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Kirche - München:Aufarbeitungskommissionen zum Missbrauch in der Kirche

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München (dpa/lby) - Im größten katholischen Bistum in Bayern verzögert sich die Einrichtung einer Kommission zu Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche. Der Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, hatte nach der Herbstvollversammlung der Freisinger Bischofskonferenz gesagt, die Einrichtung sei zum Beginn des neuen Jahres geplant.

"Wir befinden uns in der Erzdiözese München und Freising gerade dabei, die unabhängige Aufarbeitungskommission zu bilden, wobei die Pandemiesituation das erschwert, weshalb sich derzeit auch kein verlässlicher Zeitrahmen nennen lässt", sagte ein Sprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Marx ermutigte am Dienstag Betroffene der Erzdiözese zur Mitarbeit im Betroffenenbeirat. "Die Erfahrung der letzten Jahre hat deutlich gezeigt, dass eine ehrliche und wirksame Aufarbeitung nur gelingen kann, wenn die Perspektiven und Sichtweisen derer, denen in der katholischen Kirche Gewalt angetan wurde, konsequent berücksichtigt werden", sagte er. "Wir hoffen sehr, dass Betroffene bereit sind, hier mitzuarbeiten. Uns ist wichtig, im Dialog mit ihnen unsere Bemühungen in diesem Bereich voranzutreiben. Ein geordnetes Verfahren soll uns helfen, den Beirat zu bilden."

Ende April hatte der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) sich auf eine "Gemeinsame Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland" geeinigt und beschlossen, unabhängige Aufarbeitungskommissionen in allen 27 Bistümern einzusetzen. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, sprach damals von einer "historischen Entscheidung".

In Passau ist man derweil schon einen Schritt weiter als in München. Das Bistum gab kurz vor Weihnachten die Zusammensetzung des Gremiums bekannt. Der Kommission gehören neben Betroffenen ein Erziehungswissenschaftler, ein Journalist, ein Kinder- und Jugendpsychiater, eine Sozialpädagogin und ein ehemaliger Polizeipräsident an. Der Passauer Bischof Stefan Oster will die Kommission zum Jahresbeginn erstmals einberufen, danach soll sie aber unabhängig von ihm arbeiten. "Ich hoffe sehr, dass wir durch diese Maßnahmen und alles, was auch schon vorher passiert ist, als Kirche einer der Orte in der Gesellschaft werden, in der sexueller Missbrauch bestmöglich verhindert werden kann."

Auch in Würzburg seien "die Vorbereitungen zur Errichtung der Aufarbeitungskommission" abgeschlossen, sagte ein Sprecher. Ihr gehören den Angaben zufolge zwei Betroffene, vier Experten aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und öffentlicher Verwaltung sowie ein Vertreter der Diözese Würzburg an. Die Namen sollen später bekanntgegeben werden, die Kommission werde "in Kürze offiziell ihre Arbeit aufnehmen".

Das Bistum Eichstätt ist laut einer Sprecherin "dabei, die letzten Schritte zur Einrichtung einer Aufarbeitungskommission zu gehen". Sie solle ihre Arbeit "in Bälde" aufnehmen. Aus dem Erzbistum Bamberg heißt es, dass die Errichtung der Kommission "kurz vor dem Abschluss steht". Der Vorschlag soll der Staatsregierung vorgelegt werden.

Im Bistum Augsburg soll die Kommission Anfang des Jahres "die Arbeit aufnehmen können", wie ein Sprecher sagte. "Nähere Informationen über deren Zusammensetzung und Aufgabenbeschreibung werden wir zu gegebener Zeit kommunizieren." Voraussichtlich im Januar werde es eine Mitteilung dazu geben.

Das Bistum Regensburg will einen Sonderweg gehen und diesen mit dem Missbrauchsbeauftragten Rörig absprechen. Im Februar soll es nach Angaben des Bistumssprechers das nächste Treffen geben. "Regensburg hatte das, was die DBK in der Verfahrensfrage beschloss, bereits in den vergangenen Jahren durchgeführt", sagte er. "Das hatte auch mit dem besonderen Fokus auf die Domspatzen zu tun." Zwei Studien haben sich mit Gewalt bei den Regensburger Domspatzen befasst.

Betroffene seien in Regensburg auch an der Antwort auf die Frage beteiligt gewesen, wie viel Geld Opfern von sexuellem Missbrauch in der Kirche gezahlt werden sollte, sagte der Sprecher. Bereits im August hatte das Bistum bekanntgegeben, seine Zahlungen für die Opfer sexuellen Missbrauchs auf bis zu 50 000 Euro aufzustocken - eine Zahl, auf die sich die DBK erst deutlich später einigte.

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