Süddeutsche Zeitung

Katrin Müller-Hohenstein: Mein Erlangen:Wo Public Viewing erfunden wurde

Wenn nur die Einbahnstraßen nicht wären: Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein über die Probleme der Autofahrer in Erlangen, ihre kulinarischen Top drei und positiven Zweckpessimismus.

Tobias Dorfer

Jeder Ort hat kleine Geschichten und große Geheimnisse. Und wer könnte diese Geheimnisse besser lüften als jemand, der dort wohnt - oder der dort zumindest eine ganze Weile gelebt hat? Jede Woche präsentiert ein Prominenter im sueddeutsche.de-Fragebogen "sein Bayern". Dieses Mal geht es nach Mittelfranken. ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein stellt ihre Heimatstadt Erlangen vor.

Es sind zwar nur knapp 250 Kilometer von Erlangen bis zum Mainzer Lerchenberg - bei Katrin Müller Hohenstein dauerte es 40 Jahre, bis sie dort ankam. Zumindest beruflich. Nach dem Studium nahm die Moderatorin erst einmal den Umweg über München, arbeitete dort beim Radiosender Antenne Bayern und anschließend beim Bayerischen Rundfunk. Dann rief das ZDF an und verpflichtete Katrin Müller-Hohenstein für das Aktuelle Sportstudio. Die Journalistin ist übrigens nicht die einzige Frau aus Erlangen, die im ZDF moderiert. Barbara Hahlweg, die Tochter des ehemaligen Oberbürgermeisters Dietmar Hahlweg, steht für die heute-Nachrichten vor der Kamera.

Fragebogen

Sie haben in Erlangen gelebt. Warum sind Sie weggezogen?

Weil ich ein Jobangebot in München hatte. Anfangs bin ich sogar noch gependelt, ich konnte mir zunächst überhaupt nicht vorstellen, meine Heimat zu verlassen. Ich habe diese Stadt geliebt.

Das Schönste an Erlangen ist ...

... die Bergkirchweih! Dieses Volksfest, auch "Berch" genannt, findet immer um Pfingsten herum statt. Sein Reiz erschließt sich für jeden, der einmal dort war. Wie der Name schon vermuten lässt, findet dieses Fest an den alten Bierkellern am Erlanger Burgberg statt. Die Bergkirchweih ist aber auch ein Treffpunkt für alle "Ehemaligen" aus Erlangen. Deshalb gehe ich meist alleine hin, weil mir dort alle zehn Meter ein alter Freund oder Bekannter über den Weg läuft, den ich teilweise schon jahrelang nicht mehr gesehen habe. Irgendwie ist das immer wie eine Zeitreise. Fast noch schöner sind die Keller aber außerhalb der "Berchzeit", dann sind sie nicht so überlaufen und sehr idyllisch!

Am meisten geärgert habe ich mich in Erlangen über...

... gefühlte 5000 Einbahnstrassen. Es hat Zeiten gegeben, da war man mit dem Auto in der Stadt selbst als Einheimischer heillos überfordert.

Ihr schönstes Erlebnis in Erlangen?

Die WM 1990. Ja, ich weiß, die war in Italien. Aber wir haben in der Erlanger Fußgängerzone direkt vor unserer Haustüre ein WM Studio eröffnet. Ich habe damals in einer WG mitten in der Stadt gewohnt. Und da haben wir spontan den ollen Röhrenfernseher nach draußen geschleppt. Beim Anpfiff waren wir immer zu dritt - gegen Ende der Spiele standen da locker bis zu 100 Menschen. Wenn ich es mir recht überlege war das wohl die Geburtstunde des Public Viewing. Ganz wichtiges Accessoire: Ein Bettlaken, das wir im ersten Stock gespannt hatten, mit einem Gruß an unseren WM-Helden Lothar. Ja, auch Lothar Matthäus ist in Erlangen geboren. Es war ein Traumsommer mit dem perfekten Ende.

Welches ist ihr liebster Platz in Erlangen - und warum?

Ein Platz ist es nicht direkt, aber da fällt mir als erstes der Radweg an der Schwabach entlang ein. Erlangen war oder ist auch nach wie vor eine der fahrradfreundlichsten Städte Deutschlands. Ich habe das als Kind sehr genossen. Sie können auf dem Rad die Stadt durchqueren, ohne dabei auf viele Strassen zu treffen. An der Schwabach längs ist diese Strecke teilweise unglaublich schön! Ein toller Ort ist auch der Wald im Dreieck von Rathsberg, Atzelsberg und Marloffstein.

Wo sollte jeder Besucher mal ein Bier trinken, wo schmeckt das Essen besonders gut?

Die fränkische Küche kann ja sehr deftig sein. Meine Top 3: Schäufele, Karpfen und Drei im Weggla (oder auch gerne Sechs auf Kraut - "Drei" beziehungsweise "Sechs" sind Fränkische Brodwerscht, also Bratwürste)! Und ich empfehle die kleinen Ortschaften um Erlangen herum. Möhrendorf, Adlitz, Atzelsberg, das sind die Orte, die mir spontan einfallen. Da gibt´s ganz tolle Wirtschaften! In Möhrendorf können Sie sich dann gleich noch die historischen Wasserräder an der Regnitz anschauen, in Adlitz haben Sie einen phantastischen Blick in die Fränkische Schweiz und in Atzelsberg kann man prima spazieren gehen. Es gibt dort natürlich auch überall Biergärten, da gibt´s dann auch BIER... Ich trinke das nicht so oft, daher kann ich hier keine wirkliche Empfehlung geben. Schmeckt aber sicher toll! Hey, wir sind in Franken!

Fragebogen Teil 2

Angenommen, der US-Präsident käme zu Besuch nach Erlangen: Was würden Sie ihm zeigen?

Ich würde mit ihm eine Kneipentour machen. Durch die Universität hat Erlangen eine unglaubliche Dichte an Bars und Cafes.

Was sollte man als Besucher unbedingt vermeiden?

Sie sollten sich sprachlich einfach mal nicht irritieren lassen. In Franken spricht der Franke Fränkisch. Das lässt manchmal ein wenig Interpretationsspielraum zu. "Ich nehme das Gebäck mit!" kann heißen: "Ich packe meine Koffer und hau ab." Aber auch: "Ich stecke die Kekse ein - und tschüss!" Wobei, es heißt nicht "tschüss", es heißt "ade". Und dann gibt es dieses wunderbare Wort "fei". Es ist mir bis heute nicht gelungen, diese drei Buchstaben in eine andere Sprache zu übersetzen, dieses Wort gibt es einfach nicht, ist aber für mich als Fränkin essentiell, das sagen die Franken einfach besonders gern. Auch wenn man das natürlich fast überall in Bayern kennt.

Was für ein Gebäude oder welche Einrichtung fehlt Erlangen noch?

Puh, das ist eine schwere Frage, die ich heute aus der Distanz nicht wirklich beurteilen kann.

Wer ist Ihr Lieblings-Erlangener und warum?

Barbara Hahlweg, meine Kollegin vom ZDF. Ich sehe sie wirklich gerne und muss dann witzigerweise auch immer an unsere gemeinsame Heimat denken. Ihr Vater Dietmar war Erlanger Oberbürgermeister so lange ich denken kann.

Was zeichnet den typischen Erlangener aus?

Der typische Erlanger ist ein positiver Zweckpessimist. Sie werden zum Beispiel kaum erleben, dass ein Erlanger in ein Geschäft geht und fragt: "Haben Sie Milch?" Der Erlanger stellt fest: "Milch haben Sie keine!" Und ist dann hocherfreut, wenn es tatsächlich Milch gibt! Sappralot!

Welches Geheimnis über Erlangen muss noch gelüftet werden?

Gar keins. Denn glücklicherweise gibt es ja dieses Lied "Wissenswertes über Erlangen" von Foyer des Arts. Das war sogar mal in den Charts! Ich bin oft darauf angesprochen worden, wenn es um meinen Geburtsort ging.

Wenn Sie Erlangen in einem Wort beschreiben müssten - wie würden Sie das tun?

Grün! Meine Lieblingsfarbe ist grün! Alles was schön ist, ist grün. Die Wiese, die Blätter an den Bäumen und Erlangen ist eben auch grün!

Was soll man in Erlangen über Sie sagen?

Ach schau, das ist eine von uns.

Vervollständigen Sie bitte diesen Satz:

Erlangen ist insgesamt ziemlich weltoffen. Aber wer dort wohnt, braucht dringend ein Fahrrad, weil es dort herrliche Radwege gibt.

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