Es sind turbulente Zeiten für die katholische Kirche. Nicht zuletzt wegen des Münchner Missbrauchsgutachtens kehren viele Menschen der Kirche den Rücken zu. Es ist also nicht der günstigste Zeitpunkt, um in den sieben bayerischen Bistümern neue Pfarrgemeinderäte zu wählen. Doch diese Wahl findet am 20. März statt. Unter erschwerten Bedingungen. Menschen treten aus der Kirche aus, können die Missbrauchsvorfälle und den Umgang der Kirche damit nicht verstehen. Das Bistum Regensburg hat aufgrund der hohen Nachfrage sogar ein "Austrittstelefon" eingerichtet.
Auch die Pfarrei Bad Abbach registrierte seitdem mehr Kirchenaustritte. Waren es vor sieben Jahren noch 48 Personen über ein ganzes Jahr hinweg, die die Kirche verließen, so waren es laut Pfarrer Anton Dinzinger bereits 45 in den ersten zwei Monaten des Jahres 2022. "Das ist zum Weinen", sagt er. Er erwarte, dass es bis zum Jahresende mehr als hundert Austritte sein werden.
Aber es gibt auch Menschen, die nicht nur in der Kirche bleiben, sondern sich nach wie vor für die Gemeinde engagieren. Die 22-jährige Studentin Anna Fautz hat sich trotz aller Kritik an der katholischen Kirche wieder für den Pfarrgemeinderat in Bad Abbach aufstellen lassen. Bereits zum zweiten Mal. "Natürliche mache ich mir Gedanken über die Vorfälle und kann sie kein bisschen verstehen", sagt sie. Mit ihrem Engagement möchte sie aber zeigen, dass Kirche vor Ort mehr ist als das negative Bild, das derzeit in den Köpfen präsent ist. Wer aus der Kirche austrete oder sich nicht engagiere, könne auch nichts ändern. Fautz ist fest in der katholischen Jugendarbeit verwurzelt - erst als Ministrantin, später als Oberministrantin. Seit sechs Jahre gehört sie dem örtlichen Pfarrgemeinderat bereits an - zunächst berufen als Oberministrantin, seit 2018 als gewähltes Mitglied. Zudem ist sie in der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) aktiv. "Über die Jugendarbeit bekommt man einen ganz anderen Bezug zur Kirche", sagt sie. "Für uns ist Kirche mehr als die konservativen Strukturen."
Mit ihrem Engagement im Pfarrgemeinderat möchte Fautz vor allem eins: die Belange der Jugendlichen vertreten. Dafür brauche es junge Leute im Gremium - und die gibt es in Bad Abbach. "In diesem Jahr bin ich nicht die jüngste Kandidatin", sagt Fautz am Telefon. Zwei Kirchenmitglieder im Alter von 17 und 18 Jahren kandidierten ebenfalls. Insgesamt ist es um die Bad Abbacher Kandidatenliste gut bestellt. Die Pfarrgemeinde zählt stolze 24 Kandidaten, die sich für die Wahl am 20. März haben aufstellen lassen. Neun Ehrenamtliche mehr als es Plätze im Laiengremium gibt. Von 17 bis 74 Jahren sind alle Altersgruppen vertreten. Aber: Wie findet man in diesen Zeiten Menschen, die sich in der Kirche engagieren wollen? Kreative Ideen braucht es. "Ich habe mir ein Fischernetz wie einen Schal um den Hals gehängt und habe aktive Kirchenmitglieder besucht", erzählt Pfarrer Dinzinger. "Ich habe mich quasi als Menschenfischer verkleidet und so die Leute gefragt, ob sie nicht kandidieren wollen." Bei rund 100 Familien habe er vorbeigeschaut. Und die Kandidatenliste zeigt, dass er mit seiner Verkleidung erfolgreich war.
Aber nicht jede Gemeinde hat das Glück, dass sich genügend Kandidaten für die Wahl finden - oder überhaupt welche. Florian Liebler, Geschäftsführer des Diözesanrats im Bistum Würzburg, beschreibt die Kandidatenfindung in Unterfranken als kompliziert. Aber: "Das ist leider kein neues Phänomen", sagt er. "Aufgrund der schwierigen Situation, in der sich die katholische Kirche in ganz Deutschland befindet, zeichnet sich das Problem der Kandidatenfindung schon länger ab." Ein Großteil der Pfarrgemeinden im Würzburger Bistum setzen daher inzwischen auf sogenannte Persönlichkeitswahlen. So findet eine Pfarrgemeinderatswahl statt, egal ob sich Kandidaten haben aufstellen lassen oder nicht. Die Wähler können Personen auf den Stimmzettel schreiben, die sie gerne als Ratsmitglied sehen würden. Im Nachgang der Wahl werden diese gefragt, ob sie ein Amt übernehmen.
Gemeinden, die ohne Schwierigkeiten genügend Kandidaten finden, sind laut Liebler eher die Minderheit. Dass sich in solchen Gemeinden viele Ehrenamtliche beteiligen, führt Liebler auf ein funktionierendes Miteinander zurück. "Wenn der Pfarrgemeinderat bisher gute Arbeit macht und die Leute sehen, da geht was, ist die Hürde, sich zu engagieren, niedriger", erklärt er. Doch nicht nur die Missbrauchsvorfälle erschweren Liebler zufolge die Wahl. Auch die Amtsdauer von vier Jahren sei für manche ein Hindernis. "Besonders junge Menschen wollen sich nicht festlegen, weil sie oft nicht wissen, ob sie in den kommenden vier Jahren vielleicht wegziehen", erklärt er. Für Fautz, die im von Bad Abbach aus nahen Regensburg studiert, hat sich dieses Problem bisher nicht gestellt.
"Der Pfarrer ist das Werbeschild jeder Gemeinde"
Dass oft junge Nachfolger für den Pfarrgemeinderat fehlen, bemerkt auch Susanne Kofend. Sie ist Geschäftsführerin des Diözesanrats im Bistum Augsburg. Um junge Katholiken für die Wahl zu gewinnen, seien vielfältige Angebote, eine motivierende Arbeit des jeweiligen Pfarrers und gute Ministranten-Arbeit relevant. Aber auch die Auswirkungen des Münchner Missbrauchsgutachtens und anderer Vorfälle seien in Augsburg zu spüren. Als "deprimiert und angespannt" beschreibt Kofend die Stimmung im Bistum nach der Veröffentlichung des Gutachtens im Januar. Doch bei manchen Menschen habe das nicht zum Rückzug aus dem kirchlichen Engagement geführt, sondern sie darin bestärkt, etwas ändern zu wollen. "Den Personen liegt es am Herzen, ein anderes Bild von ihrer Kirche vor Ort zu zeichnen, als das, das in den Medien präsent ist", sagt sie.
Trotzdem gebe es auch im Bistum Augsburg Gemeinden, in denen die Kandidatenfindung sehr schwierig gewesen sei. Die Zahl der Pfarreien, in denen mangels Kandidaten dieses Jahr gar keine Wahl stattfindet, ist aber laut Kofend gering. Eine genaue Zahl kann sie nicht nennen. Im Bistum Augsburg gibt es keine Persönlichkeitswahlen wie in den Bistümern Würzburg oder auch Eichstätt. Gemeinden, in denen im März keine Wahl stattfindet, haben im kommenden Jahr die Option einer Nachwahl. "Wenn die Kirchenmitglieder merken, dass ohne Pfarrgemeinderat auch die direkten Ansprechpartner fehlen, wird ihnen vielleicht bewusst, wie wichtig dieses Gremium ist", sagt Kofend. Sie hofft, dass sich dann mehr Freiwillige finden.
Ausschlaggebend für die Kandidatenfindung in der aktuellen Situation ist nach Ansicht von Pfarrer Dinzinger vor allem eins - aktive Ansprache durch die Pfarrer und Gemeindevertreter. Er befürchte, dass viele Kollegen darauf warteten, dass sich Ehrenamtliche "schon von selbst melden". Aber darauf könne man derzeit nicht vertrauen. Für eine lebendige Gemeinde müssten sich Pfarrer offen zeigen und auf die Kirchenmitglieder zugehen. Dinzinger ist der Überzeugung: "Der Pfarrer ist das Werbeschild jeder Gemeinde."