Kandidatenkür:Abrechnung beim Seewirt

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Neuer OB-Kandidat der Bad Reichenhaller CSU ist der 30-jährige Ortsvorsitzende Christoph Lung. Der aktuelle OB Herbert Lackner will sich aber ebenfalls bewerben. (Foto: oh)

Die CSU in Bad Reichenhall lässt Amtsinhaber Herbert Lackner fallen und nominiert Christoph Lung als OB-Kandidaten

Von Matthias Köpf

Am Ende hatte sich auch noch die Bayernpartei eingemischt. Man werde für ältere CSU-Mitglieder, die womöglich nicht mehr so mobil sind oder selbst kein Auto haben, einen Fahrdienst ins Versammlungslokal einrichten, hatte der Ortsvorsitzende der Bayernpartei in Bad Reichenhall mitgeteilt. Ob nun mit der Bayernpartei oder ohne: 94 von rund 160 Reichenhaller CSU-Mitgliedern haben es am Mittwochabend die paar Kilometer hinaus und hinauf zum Seewirt am Thumsee geschafft, wo der Ortsverband seinen Kandidaten für die Wahl des Oberbürgermeisters im März aufgestellt hat. Zur Abstimmung stand dabei auch der amtierende OB Herbert Lackner, der sich mit seinen 48 Jahren selbst noch lange nicht zu den älteren Christsozialen zählen muss, sich aber vor der Versammlung öffentlich sorgte, dass vielleicht gerade seine Anhänger etwas älter sein und den Weg an den Thumsee scheuen könnten. Denn Lackner hatte einen Gegenkandidaten, der nun auch der neue OB-Kandidat der Reichenhaller CSU ist: der 30-jährige Ortsvorsitzende Christoph Lung.

Lung und der gesamte Ortsvorstand der CSU hatten Lackner und der Öffentlichkeit schon im Februar mitgeteilt, dass sie ihn nicht mehr als OB-Kandidaten vorschlagen würden, weil er in seinen bisher 14 Jahren an der Stadtspitze zu wenig vorangebracht und zu wenig kommuniziert habe - jedenfalls mit seiner Stadtverwaltung und mit der CSU-Fraktion, denn der amtierende OB ist ansonsten ein durchaus fleißiger Versammlungsbesucher, Grußwortsprecher und Händeschüttler.

Wenig überraschend präsentierte eine vom Fraktionssprecher geleitete Findungskommission später den angehenden Juristen Lung als neuen Wunschkandidaten des Ortsvorstands, doch Lackner wollte sich nicht so einfach vom Hof jagen lassen. Er ließ seine parteiinternen Widersacher lange im Unklaren und kündigte schließlich relativ kurzfristig an, sich "in Demut" dem Votum der Mitglieder stellen zu wollen. Das fiel dann mit 53 zu 39 Stimmen zugunsten seines Herausforderers aus, zwei stimmberechtigte Mitglieder wählten an dem Abend ungültig. Etappensieger Lung nannte das gegenüber einem lokalen Onlineportal einen "guten, fairen und demokratischen Auswahlprozess mit einem ehrlichen Ergebnis".

Doch womöglich wird es gar nicht die letzte Abstimmung und demnach auch nicht das Endergebnis im politischen Ringen zwischen Lackner und Lung gewesen sein. Denn Lackner hatte gleichzeitig mit seiner parteiinternen Kandidatur angekündigt, sich im Falle einer Niederlage als unabhängiger Kandidat um das Amt des Oberbürgermeisters bewerben zu wollen. Für ihn als Amtsinhaber sind die formalen Hürden dafür nicht allzu hoch. Er braucht nicht lange Klinken zu putzen oder Unterschriften zu sammeln. Er will nach eigenen Angaben aber eine neue Gruppierung gründen, die seine Bewerbung trägt, so wie es auch andernorts schon einige abtrünnige christsoziale Kommunalpolitiker getan haben.

Dem CSU-internen Treiben einigermaßen entspannt zusehen kann ein Bündnis aus Freien Wählern, SPD, Grünen und FDP, die mit dem örtlichen Skiklub-Vorsitzenden Boris Bregar schon zuvor einen gemeinsamen OB-Kandidaten ausgerufen hatten und von Lackners Ausbootung durch die CSU überrascht worden waren. Sie hatten sich für ihren Kandidaten durchaus Chancen gegen den politisch angeschlagenen OB ausgerechnet und bekommen es nun gleich mit zwei mehr oder weniger christsozialen Gegnern zu tun. Dazu warten die Reichenhaller auch noch mindestens auf einen Kandidaten der Bürgerliste, die nach größeren Differenzen ihre Listengemeinschaft mit den Grünen aufgekündigt hat. Amtsinhaber Lackner wird einstweilen sicher nicht weniger Hände schütteln als zuvor. Und womöglich spielt sogar die Bayernpartei nochmal eine Rolle.

© SZ vom 26.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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