Süddeutsche Zeitung

Justiz:Knast nur für Schleuser entsteht in Mühldorf

  • Ende März 2015 saßen laut Justizministerium 151 mutmaßliche Schleuser in U-Haft.
  • Insgesamt reichten die Kapazitäten in Bayerns Gefängnissen laut Staatsregierung derzeit trotzdem aus.

Von Matthias Köpf, Mühldorf

Viele Menschen, die dieses Land bald zwangsweise wieder verlassen müssen, verbringen ihre letzten Tage in Deutschland hinter Gittern zwischen einem Modemarkt, einem Matratzengeschäft und einem Möbelhaus im oberbayerischen Mühldorf.

Die Staatsregierung hat dort eine Justizvollzugsanstalt 2013 in aller Eile zum Abschiebegefängnis für ganz Bayern gemacht. 25 Männer und vier Frauen warteten darin am Dienstag auf ihre Abschiebung, 53 Plätze waren aktuell frei. Doch freie Zellen werden in Bayerns Südosten derzeit dringend für die vielen Schleuser gebraucht, die in Untersuchungshaft auf ihre Prozesse warten.

Daher soll aus der Abschiebeanstalt in Mühldorf so bald wie möglich wieder ein normales Gefängnis werden. Abschieben lassen will die Staatsregierung dann aus der jetzigen Justizvollzugsanstalt in Eichstätt.

Das Justizministerium nennt für diese bereits im Herbst beschlossene Gefängnis-Rochade logistische Gründe. Denn die 157 mutmaßlichen Schleuser, die demnach zu Beginn der Woche in Bayern in Untersuchungshaft saßen, sind aus Mangel an freien U-Haft-Plätzen im Südosten notgedrungen über Gefängnisse im ganzen Land verstreut.

Verhandlungen im 30-Minuten-Takt

Verhandelt werden weitaus die meisten Fälle aber in den beiden grenznahen Amtsgerichten im niederbayerischen Passau und im oberbayerischen Laufen, wo die Schleuser an manchen Tagen praktisch im 30-Minuten-Takt vor den Richtern stehen.

Deshalb werden schon seit längerer Zeit im großen Stil Untersuchungshäftlinge durchs Land gefahren - disponiert von den Justizbehörden, die den Amtsrichtern auch ein paar Tage im Voraus die freien Plätze in Bayerns Haftanstalten übermitteln lassen, damit sie gleich das richtige Gefängnis eintragen können, wenn sie die frisch festgenommenen Schleuser erst einmal in U-Haft schicken.

Die Zahl dieser Untersuchungshäftlinge ist derzeit ungefähr so hoch wie ein Jahr zuvor: Ende März 2015 saßen laut Justizministerium 151 mutmaßliche Schleuser in U-Haft. 2014 waren es 81, ein Jahr zuvor 13. Als bisherigen Rekordwert nennt das Ministerium 774 Schleuser in Untersuchungshaft.

Das war Mitte September, doch während die Zahl der einschlägigen U-Häftlinge nach und nach sinkt, steigt die Zahl der Schleuser in Strafhaft. Bei Weitem nicht jeden kleinen Fahrer schicken die Richter gleich hinter Gitter, doch derzeit sitzen in Bayern immerhin 204 Schleuser eine Haftstrafe ab und belegen damit ebenso einen Platz im Gefängnis wie zuvor in U-Haft.

Der Umbau zu 100 Plätzen für die Abschiebehaft soll bald beginnen

Insgesamt reichten die Kapazitäten in Bayerns Gefängnissen laut Staatsregierung derzeit trotzdem aus - dies allerdings nur, weil intern ständig mit U- und Strafhaft-Plätzen herumjongliert wird und dauernd mit großem Aufwand Gefangene hin- und hergefahren werden, was auch bei der Polizei viel Personal bindet.

Um all dem zu begegnen, soll das Mühldorfer Gefängnis wieder zur normalen Vollzugsanstalt werden. Dort gebe es ideale Bedingungen für die Untersuchungshaft von Schleusern, heißt es aus dem Justizministerium.

Für die Abschiebungen ist das Innenministerium verantwortlich, das die Abschiebehaft demnach künftig in Eichstätt ansiedeln will, weil das "Aufnahme- und Rückführungszentrum" in Manching und auch der Münchner Flughafen München von dort nicht weit entfernt sind.

Im Eichstätter Gefängnis verbüßten zuletzt 70 Häftlinge vergleichsweise kurze Strafen. Sie alle sind inzwischen in andere Anstalten verlegt worden, der Umbau zu 100 Plätzen für die Abschiebehaft soll bald beginnen.

Er ist nötig, weil die Häftlinge bis auf eventuelle Verstöße gegen das Ausländerrecht keine Straftäter sind und daher auch nicht unter den gleichen Bedingungen eingesperrt werden dürfen. Ihre letzten Tage in diesem Land werden sie aber auch in Eichstätt hinter Gittern verbringen.

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SZ vom 23.03.2016/dit
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