Süddeutsche Zeitung

Augsburg:Kunst mit dem Teufel

Sprayer beschmieren eine Kirche in Augsburg, die Pfarrgemeinschaft macht eine Installation daraus.

Von Florian Fuchs, Augsburg

Ein Antichristsymbol gehört nicht unbedingt an die Mauer einer Kirche, im Augsburger Stadtteil Oberhausen freut sich die Pfarrgemeinschaft inzwischen trotzdem darüber, irgendwie. Natürlich wollen sie auch hier nicht, dass ihre Kirche St. Peter und Paul beschmiert und mit Eiern beworfen wird. Aber nun haben sie das Beste draus gemacht und die ganze Sauerei zum Kunstwerk umgewidmet. Um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, sagt Marcus Lechner, Mitglied des Leitungsteams im Pfarrgemeinderat. Und siehe da: es funktioniert.

Vor etwa zwei Wochen haben sie die Graffiti an der Kirchenwand bemerkt. "FCK Jesus", "FCK NZS", "666" stand da plötzlich. Der Pfarrer, die Bildungsreferentin der Pfarrgemeinschaft, sie alle wollten das Geschmiere nicht einfach still überpinseln. "Wir wollten es kommentieren, das war ein spontaner Einfall", sagt Lechner. Also haben sie die Verunglimpfungen mit neonfarbenem Klebeband umrahmt und dann in den gleichen Farben Plakate gestaltet, mit Sprüchen in Jugendsprache.

Erwachsene imitieren Jugendsprache, so etwas ist zuweilen schon schief gegangen, rund um das Kirchengebäude in Oberhausen aber funktioniert es bestens. "Wer schreibt denn heute noch an die Wand??? Schreibt uns doch auf Insta!" plärrt es den Verursachern da nun entgegen. Oder "Uncool, aber auch ganz schön Eier gehabt", und "Digga, wir finden Nazis auch zum Kotzen!". Wobei den Verantwortlichen wichtig ist, dass die Sprüche nicht nur an die Sprayer gerichtet sind. "Das waren Teenies, da bin ich mir sicher", sagt Lechner. Sondern eher an Passanten, an alle Menschen, als Signal in den "sehr bunten Stadtteil" hinein, wie Lechner es ausdrückt: "Wir sprechen auch eure Sprache und sind offen und dialogfähig."

Es sollte nicht der erhobene Zeigefinger sein. "Nicht pädagogisch, wie man es von der Kirche vielleicht kennt." Tatsächlich sind am Wochenende nun schon einige Passanten stehen geblieben, neugierig. Es funktioniert, sagt Lechner, ganz im Sinne des Pfarrers Bernd Weidner: "Empörung beherrschen die meisten von uns sehr gut. Betroffenheit auch. Dabei stehen zu bleiben, bringt aber nicht viel. Deshalb freue ich mich über das Gesprächsangebot und bin sehr gespannt, ob so eine Art Dialog in den Stadtteil hinein entstehen kann."

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