Kinderpornografie:Auf Pädophilenjagd im Netz

"Oft dachte ich, einen abscheulicheren Film gibt es nicht, und dann kommt ein noch schlimmerer": Über die Arbeit der Internet-Fahnder des LKA.

Stefan Mayr

Der Kommissar besucht jeden Tag die einschlägigen Internetforen für Pädophile. Er braucht nur wenige Mausklicks, um Fotos von vergewaltigten Kindern auf seinen Computerschirm zu laden. Der Kriminaloberkommissar beim Bayerischen Landeskriminalamt (LKA) sitzt im dritten Stock der Zentrale in München gemeinsam mit elf Kollegen. Ihr Job: Sie durchforsten das Internet nach Straftaten.

Kinderpornografie: Cheffahnder Albert Bischeltsrieder will für Pädophile im Internet keine rechtsfreien Räume entstehen lassen. Er fordert daher eine noch bessere Ausstattung für seine Polizeibeamten.

Cheffahnder Albert Bischeltsrieder will für Pädophile im Internet keine rechtsfreien Räume entstehen lassen. Er fordert daher eine noch bessere Ausstattung für seine Polizeibeamten.

(Foto: Foto: dpa)

Erst vergangene Woche präsentierte die Dienststelle "Netzwerkfahndung" den bislang größten Erfolg seit ihrer Gründung: Mit der "Operation Smasher" legte sie weltweit etwa 1200 Pädophilen das Handwerk.

Es war der bisher umfassendste Schlag gegen die Kinderpornoszene im Internet. Der Kampf gegen die Vergewaltiger und Vervielfältiger ist damit allerdings nicht gewonnen. Im Gegenteil: Die Dateien werden immer mehr und die Bilder immer brutaler, die Tauschringe immer konspirativer.

LKA-Cheffahnder Albert Bischeltsrieder warnt bereits vor einem rechtsfreien Raum. "Die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet ist zuletzt gewaltig angestiegen", sagt Bischeltsrieder. "Das Internet fordert uns massiv, und die Polizei wird künftig mehr Sachmittel und Personal vorsehen müssen, um keinen rechtsfreien Raum entstehen zu lassen", sagt der Kriminaldirektor.

Im Jahr 2007 gingen allein beim LKA in München 39.000 Hinweise auf Kinderpornographie ein. "Da sind wir fast abgesoffen", so Bischeltsrieder. Viele Tipps erweisen sich zwar als strafrechtlich nicht relevant, so sind etwa FKK-Bilder noch keine Kinderpornographie. "Aber wir gehen jedem Hinweis nach", beteuert Bischeltsrieder. Dabei landen die Netzwerkfahnder regelmäßig einen Volltreffer. Wie bei der "Operation Smasher", die ihren Ursprung 2006 in Italien hatte.

Die Töchter missbraucht

Die italienische Kinderschutzorganisation telefono arcobaleno (Regenbogen-Telefon) wies die Münchner Fahnder auf zwei Filme hin, die auf einem Server in der Region Konstanz gespeichert waren. Der Kommissar Richard Maurer, der seinen wirklichen Namen zum eigenen Schutz nicht in der Zeitung lesen will, und seine Kollegen überprüften das, wenig später rollte die "Operation Smasher" an.

Jetzt sind in Deutschland fast 1000 Täter aus allen Schichten und Altersgruppen überführt, 134 davon aus Bayern. Ein Mann aus Schleswig-Holstein wurde gefasst, der seine Töchter jahrelang fast täglich missbraucht hatte. Trotz dieses Erfolgs stieß die "Operation Smasher" aber auch an Grenzen: Weil nicht alle Daten rekonstruiert werden konnten, kamen viele Pädophile ungeschoren davon. Auch die Hintermänner der zwei Filme sind noch auf freiem Fuß.

Auf Pädophilenjagd im Netz

Die Höchststrafe für den Besitz von Kinderpornographie beträgt fünf Jahre Haft, für aktiven sexuellen Kindesmissbrauch bis zu zehn Jahre. Albert Bischeltsrieder ruft nicht wie manche Politiker nach schärferen Gesetzen. Viel wichtiger ist ihm, dass der Fahndungsdruck erhöht wird. Bislang tummeln sich die meisten Pädophilen im vermeintlich anonymen Internet in der Überzeugung, sie würden nie erwischt werden. "Wir müssen denen klar machen, dass wir ihnen auf den Fersen sind."

Die bundesweite Kriminalstatistik weist bei kinderpornographischen Bildern und Filmen zwischen 2006 und 2007 einen Anstieg um 55 Prozent aus. Im Internet verdoppelte sich die Zahl der Fälle gleichzeitig auf 6206. Im vergangenen Jahr wurden 15.935 Kinder sexuell missbraucht, jedes neunte Kind war jünger als sechs Jahre.

"Es gibt aber eine große Dunkelziffer", betont Albert Bischeltsrieder. Die Hemmschwelle, einen Fall anzuzeigen, sei groß, da die Täter meist aus dem persönlichen Umfeld kommen. In der Regel sind die Peiniger Nachbarn, Onkel, Stiefväter und nicht selten die leiblichen Väter. Deshalb sind die Fahnder auf Hinweise angewiesen. Regelmäßig arbeitet Richard Maurer deshalb Linklisten durch, die Kinderschutzorganisationen einschicken.

"Aber bei einem Chatforum muss man in Echtzeit zugreifen", betont Chef Bischeltsrieder. "Wenn man im Nachhinein daherkommt, ist der Täter längst weg." Es ist ein ständiger Wettlauf, ein ständiges Wettrüsten. Bischeltsrieder ist mit der technischen Ausstattung seiner Dienststelle zufrieden, er sagt aber auch: "Kein Bereich ändert sich so schnell wie das Internet. Wenn ein Mitarbeiter vier Wochen im Urlaub ist, muss er wieder bei null anfangen."

Das größte Problem der Fahnder ist allerdings ein ganz anderes: die psychische Belastung beim Anblick der körperlichen und seelischen Qualen der Kinder. Tagtäglich schauen die Beamten in die Abgründe der Gesellschaft, nicht alle halten das auf Dauer aus. "Wir haben eine relativ hohe Fluktuation", bestätigt der Chef. Das LKA bietet seinen Internetfahndern Gesprächsrunden und psychologische Seminare an. "Und ganz wichtig ist, dass die Leute grundsätzlich freiwillig hier sind." Sobald es einer nicht mehr aushält, kann er ohne Probleme in eine andere Dienststelle wechseln.

Selbstschutz ist wichtig

Richard Maurer ist seit fünf Jahren bei den Netzwerkfahndern. "Keine Gedanken machen", lautet das Motto des Polizisten zum Selbstschutz. Man dürfe die Qualen der Kinder nicht an sich heranlassen. Das ist nicht immer leicht, denn die Kindesmisshandlungen werden immer brutaler.

"Ich vermute, die schaukeln sich in ihren Tauschringen in einer Art Wettbewerb gegenseitig hoch", sagt Bischeltsrieder. Richard Maurer erzählt von einem Film, bei dem ein Baby auf eine Bank gefesselt wurde. Degradiert zum Lustobjekt, quasi gebrauchsfertig hergerichtet. Schon oft habe er gedacht, "einen abscheulicheren Film gibt es nicht". "Und dann", so Maurer, "kommt einer, der ist noch schlimmer."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: