Karl-Theodor zu Guttenberg:Märchenonkel, Freiherr, Stimmenkönig

Trotz seines Spitzenergebnisses gibt sich Guttenberg bescheiden. In der CSU überlegen einige, was aus ihm noch werden könnte.

K. Auer und O. Przybilla

Als Sieger will er sich am Montag nicht feiern lassen. Dabei hat Karl-Theodor zu Guttenberg am Tag nach der Bundestagswahl in der CSU noch am ehesten Grund zur Freude. Der Bundeswirtschaftsminister hat deutschlandweit das beste Erststimmenergebnis erzielt. In seinem Wahlkreis Kulmbach holte der 37-Jährige 68,1 Prozent der Erststimmen, acht Prozentpunkte mehr als 2005. Dem vom Bundeswahlleiter veröffentlichten vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge kam kein anderer Politiker auf eine höhere Zustimmung in seinem Wahlkreis.

Karl-Theodor zu Guttenberg: Karl-Theodor zu Guttenberg hat das beste Erststimmenergebnis erzielt - nicht zuletzt aufgrund seiner Präsenz im eigenen Wahlkreis.

Karl-Theodor zu Guttenberg hat das beste Erststimmenergebnis erzielt - nicht zuletzt aufgrund seiner Präsenz im eigenen Wahlkreis.

(Foto: Foto: AP)

Er selbst thematisiert das freilich nicht. Über Schwarz-Gelb freue er sich, sagt er, das sei gut für Deutschland. Demut ist wieder einmal Programm bei seinem Auftritt auf dem Weg zur Vorstandssitzung in der CSU-Landesleitung. Andere sind da weniger zurückhaltend und fordern schon mehr Macht für den Publikumsliebling der CSU. "Karl-Theodor zu Guttenberg muss in Berlin eine starke Rolle spielen, er soll die Verhandlungsführerschaft übernehmen", sagt der niederbayerische CSU-Chef Manfred Weber. Verhandlungsführer bei den Koalitionsverhandlungen - eine Rolle, die eigentlich dem Parteichef zukommt. Das stellt dieser nach der Sitzung auch klar: "Natürlich werde ich für die CSU die Verhandlungen führen", sagt Horst Seehofer. Guttenberg, nach dem Posten gefragt, bleibt bei seiner Bescheidenheit. Er freue sich jetzt erst einmal, dass er wieder seinen oberfränkischen Wahlkreis im Bundestag vertreten dürfe, sagt er.

Schon am Wahlabend war klar, dass es keinen Putsch gegen Seehofer geben würde und schon gar nicht mit Guttenberg als Anführer. Aber in der CSU wissen sie um die Popularität des jungen Ministers, der bei jedem Auftritt von Anhängern bejubelt wird. Und so überlegen schon einige in der Partei, wie es wohl weitergehen wird mit Guttenberg. "Der ist klug genug, jetzt nicht anzugreifen, dem fällt das irgendwann in den Schoß", analysiert einer aus dem Vorstand. Auch Theo Waigel, der frühere Parteichef, prophezeit Guttenberg eine weitere Karriere: Seine Stellung sei so stark in der CSU - "ohne ihn und gegen ihn passiert in nächster Zeit nichts", sagt Waigel.

Daheim in Guttenberg in Oberfranken sind sie ohnehin längst dieser Meinung. Harald Will, er ist Gemeinderat in der Gemeinde Guttenberg, hat den gleichnamigen Bundeswirtschaftsminister noch am Sonntag bei der Stimmabgabe in dem Dorf mit dem Schloss getroffen. "Er war wie immer", sagt Will. Der Freiherr war bis vor kurzem Ortsvorsitzender der Guttenberger CSU.

Wenn Will nun den Minister mit dem ehemaligen CSU-Ortschef vergleicht, dann fällt ihm eines auf: nichts, keinerlei Veränderung. Er ist der Kerl geblieben, mit dem Will Nachtwanderungen durch die Guttenberger Wälder unternommen hat. Und der Kerl, zu dem immer kurz vor Weihnachten der ganze CSU-Ortsverein seine Kinder schicken darf, wenn der Abgeordnete in die alte Försterhütte zur Märchenstunde lädt. Guttenberg hat diese Märchen kürzlich auch in Berlin erzählt, das Fernsehen hat schöne Bilder vom Minister mit Kindern machen können bei der Gelegenheit.

Aber das eben sei das Gute an Guttenberg, sagt Will. "Der macht als Minister nicht viel anders als zuvor als CSU-Vorsitzender von Guttenberg." Im Dorf Guttenberg hat der 37-Jährige am Sonntag mehr als 79 Prozent der Erststimmen auf sich vereinen können. Will hat mit einigen Leuten aus dem Dorf gesprochen, die mit der Zweitstimme das linke Lager unterstützt haben - mit der Erststimme aber Guttenberg, ihren Minister.

Klaus Stengl, der SPD-Geschäftsführer in Kulmbach, hat vorher gewusst, dass die SPD keinen Stich machen wird gegen Guttenberg. Aber dass es so schlimm werden würde, das konnte keiner ahnen. 14,7 Prozent hat der SPD-Kandidat Claus Stenglein nur errungen. Zwar kämpfen die Sozialdemokraten im Wahlkreis 240 seit Jahren auf verlorenem Posten. Selbst Günter Verheugen, später EU-Kommissar, war es nicht vergönnt, dieses Gebiet für sich zu gewinnen. Aber das aktuelle Resultat sei für einen oberfränkischen Wahlkreis schon erschütternd, sagt Stengl.

Der Minister ist überall präsent

Woran es liegt? Stengl hat da eine interessante Beobachtung gemacht: Am 21. September, als die CSU in München ihr großes Steuersenkungssofortprogramm vorstellte, meldete sich Guttenberg krank. In der Münchner Runde im Bayerischen Fernsehen betonte CSU-General Alexander Dobrindt einen Tag später, wie schlimm es Guttenberg angeblich erwischt habe - 39 Grad Fieber. Merkwürdigerweise habe die Kraft zwar nicht für die CSU gereicht und ihre steuerpolitischen Heilsversprechen, hat Stengl beobachtet. Für den Wahlkampf in seiner Heimat aber, für zwei Auftritte in den oberfränkischen Städten Kronach und Coburg, reichte die Kraft aber allemal. "Da sieht man, wo Herr zu Guttenberg seine Prioritäten setzt", sagt der SPD-Mann.

Die Schilderungen, wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Wahlkreis beackert, machten schon die Runde, als er noch ein einfacher Bundestagsabgeordneter aus Kulmbach war. Schon damals berichteten die örtlichen Bürgermeister, man habe im Wahlkreis noch nie zuvor einen Kandidaten erlebt, der mindestens einmal pro Jahr jede Gemeinde besucht habe. Auch Landtagspolitiker wundern sich, wie der Berliner Abgeordnete Guttenberg das organisiert: Dessen Präsenz sei schier unglaublich, berichtet Christian Meißner, der für die Lichtenfelser CSU im Landtag sitzt. Meißner hat erlebt, wie Guttenberg plötzlich unangekündigt in einem dörflichen Kirchweihzelt stand. Da wissen die Leute dann: "Der gilt in ganz Deutschland jetzt als der Größte, der Schönste und der Beliebteste." Aber alle, sagt Meißner, hätten am Ende das Gefühl: "Das ist unser KT."

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