Krieg in der Ukraine:Zufluchtsort Jugendherberge

Krieg in der Ukraine: In der Jugendherberge Saldenburg im Landkreis Freyung-Grafenau wohnen zurzeit Geflüchtete aus der Ukraine. Seit zwei Wochen sind auch wieder reguläre Gäste da, Probleme gebe es nicht, sagt die Leiterin.

In der Jugendherberge Saldenburg im Landkreis Freyung-Grafenau wohnen zurzeit Geflüchtete aus der Ukraine. Seit zwei Wochen sind auch wieder reguläre Gäste da, Probleme gebe es nicht, sagt die Leiterin.

(Foto: DJH Bayern)

Wo sonst ganze Schulklassen Spaß haben, ist es in Corona-Zeiten ruhig geworden. Nun kehrt das Leben zurück, wenn auch zunächst anders als gedacht. Geflüchtete aus der Ukraine kommen in den Häusern unter.

Von Sonja Hößl

Die vergangenen zwei Jahre war es ruhig in den bayerischen Jugendherbergen. Zu ruhig. Wegen der Corona-Pandemie wurden Schulfahrten abgesagt oder gar nicht erst geplant. In den Herbergen machten sich die fehlenden Klassen nicht nur physisch, sondern auch finanziell bemerkbar. Im Vergleich zum Jahr 2019 lagen die Umsatzeinbußen laut dem Landesverband Bayern des Deutschen Jugendherbergswerk (DJH) im ersten Corona-Jahr 2020 bei 60 Prozent - 2021 immer noch bei 40 Prozent. Drei Herbergen mussten während der Pandemie komplett zusperren. Seit Anfang März rührt sich aber wieder etwas in den bayerischen Herbergen. Nicht, weil die Schulklassen wieder da sind - noch nicht. Sondern weil dort derzeit Geflüchtete aus der Ukraine unterkommen.

Anfang März gab der bayerische Landesverband des DJH bekannt, freie Betten in den 52 Häusern für Kriegsgeflüchtete zur Verfügung zu stellen. "In größeren Städten wie Nürnberg haben wir Geflüchtete, die je nach Platz mal für zwei Nächte unterkommen", sagt Pressesprecher Marko Junghänel. In sieben Jugendherbergen im Freistaat dagegen werden größere Kapazitäten bis Ostern freigehalten, um Geflüchteten ein Dach über dem Kopf zu geben. Dazu gehören die Jugendherbergen Augsburg, Bad Tölz, Burg Trausnitz, Bayreuth, Possenhofen, Pullach und Saldenburg.

Annette Herbinger, Leiterin der niederbayerischen Jugendherberge Saldenburg, hat in ihrem Haus etwa 50 Plätze für Geflüchtete. "Wir sind eine Drehscheibe zwischen Notunterkünften, in denen die Menschen nur 48 Stunden sein dürfen, und längerfristigen Wohnungen", beschreibt sie. Finanziert wird die Unterbringung derzeit vom Landkreis Freyung-Grafenau. Erst seit dem 18. März hat die Herberge wieder regulär geöffnet, neben Ukrainern sind auch wieder Familien zu Gast. Sie werden vor Ankunft über die Unterbringung der Geflüchteten informiert. Bisher gebe es keine Probleme, alle seien "positiv gestimmt". Bei der Versorgung der Ukrainer wird das zehnköpfige Team um Herbinger von einem Sicherheitsdienst unterstützt, den das Landratsamt eingestellt hat. "Wir kümmern uns um Wäschewaschen, saubere Zimmer und versorgen die Kinder auch mal mit Spielsachen", erklärt Herbinger. Das Sicherheitspersonal organisiere Corona-Tests für die Geflüchteten und helfen den Menschen, wenn sie Anrufe beim Landratsamt tätigen müssten. Vom 27. April an plant die Saldenburger Herbergsleitung dann wieder mit Schulklassen und Musik- oder Sportgruppen. Bis dahin hätten hoffentlich alle Geflüchteten eine längerfristige Unterkunft gefunden, sagt Herbinger.

Krieg in der Ukraine: Anja Kurth leitet die Jugendherberge in Bayreuth, auch dort wohnen Geflüchtete aus der Ukraine und andere Gäste. Schwierigkeiten gibt es nur bei der Verpflegung - wegen des Personalmangels.

Anja Kurth leitet die Jugendherberge in Bayreuth, auch dort wohnen Geflüchtete aus der Ukraine und andere Gäste. Schwierigkeiten gibt es nur bei der Verpflegung - wegen des Personalmangels.

(Foto: Robert Pupeter/DJH Bayern)

In der Jugendherberge Bayreuth wohnen seit Anfang März etwa 50 Geflüchtete, die auf acht Zimmer verteilt sind. "Bei uns sind hauptsächlich Frauen mit Kindern gelandet, die in und um Bayreuth bleiben wollen und auf Wohnungssuche sind", beschreibt Leiterin Anja Kurth. Einen Vorteil der Unterbringung in der oberfränkischen Herberge sieht Kurth darin, dass die Familien auf dem Gelände und im Speisesaal Kontakte zu anderen haben. "Problematisch ist es derzeit aber in Hinblick auf die Verpflegung", beschreibt sie. "Man darf nicht vergessen, wir sind eine krisengebeutelte Jugendherberge - mit Hotelbetrieb, der in Kurzarbeit musste, sowie mehrere Lockdowns und viele Stornierungen mitgemacht hat." Das Problem bei der Essensversorgung: Personalmangel. Man könne nicht für alle Gäste und zusätzlich für die geflohenen Ukrainer dreimal täglich Essen zubereiten. Trotzdem sei die Aufnahme der Menschen für alle Mitarbeiter eine Herzensangelegenheit gewesen. Mittags und abends übernimmt daher nun das Bayerische Rote Kreuz (BRK) die Verpflegung der Geflüchteten. Bis zum 15. April können die Menschen noch bleiben. Nach Ostern sei das Haus wieder mit anderen Gästen und nach den Ferien auch mit Schulklassen nahezu ausgebucht.

Krieg in der Ukraine: Die Jugendherberge in Kelheim ist seit 2021 geschlossen. Nun kommen dort Geflüchtete unter.

Die Jugendherberge in Kelheim ist seit 2021 geschlossen. Nun kommen dort Geflüchtete unter.

(Foto: DJH Bayern)

Längerfristig in einer Jugendherberge unterkommen sollen Geflüchtete im Landkreis Kelheim. Hier steht eine der drei Herbergen des DJH, die 2021 schließen mussten - die eh schon schwierige finanzielle Lage der Häuser in Kelheim, Lohr am Main und Feuchtwangen habe laut Pressesprecher Junghänel der Corona-Krise nicht auch noch standgehalten. Der Flüchtlingsunterbringung kommt das nun zugute. "Wir hatten bisher keinen Käufer für das Objekt gefunden", sagt Junghänel. Die Häuser in Lohr und Feuchtwangen seien inzwischen verkauft. Die Herberge in Kelheim soll nun also voraussichtlich für mehr als 50 Geflüchtete wieder aktiviert werden. Der Landkreis Kelheim plant, die Herberge für ein Jahr von DJH zu mieten. Noch sei der Vertrag nicht unterschrieben. Zudem müsste die Herberge laut Angaben des Landratsamts zunächst gereinigt, möbliert und mit Koch- und Waschgelegenheiten ausgestattet werden.

Auch im Landkreis Unterallgäu war eine langfristige Unterbringung von Geflüchteten geplant. Die Jugendherberge in Ottobeuren wollte für das kommende halbe Jahr ausschließlich Geflüchtete unterbringen. Bereits bestehende Buchungen in Ottobeuren hätten storniert beziehungsweise auf andere Häuser umgebucht werden können. Als "Zwickmühle" beschreibt Junghänel vom DJH Bayern diese Überlegung: "Einerseits wollen wir Kindern und Jugendlichen wieder Klassenfahrten ermöglichen, andererseits sehen wir die schwierige Lage der Geflüchteten." Diesem Dilemma müssen sich die Herbergsleitung und der Landesverband nun doch nicht stellen. Die Regierung von Schwaben habe das Vorhaben abgelehnt, die Geflüchteten könnten anderweitig untergebracht werden. Nach Ostern können in Ottobeuren also doch Schulklassen zu Gast sein.

Krieg in der Ukraine: Marko Junghänel ist Pressesprecher des Landesverbands Bayern des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH).

Marko Junghänel ist Pressesprecher des Landesverbands Bayern des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH).

(Foto: DJH Bayern)

Nach den Osterferien wird laut Junghänel in allen sieben bayerischen Herbergen, die derzeit Geflüchtete aufnehmen, wieder der Normalbetrieb anlaufen. Die Buchungslage sei gut. In Bayreuth kämen die Buchungszahlen wieder an die aus dem Jahr 2019 heran. "Wir profitieren schon ein Stück von der Situation, dass Flüge und Benzin teurer werden", sagte Anja Kurth. "Die Leute wollen sicher Urlaub machen, deswegen werden viele Deutsche wieder in Deutschland bleiben." Kurth schaue motiviert auf die kommende Saison.

Junghänel und der Landesverband blicken ebenso positiv auf das Jahr 2022: "Unsere Vorausbuchungen sind sehr gut und solange sich die Infektionslage nicht verschärft, gehen wir davon aus, dass die Buchungen so bleiben." Während der Pandemie hat der Landesverband des DJH Überbrückungshilfen von Bund und Freistaat erhalten und diese teilweise auch schon wieder zurückgezahlt. "Ohne die Überbrückungshilfen - vor allem die des Bundes - könnten wir nach wie vor nicht überleben", sagt Junghänel. Dass die freien Herbergszimmer bis Ostern durch Geflüchtete genutzt werden, habe aus finanzieller Sicht einen kurzfristigen positiven Nebeneffekt. Nach Ostern könne der Landesverband aber wieder aus eigenen Kräften wirtschaften. Aller Voraussicht nach werden dann bayerische Schülerinnen und Schüler wieder in den Herbergen ihre Betten beziehen. Nach den Ferien läuft die Empfehlung des Kultusministeriums aus, auf Klassenfahrten zu verzichten.

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