Kirchanschöring:Mit vereinter Kraft

Gemeinden in Bayerns Südosten wollen sich bei der Fernwärme, dem Glasfaserausbau und beim Strom zusammentun

Von Matthias Köpf, Kirchanschöring

Heizen mit Fernwärme, Glasfaser bis ins Haus und Strom vom kommunalen Energieunternehmen - diese Art von Rundumversorgung scheint allenfalls in größeren Städten Standard und auf dem Land oft bloße Utopie. Der Rupertiwinkel und weite Teile des Chiemgaus in Bayerns äußerstem Südosten sind so eine Gegend, in der die Dörfer und Gehöfte weit über die hügelige Voralpenlandschaft gestreut sind. Und doch wollen etliche Kommunen dort jetzt gemeinsam eine Infrastruktur schaffen, die der in der Stadt vergleichbar ist. Vorerst 15 von ihnen haben dazu das "Regionalwerk Chiemgau-Rupertiwinkel" gegründet.

Wo ein Gemeindewerk für die Aufgaben viel zu klein wäre und ein Stadtwerk mangels größerer Stadt fernliegt, da soll nun dieses "Regionalwerk" die nötigen Strukturen schaffen - aus vereinter, aber immer noch eigener Kraft der Gemeinden und möglichst ohne Partner aus der Wirtschaft, die vor allem ihr jeweiliges Gewinninteresse verfolgen müssten. "Das ist ein Daseinsvorsorgeprojekt, das in die öffentliche Hand gehört", sagt Hans-Jörg Birner. Er ist seit zwölf Jahren Bürgermeister der 3400-Einwohner-Gemeinde Kirchanschöring im Landkreis Traunstein und hat dort schon vieles angestoßen, das nicht als Erstes von einem CSU-Mann zu erwarten wären. Das Regionalwerk sei eine Reaktion auf den "Privatisierungswahn" der vergangenen Jahre, sagt Birner. Denn "die großen Vorteile, die uns versprochen worden sind, sind nicht gekommen".

23 Kommunen haben sich an einer Machbarkeitsstudie beteiligt, mindestens fünf hätten wohl dabei sein müssen, um die Gründung zu wagen. Es sind dreimal so viele geworden, es gab aber auch ein paar Absagen, und in einigen Orten steht die Entscheidung noch aus. Mit Laufen im Berchtesgadener Land und Tittmoning im Landkreis Traunstein beteiligen sich auch zwei Städte, wenn auch zwei recht kleine. Einige der Gemeinden liegen auch in den Landkreisen Altötting und Rosenheim.

Am nächstliegenden ist auch für das Regionalwerk Chiemgau-Rupertiwinkel die Stromversorgung aus kommunaler Hand, so wie sie etwa das gemeindeübergreifende "Eberwerk" im Landkreis Ebersberg oder die "17er Oberlandenergie" im bayerischen Oberland bieten. Es gibt dort im Südosten viele ältere Biogas- und Photovoltaikanlagen, die bald aus der zeitlich begrenzten EEG-Förderung fallen. Das Regionalwerk soll "diese Energie sammeln und als regionalen Biostrom vermarkten", sagt Birner. Damit sei auch den Bauern geholfen, die diese Anlagen meistens betreiben.

Aber bloß ein weiterer Stromanbieter wäre Birner zu wenig. Im Alpenvorland spielt die tiefe Geothermie eine immer größere Rolle, nur fehlt es neben der reinen Stromerzeugung oft an Möglichkeiten, die viele Wärme aus der Erde zum Heizen zu nutzen. Um passende "Quartierskonzepte" soll sich das Regionalwerk laut Birner ebenso kümmern wie um die Breitbandversorgung. Dabei hat das neue Regionalwerk schon einige Expertise an Bord: So hat Halsbach im Landkreis Altötting, dessen 1000 Einwohner sich neben dem Kirchdorf auf 66 Weiler und Gehöfte verteilen, die Breitbandversorgung selber in die Hand genommen und die Glasfasern durch Wiesen und Felder bis in die letzte Einöde gepflügt, statt Millionen in eine schlechtere Lösung der Telekom zu stecken. Im benachbarten 2500-Einwohner-Ort Kirchweidach sind drei Viertel aller bebauten Grundstücke an ein geothermiegespeistes Fernwärmenetz angeschlossen.

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