Jugendstudie "Dein 2020":Heimatcowboys aus Bayern

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"Lieber bodenständig als berühmt": Der On3-Jugendstudie "Dein 2020" zufolge ist bayerischen Jugendlichen der Kontakt zur Heimat und zur Familie ganz besonders wichtig.

Ulrike Heidenreich

"Es ist unglaublich wie abgeschlossen fertig die Bayern sind und wie wenig sie von der übrigen Welt verlangen. Wenn sie etwas sprechen, so betrifft es immer Bayern. Sie sind ganz verwundert, dass hinter den Bergen auch Menschen wohnen. Sie sind ein streng abgesondertes Natiönchen..."

Junge Bayern in Tracht, hier im Festzelt von Neufahrn rechts der Isar: Jungen Menschen im Freistaat ist einer Studie zufolge der Kontakt zur Heimat und zur Familie wichtiger als ein konsumorientierter Lebensstil. (Foto: region.wor)

Aus dem 19. Jahrhundert stammen diese Beobachtungen des Schriftstellers Heinrich Laube - und das Erstaunliche ist, dass jenes Wesen der Bayern sich ganz offenbar ins 21. Jahrhundert hinübergerettet hat. Nach einer Jugendstudie, die On3, das Internet-Radio des Bayerischen Rundfunks, in Auftrag gegeben hat, ist es für die jungen Menschen hierzulande besonders wichtig, den Kontakt zur bayerischen Heimat, zur Familie und zu den Freunden nicht zu verlieren. 74 Prozent von 508 repräsentativ befragten Bayern im Alter von 15 bis 25 Jahren gaben dies an. In der Jugendstudie "Dein 2020" äußerten nur wenige den Wunsch, ihr Glück im Ausland zu versuchen.

"Lieber bodenständig als berühmt" - dies haben die Macher der Studie als Ergebnis zusammengefasst. Demnach scheint den jungen Leuten die konsumorientierte Lebensweise wenig attraktiv. Und obwohl auch die Jugendlichen in Bayern von allen Seiten mit Castingshows zugeballert werden, rangiert der Wunsch, im Jahr 2020 berühmt zu sein, an letzter Stelle. Dass die Menowins und Bohlens dieser Welt nicht unbedingt den erstrebenswertesten Lebensstil verkörpern, ist vielleicht Ausfluss besserer Bildung, zumindest im Pisa-erfolgreichen Süden der Republik.

Überhaupt tendieren die jungen Bayern zur klassischen "Normalbiografie", wie es in der Studie heißt. Drei Viertel betrachten es als das höchste der Gefühle, wenn sie im Jahr 2020 eine eigene Familie und einen guten Job haben. Die Dirndl-Fraktion, also Bayerinnen zwischen 15 und 25 Jahren, zeigt sich deutlich zukunftsorientierter als die Lederhosen-Fraktion. Bei der Berufswahl ergibt sich ein äußerst vernunftgeprägtes Bild: Demnach sind für fast die Hälfte inhaltliche Aspekte ausschlaggebend. Die schwarzen Zahlen auf dem Gehaltszettel interessieren nur ein Drittel, ein Fünftel macht die Wahl des Arbeitsplatzes von seiner Krisensicherheit abhängig.

Treue, Ehrlichkeit und Liebe - diese drei Werte sind zurzeit bei den jungen Bayern am wichtigsten. Dass bei der Studie, die im Juni 2010 durchgeführt wurde, die jüngsten Skandale um die Kirche eine Rolle gespielt haben, darf vermutet werden: Glaube und Religiosität stehen ganz am Ende der Werteskala - noch hinter Genuss und Macht. Apropos Gefühle: Die Liebe zur Heimat scheint alles überwölbend. Neun von zehn der Befragten sind in Bayern geboren oder aufgewachsen und leben nach wie vor in jener Region, die sie von Kindesbeinen an kennen. Knapp die Hälfte fühlt sich "sehr stark" mit dieser Heimat verbunden, 45 Prozent leben "sehr gerne" hier. Von Bayernflucht also keine Spur.

Damit es in der Studie nicht nur um schnöde Zahlen geht, haben sich die BR-Befrager den Spaß gemacht, die jungen Erwachsenen in fünf Grundtypen einzuteilen. Basis der Jugendtypologie für Bayern waren Fragen nach den Wertorientierungen für die Zukunft sowie die jetzige Wertehierarchie: Die sogenannte "Heimspielerin" ist hier mit 28 Prozent vertreten. Dieser Typus hat sein Leben voll im Griff, Kinder und Partnerschaft sind ihm ebenso wichtig wie Fleiß und Pflichtbewusstsein. Der "Heimatcowboy" (26 Prozent) ist in seiner Region verwurzelt. Am liebsten bleibt er unabhängig und zieht sich ins Private zurück.

Er will sich keine Vorschriften machen lassen. Die "Hobby-Heldin" (16 Prozent) lebt im Hier und Jetzt und denkt selten an die Zukunft. Räumlich ist sie flexibel. Die sogenannte "Hedonistin" (18 Prozent) verkörpert einen Bayern-Typus, der resistent gegenüber Trends und Vorbildern ist. Die Bindung an die Region ist schwach. Der "Hipster" (12 Prozent) ist aktiv und von sich selbst überzeugt. Über zwei Drittel sind Männer, denen die berufliche Karriere sehr wichtig ist.

© SZ vom 27.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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