Süddeutsche Zeitung

Katholikentag in Regensburg:Begossen und beglückt

Katholische Kennzeichen und kirchliches Bier: Der Katholikentag in Regensburg wird vielen in Erinnerung bleiben - nicht nur wegen des Dauerregens. Zahlen, Fakten und kuriose Beobachtungen zum Abschluss.

Von Matthias Drobinski, Jakob Wetzel und Wolfgang Wittl

Etwa 2000 Helfer, 43 000 Semmeln für das Frühstück in Gemeinschaftsquartieren, dazu 3500 Liter Milch und 850 Kilo Wurst: Die Zahlen zum 99. Deutschen Katholikentag in Regensburg lesen sich beachtlich - doch die fünftägige Veranstaltung hatte mehr zu bieten.

Regenschirme

Sie sind das inoffizielle Symbol des Katholikentags gewesen, zumindest an den ersten beiden Tagen: viele bunte Schirme, unter die sich die Besucher vor dem entnervenden Regensburger Dauerregen flüchteten. Bischof Rudolf Voderholzer gefiel's: "Was für ein wunderbarer Anblick", sagte er beim Eröffnungsgottesdienst. Den Besuchern gefiel's weniger - und mit den ersten Sonnenstrahlen war es mit der Liebe zu ihren Parapluies vorbei. Es seien jede Menge Regenschirme abgegeben worden, hieß es aus dem Fundbüro. Außerdem gefunden wurden mehrere Jacken, Schlafsäcke - und die Aufenthaltserlaubnis einer jungen Frau, die aus Polen angereist war.

Bekenntnisse

An diesem Ort hätte man eher nicht mit ihr gerechnet: Im Schaufenster des Tätowierladens "First Class Tattoo" in der Regensburger Pfarrergasse steht eine Madonnenstatue, gut einen Meter groß. Mit dem Katholikentag habe die aber nichts zu tun, sagt Geschäftsinhaber Ante Serdarusic, der selber ein Jesusbild auf der Brust trägt. Die Muttergottes stehe dort bereits seit zehn Jahren, "weil ich an sie glaube". Christliche Motive steche er in Wahrheit eher selten. Und dann das Schaufenster des Erotik-Fachgeschäfts "Beate Uhse" in der Fröhliche-Türken-Straße! Die Lederpeitschen und das Latex sind verschwunden in diesen Tagen, die Mieder an den Schaufensterpuppen zwar durchsichtig, aber nicht rot, sondern jungfräulich weiß. Mittendrin zwei große Eheringe, zu Herzen geformt, untrennbar verbunden. Die Botschaft: Auch die gute katholische Ehe will inspiriert sein.

Weltverbesserer

Sie haben es schwer in dieser Welt, gelten als anstrengend, nervend, moralinsauer. Auf der Katholikentagsmeile aber, wo Gruppen, Initiativen, Verbände und Pfarreien vorgestellt haben, was sie tun, um den Weltfrieden oder das Klima zu retten, Projekte in Afrika zu unterstützen, Flüchtlinge zu betreuen oder die Oma von nebenan, da hat sich gezeigt: Die Welt verbessern kann Spaß machen. Und sind nicht auch all die Politiker Weltverbesserer? Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel oder Vizekanzler Sigmar Gabriel, der am Samstag die Begrenzung von Managergehältern forderte? Nur hören die das Wort nicht so gern.

Menschenmassen

Sie blieben diesmal aus. Bis Samstag kamen - zusätzlich zu den 33 000 Dauerkarteninhabern - nur 15 000 Tagesgäste zum verregneten Katholikentag. Gerechnet hatten die Veranstalter ursprünglich mit insgesamt 50 000 Tagesgästen.

Musikanten

Musik und Religion sind sich schon immer nahe gewesen. So schmetterten auch hier Kirchenchöre gegen das schlechte Wetter und die Trommelgruppe von nebenan an. Blaskapellen spielten "Gott mit dir, du Land der Bayern", dass Besucher aus Hamburg erschauerten. Die Domspatzen sangen geistliche Lieder von der Gregorianik bis zur Moderne, Jugendgruppen holten einfach die Gitarre und die Bongos raus. Kein Podium ohne Musikgruppe, die auflockern sollte, und zu den Tugenden der Zuhörer gehörte es manchmal, das gut Gemeinte auch als gut gelten zu lassen. Zum Konzert der A-Capella-Gruppe "Wise Guys" kamen trotz des schlechten Wetters 8000 Zuhörer. Vom Katholikentagslied ("Mit Christus Brücken bauen") kann man sich nun den Orgelsatz herunterladen. Wenn man will.

Beten

20 000 Menschen kamen zum Abschlussgottesdienst, 17 000 zur Messe am Himmelfahrtstag - die Gottesdienste waren die am besten besuchten Veranstaltungen des Treffens. Insgesamt ist das Beten wichtiger geworden seit den 1980er Jahren, wo vor allem die politischen Foren und Podien die Besucher anzogen. Mittagsgebete, Taizé-Andachten, Abendmeditationen waren gut besucht, wenn auch bei manchem das kalte Regenwetter das spirituelle Bedürfnis gestärkt haben mag: In der Kirche ist es trocken. Eine Premiere war die Wallfahrt in den Bayerischen Wald nach Neukirchen beim Heiligen Blut. 2000 Menschen, darunter 500 aus Tschechien, fuhren in Bussen an den Ort, an dem einst der Eiserne Vorhang Ost und West trennte.

Geld

Zu den Profiteuren des Katholikentags gehört zweifellos der Schnellimbiss "Orientalische Spezialitäten Jerusalem". Direkt neben dem Pressezentrum gelegen, standen die Kunden bis auf die Straße an. Auch die Stadt Regensburg zählt zu den Gewinnern. Wie viel Geld die etwa 50 000 Besucher hier gelassen haben, ist noch zu klären. Mehr als die von der Stadt bereitgestellten 700 000 Euro werden es aber sein. Dazu kommt als unbezahlbarer Mehrwert die häufige Nennung in den Medien: Dass sich Kanzlerin Merkel ausgerechnet in Regensburg zu Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident bekannt hat, erfreute den städtischen Wirtschaftsreferenten besonders: Um einen ähnlichen Werbe-Effekt mit Anzeigen zu erzielen, müsse er Millionen investieren, sagte er.

Bier

Gibt es in Regensburg immer. Aber kaum eines, bei dem die Kirche als Brauereibesitzerin nicht ihre Finger im Sud hätte. Zum Katholikentag wurde eigens Zoigl der Schlossbrauerei Friedenfels gebraut - ein untergäriges Bier mit wenig Kohlensäure. 9000 Liter dieser kaltgehopften Spezialität wurden nach Regensburg geliefert. Es hätten mehr sein dürfen.

Verbrechen

"Wohnungseinbruch", "Damenhandtasche aus Pkw entwendet", "Einbrüche in Gewerberäume" - so lauteten die Mitteilungen der Regensburger Polizei während des Katholikentags. Auffälligkeiten? Fehlanzeige! Aber das darf man von braven Christenmenschen auch erwarten. Der städtische Aufräumdienst soll sogar gelobt haben, dass die Straßen trotz der vielen Menschen sauberer seien als sonst.

Empfänge

Die Ersten werden die Letzten sein - beim Katholikentag bewahrheitete sich dieses Bibelwort auch für die Parteien. Die Union war mit ihrem Empfang so früh dran, dass einige Gäste parallel noch auf dem Abend der Begegnung unterwegs waren. Gefragter war der nächtliche Empfang der Grünen. Der Regensburger Bischof erinnerte dort daran, dass Papst Benedikt XVI. die Partei in seiner Rede vor dem Bundestag als einzige gelobt habe. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt meinte daraufhin, dass man als Papst deshalb nicht unbedingt gleich zurücktreten müsse. Der Bischof wiederum sagte, ein derartiger Zusammenhang sei sicher auszuschließen.

Prominenz

Worte wichtiger Menschen in unvollständiger Auswahl: Der tschechische Religionssoziologe Tomas Halik sieht den Atheismus als Chance und Korrektiv für die Kirchen: "Geniale Feinde sind immer eine Herausforderung." Klaus Töpfer, der ehemalige Umweltminister, rief zum kritischen Konsum auf: "Solange Geiz geil ist, werden wir nur Produkte erhalten, die auf Kosten der Bevölkerung gehen." Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler machte seinen Zuhörern klar: "Würde man den heutigen Ressourcen- und Energieverbrauch von uns Europäern globalisieren, bräuchte man vier Planeten als Reserve." Und Innenminister Thomas de Maiziére riet den Katholiken, sie "könnten ein bisschen fröhlicher sein. Es täte uns allen gut, wenn wir auch sagen: Es macht Freude."

Andersgläubige

Heinrich Bedford-Strohm, der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche, warb für ein neues Verständnis von Ökumene. Sie müsse über die theologischen Debatten hinaus "zu einer Ökumene der Herzen werden", forderte er - und erhielt dafür viel Beifall. Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, erklärte, das Kopftuchverbot werde hierzulande "auf Dauer keinen Bestand haben". Der Applaus dauerte nicht ganz so lange. Der niedersächsische Landesrabbiner Jonah Sievers beklagte, dass sich in der Beschneidungsdebatte vor zwei Jahren "die Fratze des latenten Antisemitismus" gezeigt habe.

Streit

Den gab es vor allem um die Bewertung der Schwangeren-Beratung des Vereins Donum Vitae. Die Beratungsbescheinigungen des Vereins seien "Passierscheine ins Elend", weil sie eine straffreie Abtreibung ermöglichten, kritisierte der Osnabrücker Sozialethiker Manfred Spieker, was Landtagspräsidentin Barbara Stamm von der CSU empörte. Es ist ein Streit aus der Vergangenheit: Vor mehr als zehn Jahren hatte Papst Johannes Paul II. den deutschen Bischöfen befohlen, aus dem staatlichen Beratungssystem auszusteigen. Donum Vitae aber machte weiter und ist dafür bis heute kirchlich geächtet. Streit über Gegenwart und Zukunft gab es dagegen nicht.

Unerhörte

Wer nicht auf dem Katholikentag zu Wort kam - eine Auswahl: ein Lebensschützer aus Pforzheim, der dafür mit Visitenkarten um sich warf; ein Ex-Pfarrer, der bei der Eröffnung ein gelb-rotes Schild in die Höhe hielt, um Katholiken "von Rom zu Christus" zu bekehren; ein Atheist, der im Talar und einem "Sex statt Kirche"-Schild durch die Fußgängerzone lief; die Partei "Die Linke", die in einer "Oase" nach Brücken zwischen Christentum und Sozialismus suchte; der "Bund für Geistesfreiheit" mit seinem Humanistentag; und die Giordano-Bruno-Stiftung, die einen Papp-Moses als elftes Gebot fordern ließ: "Du sollst deinen Katholikentag selber bezahlen!"

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SZ vom 02.06.2014/infu
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