Der Kaufhof liegt in fast allen Städten zentral, natürlich. Der in Nürnberg aber stand immer schon besonders im Fokus. Vom Hauptbahnhof führt in Nürnberg eine Straße direkt in die Altstadt, zu Hauptmarkt und Kaiserburg: die Königstraße. An diesem „Einfallstor“ indes, wie es Kulturbürgermeisterin Julia Lehner (CSU) nennt, sehen sich Besucher seit mehr als einem Jahr, seit der Kaufhof-Schließung, mit einer Brache konfrontiert. Man sucht mittelalterliche Gassen, Fachwerk, Butzenscheiben. Und findet erst mal Gitterzaun, verrammelte Schaufenster, Tristesse – eine Art Konsum-Mahnmal.
Was wiederum nicht am Gebäude an sich liegt. Für Lehner ist der Bau eine „Ikone der Wiederaufbauzeit“, er steht nicht umsonst unter Denkmalschutz. Was daraus werden soll? Insofern diese Frage auf eine lange Sicht zielt, so muss Lehner um Verständnis für Zurückhaltung bitten – sie ist für Kultur zuständig, nicht für Wirtschaft. Auf kurze Sicht aber mag das von ihr verantwortete Referat wenigstens Denkanstöße bieten an diesem tristen Stadteingang.
An diesem Wochenende lädt das städtische Projektbüro zur „Zukunftsmusik“, zu einer – eigenen Angaben zufolge – „erlebbaren Transformation des Kaufhof-Areals mittels Kunst und Kultur“. Das mag sich traumtänzerisch anhören, nach Wolkenkuckucksheim. Andererseits hat diese vom Strukturwandel immer wieder hart getroffene Stadt das Prinzip längst erprobt. Das leer stehende AEG-Areal etwa bevölkerten übergangsweise Künstlerinnen und Künstler, inzwischen pulsiert dort wieder Leben. Gegenüber bei Quelle ist das bisher nicht geglückt, aber auch dort dürften die Tage der Tristesse gezählt sein.
Freilich lagen diese prominenten Brachen an einer Ausfallstraße, nicht im Zentrum. Und auch die Bau-Innensubstanz scheint im Kaufhof kompliziert zu sein. Jedenfalls sieht sich derjenige enttäuscht, der zur Vorstellung des Kulturprojektes gehofft hat, den leer geräumten Bau mal wieder von innen zu sehen. Man darf die Nase ans Fenster drücken, sieht abgehängte Decken und Trostlosigkeit. Ins Bauwerk aber darf man nicht. Das wird auch die Kunst nicht dürfen, vorläufig zumindest.
Das ist auch deshalb schade, weil seit Februar ein Streit entflammt ist um die Immobilie. Losgetreten hat ihn Markus Söder, der sich früher mitunter mehrmals im Monat zur Zukunft der Stadt eingelassen hat. Der sich aber zurücknimmt, seit er Ministerpräsident ist. Jedenfalls dann, wenn’s ihm nicht wichtig genug ist. Beim Kaufhof war es ihm offenbar wichtig genug. Also griff er ein. Er rate dringend, „das Gebäude abzureißen“, erklärte er. Das sei seine „politische Empfehlung“.
Nun steht das Gebäude aber eben unter Denkmalschutz, da sind die Hürden für einen Abriss hoch. Und so debattiert die Stadt. Es gibt jene, die im Haus gerne einen Ableger der Messe untergebracht sähen, mit oder ohne Abriss. Jene, die für Bildungseinrichtungen plädieren. Jene, die eine Mischnutzung für realistisch erachten. Und jene, die sich fragen, warum in München kaum etwas mit mehr Verve debattiert wird als das geplante Konzerthaus – in Nürnberg eine solche Debatte aber selbst dann nicht in die Gänge kommt, wenn ein großes Zentrumsareal durch historische Fügung frei wird.
Eines immerhin hat sich am Stand der Debatte seit Februar geändert: Der Stadt gelang es, die Immobilie zu erwerben, zu einem – so die Sprachregelung – „angemessenen“ Preis. Und nun? Das temporäre Kulturprojekt gibt immerhin schon mal Gelegenheit, die Schaufenster mit erquicklicherer Stadtwerbung zu drapieren: „Die Zukunft beginnt jetzt“, steht dort zu lesen. Der Ankauf ermögliche „neue Impulse zu setzen“, mit „Abstrahlwirkung“. Jetzt brauche es ein Konzept, das „wirtschaftlich tragfähig“ und „zukunftsweisend“ sei. Klingt noch nach Grobplanung.
Die Kunst fängt derweil einfach mal an. Aber eben außen, vor dem Gebäude. Ein Architekturkollektiv baut dort einen kaufhofhohen, mit Textilien ummantelten „Förderturm“, er ermöglicht ungewohnte Blicke aufs Gebäude. Ein Flashmob von Streetdancern soll das Wochenende einleiten. „Es geht um Vielfalt“, sagt Projektbüro-Leiterin Elisabeth Hartung, die den Kaufhof eine „ikonische Immobilie“ nennt.
Abriss? Ganz aus der Welt ist die Idee offenbar nicht, Julia Lehner spricht von „großer Ambivalenz“ bei dem Thema, es ist aber eben nicht ihr Zuständigkeitsbereich. Ihre Präferenz immerhin dürfte sich ablesen lassen aus der Formulierung, das Gebäude sei eine „Ikone der Wiederaufbauzeit“.