Kinderunis:Wenn es schäumt, stinkt und krabbelt im Hörsaal

Kinder an der Universität, der Hörsaal in Bayreuth ist gut gefüllt.

Der Hörsaal in Bayreuth ist gut gefüllt.

(Foto: Universität Bayreuth)

Kinderunis wollen Grund- und Unterstufenschüler für Wissenschaft begeistern. Quer durch Bayern gibt es die Programme - bald beginnt das Sommersemester.

Von Anna Günther, Bayreuth/Regensburg

Mit seinem ersten Vortrag in der Regensburger Kinderuni wird Heiko Unold einen Mythos entzaubern. Ausgerechnet jenen Mythos, der viele Buben und Mädchen Anfang Juli in seinen Hörsaal treiben dürfte und seit 40 Jahren Millionen Star-Wars-Fans weltweit fasziniert: Das Schwert der Jedi-Ritter. "Wann kommt das Laserschwert? Was kann Licht und was kann es nicht" nennt Unold seinen ersten Vortrag.

Und was das Licht in den Star-Wars-Filmen kann, das kann es in der Physik nicht. "Sie können kein Laserschwert bauen, bei dem nach einem Meter das Licht aufhört", sagt Unold, 45. Anders als im Film würden Lichtschwerter auch kein Geräusch machen oder aneinanderschlagen, wenn sie aufeinandertreffen. "Zwei Lichtstrahlen gehen still durcheinander hindurch, und denken Sie an die Taschenlampe, bei der ein Strahl so weit leuchtet, bis er auf einen Gegenstand fällt."

Seit seiner Studienzeit beschäftigt sich Unold mit Laserstrahlen und Licht, mittlerweile unterrichtet er an der Fakultät für Elektro- und Informationstechnik der Ostbayerischen Technischen Hochschule in Regensburg und leitet dort das Labor für Laser- und Optoelektronik. Natürlich gehört es zum Reiz Hollywoods, mit der Trickkiste filmischer Effekte die Gesetze der Physik zu überwinden. Aber Unold möchte die Kinder zum Nachdenken anregen. Dabei soll es nicht nur ums Lichtschwert gehen, sondern auch um Farben, Spiegelung oder Linsen in Kameraobjektiven.

Die Regensburger Kinderuni beginnt im Juni. Mädchen und Buben zwischen zehn und 14 Jahren dürfen ohne Anmeldung die sechs 45-Minuten-Vorträge besuchen. An vielen anderen bayerischen Hochschulen und Universitäten laufen allerdings bereits jetzt die Voranmeldungen für das Sommersemester. Denn an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW), die früheren Fachhochschulen, hat das Sommersemester bereits begonnen, an den Universitäten beginnt der Betrieb offiziell nach den Osterferien.

Die meisten bayerischen Hochschulen bieten ein Programm für Grund- und Unterstufenschüler an. Ziel ist, über die Grenzen der Schularten hinweg alle Kinder für die Wissenschaft zu begeistern. Werbewirkung für die Uni inklusive. Das Spektrum ist weit, ob Jura, Physik, Chemie oder Biologie, aber auch Literaturwissenschaft oder Sprachen - alle Sparten der Wissenschaft sind auch an den Kinderunis vertreten. Fesselnd und spektakulär sollten Vorlesungen auch für erwachsene Studenten sein, bei den Kindern aber ist das die wichtigste Voraussetzung. Also setzen Dozenten neben vergleichsweise einfachen Erklärungen auf möglichst beeindruckende Experimente, Tiere und Mitmach-Aktionen. Hauptsache es ist lebensnah oder schäumt, raucht, stinkt und krabbelt.

Die erste Kinderuni war ein geglücktes Experiment

Derlei Angebote für Kinder gibt es schon lange. Aber als Erfinder der Kinderuni im deutschsprachigen Raum gilt die Universität Tübingen. Nach der Entrüstung über die ersten Pisa-Ergebnisse 2001 entwickelten Ursula Steuernagel und Ulrich Janßen, beide Redakteure des Schwäbischen Tagblatts, gemeinsam mit der Tübinger Eberhard-Karls-Universität die Kinderuni.

Was Kinder an der Universität interessiert, wissen die Macher der Projekte, auch wenn sie sich manchmal täuschen.

Die Macher der Projekte wissen, was zieht bei den Kindern - manchmal aber täuschen sie sich.

(Foto: Universität Bayreuth)

Als Inspiration beschreibt Janßen 2002 im Ankündigungstext im Schwäbischen Tagblatt eine Serie des SZ Magazins, in der Nobelpreisträger Kindern die Welt erklärten. Für die Tübinger war die erste Kinderuni ein Experiment, offensichtlich ein geglücktes: Dutzende Hochschulen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein zogen nach. Die Tübinger Uni bekam 2005 den Descartes-Preis der Europäischen Union, Steuernagel und Janßen wurden 2009 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

In Oberfranken geht man noch einen Schritt weiter: Die Kinder dürfen selbst bestimmen, welche Vorlesungen die Professoren der Universität Bayreuth halten. Zur Auswahl stehen zehn Themen, die vier mit den meisten Stimmen finden zwischen Mitte Juni und Anfang Juli statt. Ob tatsächlich allein die Schüler abstimmen, kann die Uni nicht überprüfen. "Aber ich gehe davon aus, dass zu 90 Prozent Kinder abstimmen", sagt Ursula Küffner, die das Projekt betreut.

Die Kinder dürfen die Themen teils selbst wählen

Bis zu 3000 Stimmen werden in jedem Jahr abgegeben, jedes Kind darf auf der Uni-Homepage oder analog in der Schule vier Themen wählen. Bis Mitte April können Mädchen und Buben aus der Region noch zwischen Stochastik, Geologie, Organischer Chemie, Literaturwissenschaft oder Schulpädagogik wählen. Eltern seien in der Vorlesung nicht erlaubt, sagt Küffner, sie können derweil die aufbereiteten Vorträge des Vorjahres hören.

Freude hätten auch die Professoren, sagt Küffner. Damit diese den richtigen Ton treffen, führt sie Vorbereitungsgespräche. Das brauche er nicht, sagt der Regensburger Unold, Kindergruppen führe er oft durchs Labor. "Und ich habe ein gutes Gespür dafür, was zieht." Den Titel seiner Vorlesung hatten seine eigenen vier Kinder gleich mal abgelehnt. Star Wars zieht bei ihnen nicht. Unold blieb trotzdem dabei.

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