Kartelle im Gefängnis:Die Russen halten zusammen

Glaubt man den Erzählungen von Petrow, war das Leben hinter Gittern ziemlich lukrativ. 2000 Euro habe er am Ende aus seinen Einkünften jeden Monat an seine Mutter überwiesen, nach der letzten Strafe, vier Jahre, außerdem mehr als 20.000 Euro für sich selbst angespart. Aber kann man Petrow glauben? Ja, sagen Menschen, die ihn und seinen Fall kennen. Ja, sagen auch Menschen, die sich mit der Russenmafia auskennen.

Auch wenn die Mauern hoch und der Stacheldraht üppig sind: Die Russenmafia schafft es, Handys und Drogen in den Knast zu schmuggeln.

Auch wenn die Mauern hoch und der Stacheldraht üppig sind: Die Russenmafia schafft es, Handys und Drogen in den Knast zu schmuggeln.

(Foto: dpa)

Es ist das System des "heiligen Abschtschjaks". Der Abschtschjak ist die Gemeinschaftskasse der Russen im Knast. Jeder von ihnen muss einen Teil seines Taschengelds einbezahlen. Von dem Geld werden Kaffee und Zigaretten gekauft, aber auch Anwälte bezahlt. Die Kasse ist der Kitt, die Grundlage für klare Regeln, Hierarchien und das Geschäft.

Aber wie können die Männer so viel Geld verdienen? "Wir halten zusammen, wir sind clever - man muss Psychologie verstehen", sagt Petrow. Das "Geschäftsmodell" hat tatsächlich viel mit Psychologie zu tun. Genauer gesagt mit Bedürfnissen, Ängsten, vor allem aber mit Abhängigkeiten. Die erste und wichtigste ist die Drogensucht der meisten Insassen. Sie ist gewissermaßen der Einstieg in die Subgesellschaft Gefängnis: Die Russen schmuggeln Drogen rein und verkaufen sie. Für 600 bis 800 Euro ein Gramm Heroin, das draußen 100 Euro kostet. Für 200 Euro eine Tablette des Schmerzmittels Subutex. Viel Geld für die Gefangenen, die monatlich 30 Euro Taschengeld ausgeben dürfen, 80 Euro, wenn sie im Gefängnis arbeiten - und dieses Geld eigentlich schon vollständig für Zigaretten brauchen.

"Viele können nicht ohne Stoff", sagt Petrow. Das nutzen die Russen geschickt aus. Die Bezahlung der Drogen läuft meist über Konten außerhalb des Gefängnisses. Angehörige werden per Handy oder beim Besuch mit dem Geldtransfer beauftragt. "Wir sind hart, aber fair", sagt Petrow und erklärt: Wer sich gut mit den Russen verstehe, bekomme mal einen Schuss gratis. Wer knapp bei Kasse ist, einen Kredit. Es ist der zweite Schritt ins System der Russen.

Wie schnell man Teil dieses Systems wird, hat auch Florian Koch erfahren. Die riesigen Hände des 24-Jährigen wirken viel zu groß für die kleine Cola, die sie umklammern. Koch war zwei Jahre im gleichen Gefängnis wie Petrow. Mit 17 saß er zum ersten Mal. Wegen einer Reihe von Verbrechen, unter anderem schwerer Körperverletzung. "Ich war damals ziemlich fertig, habe viel gekifft", sagt er, seine unsicheren Augen suchen Halt an der Decke. "Aber mit härteren Drogen hatte ich nichts zu tun." Das änderte sich. Seinen ersten Schuss Heroin setzte Koch sich im Knast. "Ich habe die anderen gefragt, warum sie so gut drauf sind. Dann wollte ich es ausprobieren." Er war der Jüngste, bekam einen Sonderpreis. Es war der erste Schritt in größere Schwierigkeiten.

"Du musst dich um deine Leute kümmern da drin, wenn du nach oben kommen willst", sagt Alexej Petrow. "Bei Drogenlieferungen ist die goldene Regel: Ein Drittel, zwei Drittel." Ein Drittel wird an die eigene Gruppe und gute Kameraden verschenkt, zwei Drittel verkauft. Jeder könne dann selbst entscheiden, ob er konsumiere oder weiterverkaufe. Doch die Geschenke und Rabatte werden nicht vergessen. "Wenn du dann draußen bist, arbeitest du für uns."

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