Justiz:Sicher hinter Gittern

Mehr Sicherheit für Angestellte im Strafvollzug: Gefängnisleiter sollen sich per Intranet über Fluchtideen ihrer Häftlinge austauschen.

Julia Amalia Heyer

Erst im April war im Hochsicherheitstrakt der Justizvollzugsanstalt in Straubing eine Psychologin sieben Stunden lang Geisel ihres Patienten. Roland K., ein verurteilter Mörder und Vergewaltiger, seit 30 Jahren in Haft, hatte seine Therapeutin mit einem Messer bedroht und während dieser Stunden mehrfach vergewaltigt.

Justiz: Allen Sicherheitsmaßnahmen zum Trotz - die Gefahr für Angestellte im Strafvollzug ist groß.

Allen Sicherheitsmaßnahmen zum Trotz - die Gefahr für Angestellte im Strafvollzug ist groß.

(Foto: Foto: dpa)

Der Überfall in Straubing zeigt, wie groß die Gefahr für die Angestellten im Strafvollzug ist - allen Sicherheitsmaßnahmen zum Trotz. "Es gibt keine absolute Sicherheit, und es kann auch gar keine geben; nicht für die Häftlinge und auch nicht für das Personal", sagt Frank Arloth, Leiter der Abteilung Justizvollzug im bayerischen Justizministerium. "Die haben ja den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als sich Gedanken über ihren Ausbruch zu machen."

Arloth ist Vorsitzender einer Expertenkommission, die auf Geheiß von Justizministerin Beate Merk (CSU) ein Sicherheitskonzept für den bayerischen Justizvollzug ausgearbeitet hat. Er und andere Fachleute aus Justizvollzugsanstalten (JVA) haben sich Gedanken darüber gemacht, wie der Ausbruch, die "Entweichung" oder sonstige "Gefahrenlagen", wie es im Justiz-Jargon heißt, verhindert werden können. Die Kommission hat versucht, das immerwährende Sicherheitsrisiko möglichst einzudämmen.

Handlungsempfehlungen vom Experten

"Die Bürger", erklärt Justizministerin Merk den Sinn ihres Sicherheitskonzepts, "sollen sich in unserem Land ohne Angst vor Straftätern sicher fühlen." In der Praxis besteht das jetzt vorgestellte Konzept vor allem aus dem sogenannten "Sicherheitsportal", einer Art Intranet, auf das die bayerischen JVAs Zugriff haben. Dort können die Beamten je nach Situation auf die jeweilige "Gefahrenlage" klicken - und finden dann die von den Experten zusammengestellten Handlungsempfehlungen.

Klickt der Beamte zum Beispiel auf "Ausbruch", so kann er sich zuerst unter "Definition" informieren, was er darunter zu verstehen hat - falls ihm das noch nicht bekannt sein sollte. Dann werden "Maßnahmen zur Verhinderung der Gefahrenlage" vorgeschlagen, wie zum Beispiel die Durchsuchung "von Personen und Hafträumen".

Arloth gibt zu, dass es für die von seinem Team in diesem Fall aufgelistete Maßnahme nicht unbedingt einer Expertenkommission bedurft hätte, sondern die Durchsuchung von Häftlingen und ihren Zellen wohl zur Ausbildung eines jeden im Justizvollzug tätigen Beamten gehört.

Trotzdem sieht der Professor sein Sicherheitsportal als "wirklich singulär". Die anderen, sagt Arloth, "die haben noch Handbücher." Außerdem müsse man sich das ganze Unterfangen als noch im Entstehen begriffen vorstellen. Mühsam sei seine Arbeit mitunter, erklärt er: Es passiert etwas - und erst im Anschluss könne man Konsequenzen daraus ziehen und ein "Sicherheitsloch" schließen.

Ausbrechern zuvorkommen

Dass all diese Lücken tatsächlich geschlossen werden können, bezweifelt nicht nur Arloth. Deswegen haben die Beamten ihre Methoden, wie sie möglichen Ausbrechern zuvorkommen: Zum Beispiel mit dem sogenannten "Herzschlagdetektor", einer Art EKG für Fahrzeuge.

Eigentlich kommt das Gerät aus der Erdbebenforschung - jetzt filtern seine Sensoren die Sinuskurve eines menschlichen Herzschlags heraus: nämlich die eines im Auto versteckten möglichen Ausbrechers. "Todsicher" sei auch dieses Gerät nicht, sagt ein Beamter. Im vergangenen Jahr jedenfalls gelang keinem einzigen Gefangenen die Flucht aus einem bayerischen Gefängnis.

Ob eine dieser "technischen Investitionen in die Sicherheit", wie zum Beispiel die "Personennotsignalanlage", ein Piepser, der vom JVA-Personal am Körper getragen werden kann, der noch immer schwer traumatisierten Straubinger Psychologin geholfen hätte, ist fraglich. Fraglich war auch eine ganze Weile, wie Roland K. in den Besitz eines Messers gelangen konnte: Es stellte sich heraus, dass der gelernte Werkzeugmacher sich während seiner Arbeit in der JVA aus einem Metallstück eine Klinge gefräst und sich aus verschiedenen Plastikstücken einen Griff zusammengeschmolzen hatte.

Mit dem neuen Intranetportal wollen Merk und Arloth nicht zuletzt die Wachsamkeit ihrer Beamten schulen. Lektion Nummer Eins: Der Schein trügt. In einer Hanuta-Waffel können Drogen geschmuggelt werden, und selbst harmlos wirkende Figuren eines Schachspiels könnten sich - bei ganz genauem Hinsehen - zu Sprossen einer Strickleiter zusammenfügen.

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