabenstein befürchtet, dass mit einer G-Regelung deutlich weniger Menschen kämen.

Auch ein paar Hundert Meter die Straße runter, in der evangelischen Kirche St. Sebald, gibt es die Befürchtung, dass Zugangsbeschränkungen die Leute fernhalten würden. Er wolle so lange wie möglich auf eine G-Regelung verzichten, aber an Heiligabend werde voraussichtlich doch eine 3-G-Regel eingeführt, erzählt der leitende Pfarrer Martin Brons. Obwohl dieser Schritt noch gar nicht beschlossen wurde, hat anscheinend jemand davon Wind bekommen und dem Pfarrer einen wütenden Brief geschrieben, dass dieser kein richtiger Christ sei, wenn er 3G einsetze. So ein Brief sei unschön, sagt Brons, aber schlussendlich schließe man mit 3G niemanden aus, also mache er sich da keine Gedanken.

Alte Kirche, neue Digitalisierung

Neben verschiedenen G-Regelungen haben sich die Kirchen seit Beginn der Pandemie auch mit Herausforderungen digitaler Natur auseinandersetzen müssen. 2020 durfte das höchste christliche Fest Ostern nicht in Gottesdiensten gefeiert werden und auch vergangenes Weihnachten wurde in zahlreichen Kirchen abgesagt. Stattdessen haben viele Kirchen auf digitale Formate gesetzt und auf Youtube, Zoom oder in den sozialen Medien das Evangelium verbreitet.

Die Kirche sei auf diesem Gebiet seit 2020 weit vorangekommen, sagt der Beauftragte für soziale Medien der evangelischen Landeskirche Bayern, Christoph Breit. Mit entsprechenden Schulungen und technischer Unterstützung habe die Landeskirche versucht, die Gemeinden vor Ort zu unterstützen. Davon haben auch die Lorenzkirche und St. Sebald profitiert, die in den vergangenen zwei Jahren eigene digitale Formate entwickelt haben.

Mit Blick auf den 24. Dezember hoffen derzeit vermutlich die meisten Gläubigen auf ein in den Kirchen gemeinsam gefeiertes Weihnachtsfest. Wenn digitale Gottesdienste aber auf Grund der pandemischen Lage notwendig werden sollten, seien die Kirchen mit der Erfahrung der vergangenen Jahre dafür grundsätzlich gewappnet, meint Breit. In den beiden Nürnberger Kirchen werden die Weihnachtsgottesdienste auch im Livestream gezeigt. Eine Sorge bereite ihm allerdings, wie Breit erklärt, die Kraft und das Engagement, die für solche digitalen Projekte notwendig seien. "Die Leute werden müde ohne Präsenz", sagt er. Diese Müdigkeit erahnt man auch bei Pfarrer Zach aus Rosenheim, wenn er mit Resignation in der Stimme erzählt, dass digitale Formate aufgrund technischer und finanzieller Defizite in seiner Kirche nicht möglich seien. Wie die Gottesdienste an Heiligabend schlussendlich gefeiert werden - ob in Präsenz, als Livestream oder vielleicht auch gar nicht -, hängt somit wieder einmal vom weiteren Infektionsgeschehen ab.

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