Süddeutsche Zeitung

Katholische Kirche:Nach Missbrauchsgutachten: 116 neue Hinweise eingegangen

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Die Studie ging von mindestens 497 Opfern aus - und von einem weit größeren Dunkelfeld. Nun lichtet sich das Dunkel weiter, denn seit der Veröffentlichung melden sich mehr und mehr Betroffene bei den katholischen Bistümern in Bayern.

Seit Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens für die Erzdiözese München und Freising sind bei den katholischen Bistümern in Bayern mehr als 100 neue Hinweise auf Verdachtsfälle eingegangen. Mindestens 116 Meldungen zählten die Diözesen im Freistaat in diesem Jahr, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergeben hat. Allein im Erzbistum München und Freising gingen seit der Veröffentlichung bis Ende November 54 neue Meldungen ein. Darunter sind nach Angaben eines Sprechers aber auch "Grenzverletzungen, die nicht in den Bereich sexuellen Missbrauchs fallen, und bereits bekannte Missbrauchsfälle".

"Die Berichterstattung über die Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens im Erzbistum München hat dort sicher viele ermutigt, sich zu melden", sagte der Sprecher der Opferinitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch.

Nach Angaben des Erzbistums Bamberg wurden dort in diesem Jahr 17 Fälle "bezüglich sexuellem Missbrauch und Grenzverletzungen gemeldet". Seit 1945 seien damit 87 Beschuldigte und 166 Betroffene aktenkundig. Im Bistum Augsburg wurden in diesem Jahr 23 Erstanträge auf Anerkennungsleistungen bekannt, 13 davon wurden bislang durch die Unabhängige Kommission bei der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn bewilligt.

Beim Bistum Passau meldeten sich in diesem Jahr neun Betroffene, sechs davon gaben an, von einem Priester missbraucht worden zu sein, der bereits als mutmaßlicher Täter bekannt ist. Im Bistum Regensburg gingen laut einem Sprecher seit 20. Januar insgesamt zwölf Meldungen zu Fällen von mutmaßlichem sexuellem Missbrauch ein. "Diese sind derzeit nicht bestätigt, sondern werden noch untersucht." Dabei handle es sich um mögliche Vorfälle aus den Jahren 1946 bis 1986. Beim Bistum Eichstätt meldete sich nach dem Münchner Gutachten ein mutmaßliches Opfer, das Bistum Würzburg teilte auf Anfrage keine Zahlen mit.

Das vom Bistum München und Freising bei einer Anwaltskanzlei in Auftrag gegebene Gutachten hatte bei seiner Vorstellung im Januar weltweit Aufsehen erregt. Die Studie geht von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern aus - und von einem weit größeren Dunkelfeld. Den ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Joseph Ratzinger, heute Benedikt XVI., wurde in dem Gutachten persönlich Fehlverhalten in mehreren Fällen vorgeworfen - ebenso dem aktuellen Erzbischof Kardinal Reinhard Marx.

"Eckiger Tisch"-Sprecher Katsch spricht weiterhin von einer "Spitze des Eisbergs." Es würden sich wohl bald noch mehr Betroffene melden - nicht zuletzt, weil inzwischen weltliche Gerichte die Frage beleuchten, welche Rolle kirchliche Verantwortungsträger im Missbrauchsskandal spielten. So befasst sich das Landgericht Traunstein mit der Zivilklage eines Mannes, der angibt, von einem damals schon einschlägig vorbestraften Priester in Garching an der Alz missbraucht worden zu sein. Die Klage richtet sich nicht nur gegen diesen Priester, sondern auch gegen das Erzbistum München und Freising sowie dessen damaligen Erzbischof, den emeritierten Papst Benedikt. Strafrechtlich gilt der Fall als verjährt.

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