Kampfsport boomt:Auf Bruce Lees Spuren

Olympics Day 13 - Taekwondo

Ungebrochener Zulauf: In München und ganz Bayern machen immer mehr Menschen Taekwondo, Judo oder Karate.

(Foto: Getty Images)

Stressabbau, Selbstverteidigung, Fitness: Kampfkünste boomen in Bayern, die Mitgliederzahlen steigen. Vor allem Frauen und ältere Menschen interessieren sich zunehmend für Judo, Karate oder Taekwondo. Warum eigentlich?

Von Lenka Jaloviecova

Bruce Lee war zwölf, als er auf eine katholische Knabenschule in Hongkong ging. Nach dem Unterricht kam es zwischen den britischen und chinesischen Schülern oft zu Schlägereien. Bruce ging deswegen zu seiner Mutter und sagte ihr, er wolle kämpfen lernen. Sonst könne er sich nicht gegen die Mitschüler wehren.

Selbstverteidigung ist auch heute noch einer der Gründe, weshalb sich immer mehr Menschen verschiedener Altersgruppen für Kampfkünste und Kampfsport interessieren. Die Branche bekommt immer mehr Zulauf, nicht nur von Kindern und Männern. Denn vor allem Frauen und auch ältere Menschen wollen die verschiedenen Formen der Kampfkünste ausprobieren.

Das beweist auch der Aufschwung im Karatesport, einer der zwei populärsten Kampfkünste. Der Deutsche Karate Verband (DKV) verzeichnet als einer der wenigen Spitzenfachverbände des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) mit mittlerweile rund 40.000 Mitgliedern bayernweit einen positiven Trend.

Vor allem private Karateschulen stocken ihr Angebot auf. Wie die Karateschule München und Grünwald, die auf Arbeit mit Kindern spezialisiert ist. "Mittlerweile werden die Räumlichkeiten knapp. Wir müssen auch aufs Wochenende ausweichen", sagt ihr Leiter Tobias Warzel. Bei Kempo Karate in Neufahrn ist das nicht anders. "Wir haben großen Zulauf an Kindern. Aber auch Erwachsene und Ältere sind zunehmend interessiert", bestätigt der Leiter Andreas Busche.

"Karate für Ältere"

Dieses Phänomen hängt keineswegs von Großveranstaltungen wie den Olympischen Spielen ab, im Gegenteil: Der Zuwachs ist auf ein großes Breitensportangebot zurückzuführen. Neben der stark vertretenen Jugend (fast 40 Prozent) ist "die Zahl der älteren Menschen, die nun Karate ausüben, in den letzten vier Jahren gestiegen", sagt Karl Michael Schölz vom Bayerische Karate Bund (BKB).

Der Verband hat wegen dieser neuen Entwicklung noch keine konkreten Zahlen, dennoch versucht er, sich der demografischen Entwicklung anzupassen, er hat Angebote wie "Karate für Ältere" ins Programm genommen. "Die Kursanzahl für Ältere steigt von Jahr zu Jahr", sagt Schölz. Der Grund dafür sei vor allem das in verschiedene Disziplinen und Altersklassen eingeteilte Angebot. Bei anderen Sportarten gibt es oft nur eine Disziplin. Ob Thai Chi, Gesundheitsangebote oder die Vitalpunktlehre: "Bei uns kann man Fitness, Selbstverteidigung und Gleichgewichtssinn zugleich trainieren. Das ist bei einem Kurs wie Wirbelsäulengymnastik nicht der Fall", sagt Schölz.

Patienten können sich sogar vom Arzt Karate verschreiben zu lassen. Für die Kosten kommt die Krankenkasse auf. Gerade für ältere Menschen ist das reizvoll, weil die teils komplexen Karateübungen ihren Körper und ihren Geist besser trainieren und fördern als andere Sportarten. Das zeigte vergangenes Jahr jedenfalls eine Studie des DKV und der Universität Regensburg. Karate wird darüber hinaus von der Weltgesundheitsorganisation seit 2003 als therapeutische Disziplin anerkannt.

"Taekwondo ist gesellschaftsfähiger geworden"

Das ist beim Taekwondo noch nicht der Fall. Dennoch ist es vor allem bei Kindern beliebt. Mehr als die Hälfte der Verbandsmitglieder in Bayern (circa 8000) sind unter 14 Jahre alt. "Die Anzahl derer, die im Klub Taekwondo ausüben, ist in den letzten fünf Jahren um einige Prozente angewachsen und fällt auch nicht mehr ab", bestätigt Reiner Hofer, Präsident der Bayerischen Taekwondo Union (BTU).

Insgesamt gibt es bayernweit 14.000 Mitglieder in 169 Vereinen, private Taekwondo- und Kampfkunstschulen zählen nicht dazu. Ein Problem gibt es dennoch: Viele Kinder hören in der Pubertät auf. Auch, weil sie die Prüfung für den nächsthöheren Gürtel nicht schaffen, die sie vor einer Fachjury zeigen müssen. "Von 100 Kindern schaffen nur ein oder zwei den schwarzen Gürtel", sagt Florian von Nauckhoff, Taekwondotrainer und Gründer der privaten Taekwondo-Schule KidsKwonDo.

Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene, vor allem Frauen, sind offen für diese Kampfkunst. Von Nauckhoff erklärt sich das mit einem Imagewandel: "Taekwondo ist gesellschaftsfähiger geworden." Einen Grund dafür sieht er in den Medien. In vielen Filmen seien zunehmend kämpfende Frauen zu sehen, dafür muss man nicht unbedingt zu einem Bruce-Lee-Film greifen. "Trainiert wird auch nicht mehr im Hinterhof, wie es noch vor zehn Jahren der Fall war, als ich mit dem Unterricht begonnen habe. Da habe ich nur schweißgebadete, stinkende Männer vor mir gesehen", sagt der 36-jährige Taekwondo-Meister.

Einer der wichtigsten Aspekte, der Frauen für Taekwondo, aber auch für andere Kampfsportarten begeistern, ist tatsächlich die Selbstverteidigung. Auch Busche, Leiter der Schule Kempo Karate, kann das bestätigen. Frauen können dort Kampfsporttraining ohne Körperkontakt machen. "Die Kurse sind voll. Das war vor ein paar Jahren noch nicht der Fall."

Selbstverteidigung ist auch einer der Gründe, weshalb viele Eltern ihre Kinder in die Kampfkunstschule schicken. Beim Judo ist das allerdings eher unbedeutend. "Hier steht vor allem Zucht und Ordnung an erster Stelle. Und mittlerweile wissen die Eltern, dass auch alle motorischen Hauptfunktionen bei dieser Sportart gefördert werden", sagt Ralf Matusche, Trainer des Judo-Bundesstützpunktes in München. Und: "Der Zulauf ist ungebrochen. Unsere Anlaufkurse sind mit 60 bis 70 Kindern voll."

Matusche legt dabei viel Wert auf die soziale Komponente, wie die anderen Kampfkünste auch. "Wir bringen den Kindern nicht nur Schlagen und Treten bei, sondern arbeiten auch viel mit sozialen Werten wie Disziplin und Respekt", sagt Karateschulleiter Warzel. Wenn es sein muss, dann können sich seine Kinder aber auch verteidigen. Wie damals der kleine Bruce Lee in der Knabenschule.

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