Der bayerische Flüchtlingsrat fordert rasche Aufklärung über die Todesumstände des 28 Jahre alten Flüchtlings aus dem Kosovo, der am Samstag im Kampf mit Beamten im Gefängnis in Landshut ums Leben gekommen ist. "Dieser tragische Fall beweist wieder, dass mit der Asylpraxis in der Europäischen Union etwas nicht stimmt", sagt Alexander Thal vom Flüchtlingsrat. Die Staatsanwaltschaft Landshut ermittelt gegen die acht beteiligten JVA-Beamten wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Eine Obduktion soll klären, woran der 28-Jährige tatsächlich gestorben ist. Ein vorläufiges Ergebnis brachte keine Erkenntnisse.
Der Tod des Kosovaren ist das dramatische Ende einer tragischen Lebensgeschichte. Der Mann war aus dem Kosovo nach Ungarn geflüchtet, hatte aber immer wieder versucht, das Land zu verlassen. Ungarische Flüchtlingsunterkünfte sind berüchtigt: Oftmals leben Hunderte Flüchtlinge auf engstem Raum und unter hygienisch untragbaren Zuständen. Daher gibt es Urteile des Münchner Verwaltungsgerichts, wonach Abschiebungen von Asylsuchenden nach Ungarn gestoppt wurden.
Er brachte mit einer Rasierklinge eine Stewardess in seine Gewalt
Der 28-Jährige hatte weniger Glück. Die Niederlande verweigerten ihm seit 2012 die Einreise, eine Staatsanwaltschaft in Ostfriesland verhängte 2013 einen Haftbefehl gegen ihn, weil er illegal eingereist war. Der Kosovare hatte deshalb eine vierwöchige Haftstrafe in Passau abgesessen und hätte am 1. April nach Ungarn überstellt werden sollen. In seiner Verzweiflung brachte er im Flugzeug mit einer Rasierklinge eine Stewardess in seine Gewalt und zwang die Maschine zur Umkehr. Am Flughafen München wurde er festgenommen, seitdem saß er wegen Geiselnahme und gefährlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft.
Vorwürfe des Flüchtlingsrats, wonach der 28-Jährige eher in einer Psychiatrie als im Gefängnis hätte untergebracht werden sollen, weist der Landshuter Oberstaatsanwalt Markus Kring zurück. Es sei zwar eine psychiatrische Begutachtung vorgesehen gewesen, diese sei aber noch nicht erfolgt. Der Mann sei im Gefängnis in keiner Weise auffällig gewesen.
"Wir müssen prüfen, ob hier die Grenzen eingehalten wurden"
Am Samstag habe der 28-Jährige unvermittelt und "ohne nachvollziehbaren Grund" in seiner Zelle randaliert. Der Kosovare verletzte sich mit einer Scherbe selbst, bevor er einen JVA-Mitarbeiter und einen Sanitäter verwundete. Laut Polizei wurde der Häftling zu Boden gebracht und fixiert, plötzlich regte er sich nicht mehr. Ein Notarzt reanimierte ihn, im Krankenhaus starb er. Die Anwendung von Gewalt sei unter bestimmten Umständen erlaubt, sagt Kring. Aber: "Wir müssen prüfen, ob hier die Grenzen eingehalten wurden." Die Staatsanwaltschaft geht von einem Atem- oder Herzstillstand aus. Näheres sollen Gewebeuntersuchungen ergeben.
Die Schilderung klinge nach dem typischen Fall, den es schon öfter bei Polizeieinsätzen gab, kritisiert Thal vom Flüchtlingsrat. "Jemand, der am Boden fixiert wird, bekommt keine Luft, wehrt sich deshalb umso wilder, wird so noch heftiger fixiert und kommt dabei ums Leben." Neben der Aufklärung dieser Umstände müsse sich die Politik auch fragen, warum der Mann überhaupt abgeschoben werden sollte.
Der sogenannten Dublin-Verordnung zufolge muss ein Flüchtling dort Asyl beantragen, wo er zuerst EU-Boden betritt, in diesem Fall also Ungarn. Die Zustände dort seien aber tatsächlich untragbar, sagt Thal. "Wenn jemand so verzweifelt ist, dass er so ausflippt wie dieser Mann, dann muss man sich fragen, warum er nicht dort Asyl beantragen darf, wo er will."