Kennzeichen:Kfz-Kennzeichen könnten Landkreise spalten

Kennzeichen HÖS lebt wieder auf

Jochen Tohol (links) und Johannes Denzler haben mit einer Unterschriftenkampagne die Wiedereinführung des alten HÖS-Nummernschilds erreicht.

(Foto: Peter Roggenthin)
  • Seit 2013 werden in manchen bayerischen Landkreisen wieder alte Kfz-Kennzeichen ausgegeben.
  • Etwa im Landkreis Augsburg: Nach einer Petition gab es sofort 2000 Bestellungen für das Kennzeichen des Altlandkreises Schwabmünchen (SMÜ).
  • Lokalpolitiker befürchten, dass die Vergabe der Kennzeichen einen Spaltkeil in Landkreise treiben könnte.

Von SZ-Autoren

Es ist nur ein Kürzel aus drei Buchstaben, doch für viele Menschen aus der Region südlich von Augsburg steht es für Lokalpatriotismus: SMÜ zierte einst die Autokennzeichen des Landkreises Schwabmünchen, bevor er 1972 aufgelöst wurde. Jetzt werden die Schilder wieder ausgegeben. Die Nachfrage nach dem Nostalgie-Kennzeichen ist enorm. Marion Koppe, die Leiterin der Zulassungsstelle am Landratsamt Augsburg, stöhnt unter der Belastung: "Wir verfügen weder über die Hardware noch über die personellen und räumlichen Ressourcen, um den Ansturm von Tausenden Kunden innerhalb weniger Tage zu bewältigen", sagt sie.

Bereits 2100 Online-Bestellungen für SMÜ liegen der Behörde vor, nachdem Landrat Martin Sailer (CSU) im Herbst dem Drängen der Bevölkerung nachgegeben hatte. Eine Unterschriftenliste von 2000 SMÜ-Sympathisanten hatte bei ihm offenbar Eindruck hinterlassen.

In anderen Landkreisen Bayerns werden die alten Kennzeichen bereits seit 2013 wieder ausgegeben. Zu verdanken haben das die Bürger dem einstigen Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), der dem Bundesrat 2012 die entsprechende Vorlage präsentiert hatte.

Nicht überall wurde die sogenannte Kennzeichenliberalisierung freudig begrüßt. Das treibe einen Spaltkeil in die Landkreise, lautete die Befürchtung von Lokalpolitikern. "Die Separatisten gewinnen die Oberhand", klagte der FDP-Kreisrat Armin Nowak, als im Juli 2016 der Landkreis Berchtesgadener Land (BGL) im zweiten Anlauf die Zulassung neuer/alter Kennzeichen beschloss. "Kommt nach dem Vorbild des Brexit jetzt auch der Ausstieg aus dem Berchtesgadener Land?", fragte Nowak.

Ganz so schlimm ist es bisher noch nicht gekommen: Nach den Erfahrungen der Zulassungsstelle ist etwa 80 Prozent der Kunden weniger an den alten Landkreis-Kürzeln gelegen, als vielmehr an der Möglichkeit, dahinter die eigenen Initialen oder andere Wunsch-Buchstaben zu erhalten. 70 Prozent wünschen sich, die Wichtigtuer-Ziffer 1 aufs Taferl gedruckt zu bekommen. Mit den neuen Kürzel BGD (Berchtesgaden) und LF (Laufen) sind jeweils etwa 1500 Fahrzeuge unterwegs, mit REI (Bad Reichenhall) knapp 700, wobei etliche sogar noch das Original-Kennzeichen aus der Zeit vor der Gebietsreform 1972 haben. Der große Rest der 85 500 Autos im Landkreis trägt weiter BGL auf dem Schild.

Dass die Begeisterung für die Nostalgiekennzeichen keine Altersfrage ist, sieht man in Franken. Dort haben zwei junge Männer aus Höchstadt an der Aisch erreicht, dass sich Autofahrer wieder für die Buchstabenkombination HÖS entscheiden können. Auch dort hatte sich 2013 der damalige Landrat von Erlangen-Höchstadt zunächst noch gegen die Wiedereinführung entschieden.

Kennzeichen: Eine Mass Freibier spendierte die Wolfratshauser CSU bei ihrem Fest den Besitzern eines neuen WOR-Kennzeichens, das gegen TÖL getauscht werden kann.

Eine Mass Freibier spendierte die Wolfratshauser CSU bei ihrem Fest den Besitzern eines neuen WOR-Kennzeichens, das gegen TÖL getauscht werden kann.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Für Johannes Denzler und Jochen Tohol, Jahrgang 1992 und 1987, war das eine Enttäuschung, obwohl sie die HÖS-Zeiten gar nicht mehr miterlebt hatten. Doch sie kannten die Schilder von Traktoren und Feuerwehrfahrzeugen. Für Tohol, gelernter Logistikmeister und selbst bei der Feuerwehr aktiv, ist das "HÖS" ein Zeichen von Heimatverbundenheit.

Die beiden sind in der Kommunalpolitik aktiv und stolz auf ihre Heimat, die 1972 den Status der Kreisstadt verlor. "Wir wollten ein Stück Eigenständigkeit für Höchstadt zurückbringen", sagt Denzler. Er arbeitet im familieneigenen Betrieb, einer Firma für Fliesen- und Kachelofenbau. Selbstverständlich hat er die Firmenfahrzeuge längst mit dem alten Kennzeichen ausstatten lassen.

Das wurde möglich, weil 2014 ein neuer Landrat gewählt wurde, den die beiden prompt wieder mit ihrem Wunsch konfrontierten. Seit Februar 2015 bietet die Zulassungsstelle im Landkreis Erlangen-Höchstadt neben ERH auch HÖS an. Bisher haben sich 4776 Bürger dafür entschieden. Zum Vergleich: Etwa 115 000 Autos tragen das Kennzeichen ERH.

Anders ist die Situation im Landkreis Schwandorf in der Oberpfalz. Er entstand ebenfalls 1972, und zwar gleich aus vier Landkreisen: Burglengenfeld, Nabburg, Oberviechtach und Neunburg vorm Wald. Später schlossen sich auch noch einige Gemeinden aus dem Kreis Roding an.

Der Neulandkreis erhielt das ziemlich abstrakte Kürzel SAD zugeteilt, mit dem die Autofahrer seitdem heimatlos durch die Gegend fahren. Nachdem aber auch im SAD-Land 2015 die Kennzeichen liberalisiert wurden, entscheidet sich jeder Vierte bei der Neuzulassung für eine der alten Abkürzungen: BUL, NAB, OVI, NEN, ROD.

Massenhafter Andrang in der Zulassungsstelle

Im Landkreis A, wo die automobilen Bürger jetzt auch ihre Verbundenheit zu SMÜ wiederentdeckt haben, bitte Geschäftsleiterin Marion Koppe derweil um Geduld. Die Verwaltung hat jetzt einen Appell veröffentlicht, sich mit der Ummeldung Zeit zu lassen und frühestens im April die neuen Schilder abzuholen. Bei mehr als 150 Zulassungen pro Tag müssten die Bürger eine Wartezeit von mindestens einer Stunde einkalkulieren.

Und schon aus Brandschutzgründen dürften sich maximal 25 Personen gleichzeitig in der Zulassungsstelle aufhalten, sagt Koppe. Alle anderen müssten draußen vor der Tür im Außenbereich warten. Weil neben dem SMÜ- auch das WER-Kennzeichen des ehemaligen Landskreises Wertingen im Kreis Augsburg wieder eingeführt wird, verschärft sich die Lage zusätzlich.

In Straubing-Bogen, Kennzeichen SR, kann das nicht passieren. Landrat Josef Laumer hat klar gemacht, dass es beim Einheits-SR bleibt. Zur Begründung heißt es, der Landkreis Straubing-Bogen, der bei der Gebietsreform neu entstanden ist, müsse bestärkt werden.

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