Süddeutsche Zeitung

Kirche:Christliche Werte

Die Diözese Augsburg entzieht den Ortskirchen das Vermögen ihrer Pfründestiftungen und verwaltet es zentral. Das soll der Entlastung der Pfarrer dienen - und verschafft dem Bistum Milliarden. Protest wird abgewiegelt

Von Christian Rost, Augsburg

Die katholische Kirche kann man aus zwei völlig unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten: als große Glaubensgemeinschaft oder als Firma. Während die Schar der Gläubigen immer kleiner wird, sitzt das Unternehmen Kirche auf gewaltigen Werten, da macht das Bistum Augsburg keine Ausnahme. Das Vermögen des Bistums belief sich Ende 2017 auf rund 730 Millionen Euro, der Jahresüberschuss lag bei gut 35 Millionen, der Bilanzgewinn bei 11,5 Millionen. Die Kirche wirtschaftet also recht ordentlich. Anders als in den sechs anderen Bistümern in Bayern hat man bei der Verwaltung des kirchlichen Vermögens in Augsburg nun einen Weg eingeschlagen, der den Wert des Unternehmens Kirche weiter steigert - und an der Basis Unmut auslöst. Denn den Ortskirchen wird ihr ureigenes Vermögen, das in sogenannten Pfründestiftungen angelegt ist, entzogen.

Kritiker sprechen von einer "faktischen Enteignung" und einer Maßnahme zur "Entmachtung" der Pfarrer in den jeweiligen Pfarreien. Das Bistum kontert, die Umschichtung des Vermögens innerhalb der Kirche diene lediglich der "Verwaltungsvereinfachung" und zur "Entlastung" der Pfarrer, die sich weniger mit Zahlen und mehr mit der Seelsorge beschäftigen sollen.

Pfründestiftungen dienen, vereinfacht dargestellt, der Versorgung des Pfarrers vor Ort, aus diesem Vermögen bezieht er seinen Lohn und auch sein Dienstsitz wird damit finanziert. Dieses Modell wurde geschaffen, um Pfarreien auch in Krisenzeiten unabhängig aufrechterhalten zu können. Würde beispielsweise die Kirchensteuer abgeschafft, könnten die Ortspfarrer unabhängig vom Staat oder vom Bistum von den Vermögenswerten ihrer Pfründestiftungen zehren. Das Stiftungsvermögen besteht meist aus Grundstücken, land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen, und auch Baugrund gehört mitunter dazu. Die Pfarrer hatten bisher maßgeblich ein Wort mitzureden, wenn diese Flächen verpachtet oder verkauft oder anderweitig verwertet wurden. Alle diese Werte werden nun in dem 2016 auf Geheiß des Augsburger Bischofs Konrad Zdarsa gegründeten Pfründestiftungsverbund St. Ulrich zusammengefasst und zentral vom Bistum bewirtschaftet. Rechtlich ist das machbar, doch die Kritik ist massiv. Denn die Stiftungen der Ortskirchen werden damit zu leeren Hüllen. Die Pfarrer haben nicht mehr viel mitzureden, was mit den Grundstücken geschieht, die ihnen möglicherweise in der Absicht vererbt wurden, die Kirche vor Ort zu unterstützen. Kritiker sprechen von einer "krassen Missachtung" des Wunsches der Gläubigen, die ihrer Ortskirche etwas vermacht haben.

Man kann die bisherigen Vermögen der Pfarreien als "Klein- und Streubesitz" bezeichnen, so wie es in einer Mitteilung des Pfründestiftungsverbunds St. Ulrich heißt. Man kann aber auch die nackten Zahlen betrachten, die gar nicht klein sind. Als erstes gingen die 27 Pfründestiftungen des Dekanats Benediktbeuern im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen im Stiftungsverbund St. Ulrich auf. Der Verbund konnte danach eine Bilanzsumme von 191 Millionen Euro ausweisen. Inzwischen sind auch die 95 Stiftungen der Dekanate Augsburg I, II und Schwabmünchen im Kreis Augsburg hinzugekommen. Und wenn einmal die 1119 Stiftungen von den übrigen 19 Dekanaten ans Bistum überschrieben worden sind, dann hat sich der Stiftungsverbund St. Ulrich vermutlich ein Milliardenvermögen einverleibt. Genauere Zahlen sind vom Ordinariat nicht zu erfahren.

Die Umschichtung hin zum Bistum führe dazu, dass "die Ortskirchen komplett nackt dastehen", sagt ein Mitarbeiter des Bistums, der anonym bleiben möchte. Auch andernorts regt sich Unmut. In Murnau gab es innerhalb der Kirchenverwaltung Protest, und selbst das Bistum räumt ein, dass einige Pfarrer, die ja die Pfründeinhaber sind, nicht einverstanden sind mit der Maßnahme. Karl-Georg Michel, der Kommunikationschef im Bischöflichen Ordinariat, formuliert es so: "Einige wenige Pfründeinhaber haben Erinnerungen erhoben, die von der Bischöflichen Finanzkammer jeweils sehr ernst genommen wurden. Nach pflichtgemäßer Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht hat diese allerdings unter näherer Begründung jeweils um Verständnis gebeten, die geäußerten Bedenken nicht teilen zu können."

Die Argumentation des Ordinariats, mit der Vermögensumschichtung vor allem die Ortspfarrer bei der Verwaltung der Grundstücke aus deren Stiftungsvermögen entlasten zu wollen, ist nicht in allen Punkten nachvollziehbar. Zumal es bereits in Regensburg eine zentrale Pfründepachtstelle der bayerischen (Erz-)Diözesen gibt. Diese kümmert sich um die Verwaltung von landwirtschaftlich verpachteten Flächen in den Pfarreien. Michel sagt dazu, die Aufgaben des neuen Stiftungsverbunds St. Ulrich gingen weit über diese Dienstleistung hinaus. Dort werde man sich auch um die Bewirtschaftung von Forstflächen, um die Entwicklung von Bauland und die Verwaltung des Mietwohnungsbestandes kümmern.

Es ginge aber auch anders, wie eine Recherche bei den sechs anderen Bistümern in Bayern ergibt. Ob Eichstätt, Würzburg oder Passau, ob München-Freising oder Bamberg. Nirgendwo wird daran gedacht, die Pfründestiftungen aufzulösen und zentral zu organisieren. Im Bistum Regensburg geht man gar den entgegengesetzten Weg: "Wir organisieren die Aufgaben tendenziell sehr dezentral", sagt Bistumssprecher Clemens Neck. Die Pfarreien würden bei ihren Aufgaben, etwa der Verwaltung von Kindergärten, durchaus zentral unterstützt. "Die Stiftungen vor Ort sind aber souverän. So soll es auch bleiben."

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SZ vom 03.08.2018
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