Kirche:Bayerns Bischöfe wehren sich gegen Kritik am Umgang mit Flüchtlingen

Herbstvollversammlung Deutsche Bischofskonferenz

Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, fordert mehr Humanität im Umgang mit den vielen Flüchtlingen.

(Foto: Arne Dedert/dpa)
  • Kardinal Reinhard Marx hat angemahnt, in der Flüchtlingsdebatte rhetorisch abzurüsten.
  • Auf die Vorwürfe, die Kirche verdiene Geld an Flüchtlingen, reagiert er gereizt.

Von Jakob Wetzel

Es kriselt im Verhältnis zwischen Staat und Kirche, und Reinhard Marx ist das gar nicht recht. Der Erzbischof von München und Freising hat sich drei Tage lang mit den bayerischen Bischöfen auf dem Freisinger Domberg beraten, um allen voran über die Flüchtlingsarbeit der Kirche zu sprechen.

Da gab es einiges: Angefangen bei Unterstützergruppen in den Pfarrgemeinden über zuweilen millionenschwere Sonderprogramme der Bistümer für die Flüchtlingshilfe bis hin zu Unterkünften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Was er am Donnerstag dann aber auf dem Freisinger Domberg verkündet, das klingt mehr nach der Ermahnung eines Grundschullehrers, gerichtet an seine trotzenden Schüler.

"Wir können nicht in dieser Weise weiterdiskutieren, sondern wir müssen doch endlich die Sachprobleme anpacken. Was soll denn das werden?", fragt der Kardinal. "Die Aufgeregtheit, die ich in den letzten Wochen erlebe, ist nicht hilfreich. Wir müssen alle verbal abrüsten, wir alle!" Und: "Es ist nicht die Zeit des täglich neu entfesselten Streits. Ich bitte darum, dass die Verantwortlichen zusammenstehen!"

Woher die negative Stimmung kommt

Die Wogen zwischen Kirche und Staatsregierung waren zuletzt hochgeschlagen: Am Mittwoch hatten sich 45 Ordensobere aus ganz Bayern in einem Brandbrief bei Ministerpräsident Horst Seehofer über die in ihren Augen unangemessene Rhetorik der Regierung beschwert, die aus hilfsbedürftigen Flüchtlingen potenzielle Gefahrenquellen, gar Kriminelle mache. Marx selbst mahnt seit Monaten immer wieder zu einer menschlichen Flüchtlingspolitik.

Umgekehrt aber hatten einzelne Medien in der vergangenen Woche berichtet, die Kirche verlange für ihre Flüchtlingsunterkünfte Mieten von den zuständigen Landratsämtern. Der kaum verhohlene Vorwurf: Die Kirche verdiene Geld an der Not der Menschen. Markus Söder (CSU), der für Flüchtlingsfragen an sich gar nicht zuständige bayerische Finanzminister, hatte sich am Mittwoch mit dem Satz zitieren lassen: "Barmherzigkeit braucht keine Miete." Die Kirche solle mehr in Hilfe und Unterbringung investieren.

Marx ärgern all diese Vorwürfe. Er will eigentlich nichts dazu sagen, es steht auch keine Stellungnahme auf seinem Zettel, im Gegenteil, er will ja abrüsten. Zu Beginn bedankt er sich deshalb auch freundlich nicht nur bei den vielen Ehrenamtlichen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, die Schwimmkurse anbieten, bei Behördengängen oder beim Deutschlernen helfen, sondern auch bei "den vielen Politikern" - zumindest bei denjenigen, "die viel Zeit aufbringen, um an einer Lösung des Problems zu arbeiten".

Was Marx zu Söders Vorwurf sagt

Aber dann bricht es doch aus ihm heraus. "Barmherzigkeit braucht keine Miete - da weiß ich gar nicht, was ich davon halten soll. Die Miete dient ja der Barmherzigkeit!", ruft der Kardinal, und schon ist er in Fahrt. Die Mieteinnahmen kämen doch auch der Flüchtlingshilfe zugute, sagt er. Die 60 Immobilien im Erzbistum München und Freising, in denen derzeit etwa 1000 Flüchtlinge leben würden, seien außerdem meistens in Stiftungsbesitz, und Stiftungen müssten sich erhalten. "Man kann doch nicht sagen: Die Kirche hat's ja, und deshalb den Stiftungszweck vernachlässigen!" Viele der Objekte würden sowieso mietfrei überlassen. Und das Geld stamme nicht von den Flüchtlingen, sondern von den Landkreisen.

Die Idee, die Kirche würde sich an Flüchtlingen bereichern, die sei "völlig abwegig", "Unsinn", geradezu "abenteuerlich", sagt Marx. Der Schwerpunkt der Flüchtlingshilfe liege nicht bei Immobilien, sondern bei der Integration, bei Deutschkursen, bei der Asylsozialberatung, bei Schwimmkursen und so weiter. Im Jahr 2015 habe das Erzbistum München und Freising einen zweistelligen Millionenbetrag in die Flüchtlingshilfe investiert, im kommenden Jahr werde die Kirche dafür ähnlich viel Geld ausgeben. "Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass wir das durch diese Mieteinnahmen wieder hereinbekommen?"

Er verstehe sowieso nicht, sagt Reinhard Marx weiter, warum man versuche, jene Institutionen, die etwas für Flüchtlinge tun, in ein schlechtes Licht zu rücken: "Dann heißt es, es sei doch unvernünftig, alle willkommen zu heißen. Man müsse doch die Folgen abschätzen. Ja, natürlich! Aber doch nicht nur die Folgen für mich, sondern auch die für die anderen! Was wird denn aus denen, wenn wir ihnen nicht helfen?"

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