Kirche:Darf man Lieder eines überzeugten Nationalsozialisten im Gottesdienst singen?

Kirche: Tausende Gläubige versammeln sich jedes Jahr zur Arberkirchweih rund um den Gipfel des Großen Arbers. Dazu wird die Waldlermesse gesungen.

Tausende Gläubige versammeln sich jedes Jahr zur Arberkirchweih rund um den Gipfel des Großen Arbers. Dazu wird die Waldlermesse gesungen.

(Foto: o.H.)
  • Die Waldlermesse ist kitschig, aber sehr beliebt. Katholiken sehen sie als Zeichen für "Volksfrömmigkeit" und "christliche Werte".
  • Der Urheber des Textes, der Lehrer Eugen Hubrich, war ein überzeugter Nationalsozialist.
  • Er knüpfe an die Blut-und-Boden-Ideologie des Nationalsozialismus an. Die Kirche duckt sich in der Frage weg.

Von Hans Kratzer

Zu jenen Volksweisen, die sogar gestandene bayerische Mannsbilder sentimental werden lassen, gehört zweifellos die Waldlermesse. Sie hat eine riesige Fangemeinde. Bei unzähligen Hochzeiten und Fahnenweihen wird sie lauthals angestimmt. Ebenso bei der beliebten Arberkirchweih, die jedes Jahr im August gefeiert wird.

Am Großen Arber, dem höchsten Gipfel des Bayerischen Waldes, wohnen Hunderte Pilger der Waldlermesse bei. Nirgends klinge sie schöner als am Arber, heißt es. Der Präsident des Bayerischen Wald-Vereins, Helmut Brunner, rief den Besuchern am vergangenen Sonntag zu: "Diese Kirchweih ist nach wie vor ein Zeugnis für die Volksfrömmigkeit und unsere christlichen Werte."

Bei näherer Betrachtung zeigt die Waldlermesse allerdings auch Schattenseiten. Trotz der unstreitig schönen Melodie von Ferdinand Neumaier sind deren Verse nicht mit der Liturgie der katholischen Kirche in Einklang zu bringen. Ein Beispiel: "Da zidert jed's Asterl so fromm und so froh, / die Berg und die Baamerl, die leuchten nur so / die Waldorgel braust und der Wipfelwind saust, / oa Glück und oa Jubel, wohins d' nur grad schaust."

Zweifellos schwingt hier ein pantheistischer Grundton mit. Kein Wunder, dass viele Pfarrer die Waldlermesse nach der Uraufführung anno 1952 boykottierten. Allerdings erklärten sie dem Kirchenvolk nicht, warum sie dagegen waren. Klartext redet aber der Passauer Domkapitular a. D. Max Huber: "Das ist doch alles Kitsch, ein Asterl kann nicht fromm sein."

Die Begeisterung für die Waldlermesse hat unter dieser Kritik kaum gelitten. Da in ihr Tradition, Frömmigkeit und Naturliebe ineinanderfließen, gilt sie als echt und unverfälscht. Sie sei "aus dem Urquell waldlerischen Singens und Musizierens" entsprungen, wie es Paul Friedl einst formulierte. Anders ausgedrückt: Die Waldlermesse gilt vielen als gottgegeben, sie ist quasi vom Himmel gefallen.

Der niederbayerische Bezirksheimatpfleger Maximilian Seefelder kann mit derlei Schwärmerei gar nichts anfangen. Schon in den Neunzigerjahren hat er die Frage aufgeworfen, was wirklich hinter der Waldlermesse steckt. Die Antworten, die er fand, haben vielen Traditionalisten nicht gefallen, er wurde heftig angefeindet. "Der Text der Waldlermesse ist nicht relevant", sagt Seefelder. "Er genügt den liturgischen Anforderungen in keiner Weise, auch wegen seiner Vergangenheit."

Tatsächlich war der Urheber des Textes, der Lehrer Eugen Hubrich, ein überzeugter Nationalsozialist. Seine Haltung schimmert auch in seinen Nachkriegstexten durch. "Er unterlegte dem Wald eine religiöse Dimension und sah in ihm Überkräfte am Werk, wozu sich eine völkisch-nationale Gesinnung gesellte", kritisierte der Passauer Historiker Josef Breinbauer analog zu Seefelder den Text der Waldlermesse.

Die Kirche duldet das Werk, um Konflikten zu entgehen

Er knüpfe an die Blut-und-Boden-Ideologie des Nationalsozialismus an. Schon deshalb passte die Waldlermesse nie zur katholischen Liturgie. Trotzdem tragen sie Kirchenchöre und Gesangsvereine eifrig vor. Ungeachtet ihres zweifelhaften religiösen Charakters ist sie ein Identifikationsfaktor, dessen Problematik verdrängt wird. Die Kirche hat das Werk nicht kanonisiert, oberhirtlich duldet sie es, um keine weiteren Konflikte zu schüren.

Sogar Gerhard Ludwig Kardinal Müller, der ehedem oberste Glaubenshüter der Kirche, hat vor Jahren auf dem Arber die Kirchweih zu den Klängen der Waldlermesse gefeiert. Wohl wissend, dass die Volksseele schnell hochkocht, wenn man lieb gewonnene Dinge hinterfragt. "Natürlich darf man die Waldlermesse singen", sagt Bezirksheimatpfleger Seefelder, "aber man sollte wissen, was dahintersteckt."

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