Kempten:Volksfest als Belästigung

Lesezeit: 2 min

Zur Festwoche kommen pro Jahr etwa 100 000 Messe- und 80 000 Abendbesucher. Und auch mal gut 3000 Frauen für einen Dirndl-Weltrekord. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Frau will Recht auf weniger Miete während Festwoche erstreiten

Von Christian Rost, Kempten

Darf jemand, der in der Nähe eines Festgeländes oder sogar darauf wohnt, wegen Lärmbelästigung seine Mietzahlungen reduzieren? Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit das Landgericht in Kempten. Eine Frau leidet unter den Begleiterscheinungen der Allgäuer Festwoche, und wenn sie vor Gericht recht bekommt, könnte dies auch Auswirkungen andernorts haben: auf das Münchner Oktoberfest zum Beispiel, wo rund um die Theresienwiese ebenfalls etliche Anwohner schwer geplagt sind in der Wiesn-Zeit.

Die Allgäuer Festwoche ist ein Spektakel, sie ist Messe und Volksfest zugleich. Alljährlich im August präsentieren sich rund 400 Aussteller aus Industrie, Handel und Landwirtschaft in Kempten. Gut 180 000 Besucher strömen an neun Tagen auf das Areal in der Innenstadt rund um den Stadtpark, in den Festzelten geht es bis Mitternacht hoch her. Eine Frau aus Kempten leidet unter der Festwoche, weil sich ihre Wohnung auf dem abgesperrten Gelände befindet. Wegen des Trubels und der Zugangskontrollen, denen auch sie sich unterziehen musste, sieht sie den Wohnwert ihrer Mietwohnung gemindert. Deshalb zahlte sie im August 2017 nur die Hälfte der regulären Miete in Höhe von monatlich 595 Euro. Ihr Vermieter wollte das nicht hinnehmen und verklagte die Frau auf Zahlung der vollen Miete. In erster Instanz am Amtsgericht bekam der Vermieter recht. Jetzt versucht die Mieterin, dieses Urteil am Kemptener Landgericht zu kippen. Sie sagt, dass sie ihre Wohnung "nur eingeschränkt nutzen" könne.

Da ist einerseits der Lärm: Diverse Fahrgeschäfte und der Bierzeltrummel mit Musik beschallen sie die halbe Nacht, und selbst danach kehrt ihrer Darstellung zufolge keine Ruhe ein, weil das Sicherheitspersonal mit Funkgeräten patrouilliert. Sie ärgert sich aber auch über die Zugangskontrollen, wenn sie während der Festwoche in ihre Wohnung wollte. An manchen Eingängen konnte sie als Anwohnerin durch, ohne angehalten zu werden und ihre Tasche vorzeigen zu müssen. An anderen Eingängen wurde sie aufgefordert, sich in der Besucherschlange anzustellen, selbst wenn sie nur kurz mit ihrem Hund spazieren war. Zweimal wollten die Sicherheitsleute die Frau wegen des Hundes überhaupt nicht auf das Gelände lassen. Erst nach längerer Diskussion und der Drohung, sie werde sich bei der Stadt beschweren, konnte sie passieren. Kurios waren zwei Vorfälle: Die Schwester der Kemptenerin kam zu Besuch und musste nicht nur einen Passierschein kaufen, sondern das Gelände auch binnen einer halben Stunde wieder verlassen. Und als sich die Mieterin eine Pizza bestellte, wurde der Bote nicht durchgelassen. Ob die Mietminderung gerechtfertigt war, entscheidet das Landgericht am 20. April.

© SZ vom 12.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: