Jüdisches Museum in Augsburg:Der Rabbi und sein Abschiedsgeschenk

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Statt Kerzen hat Guggenheimers Leuchter Ölschälchen, die am Lichterfest Chanukka entzündet werden. (Foto: Auktionshaus Ader, Paris)

Durch Zufall ist der Chanukka-Leuchter von Aaron Guggenheimer aufgetaucht. Er war vor 160 Jahren das letzte Oberhaupt der jüdischen Gemeinde Kriegshaber. Was das Objekt über ihn erzählt.

Von Thomas Balbierer, Augsburg

Aaron Guggenheimer muss ein viel geachteter Rabbiner gewesen sein, wie sonst hätte er sich 40 Jahre als Oberhaupt der jüdischen Gemeinde Kriegshaber bei Augsburg halten sollen? Und warum sonst hätte ihm seine Gemeinschaft zum Abschied im Jahr 1860 diesen kunstvoll geschmiedeten Chanukka-Leuchter aus kostbarem Silber schenken sollen, der nun überraschend aufgetaucht ist?

Durch Zufall habe ein Mitarbeiter das zur Versteigerung angebotene Stück auf Google entdeckt, sagt Carmen Reichert, die Direktorin des Jüdischen Museums Augsburg-Schwaben. Ein Pariser Auktionshaus habe den historischen Leuchter, auch Chanukkia genannt, in seinem Katalog angeboten. Im Judentum werden dessen Kerzen, ähnlich wie beim Adventskranz, nach und nach an den acht Abenden des Lichterfests angezündet, das im November oder Dezember stattfindet.

Im Fall von Guggenheimers Lichtständer gibt es statt der Kerzen kleine Ölschälchen. In den Schaft wurde in geschwungenen Buchstaben eine Widmung „zum Andenken“ an Rabbi Guggenheimer eingraviert. Verziert ist das traditionelle Objekt mit einer Vogelfigur. Der vom Auktionshaus festgelegte Startpreis lag bei 400 Euro.

Nach einer Echtheitsprüfung ersteigerte das Museum den Leuchter am Ende für 6500 Euro – ein privater Spender stellte den Kaufpreis zur Verfügung. „Wir hatten unglaubliches Glück“, freut sich Reichert. „Und das alles kurz vor dem zehnten Jubiläum unseres Museumsstandorts in Kriegshaber. So etwas kann man nicht planen.“

Das Exponat soll erstmals an diesem Sonntag beim Sommerfest in der ehemaligen Synagoge Kriegshaber und anschließend bei wechselnden Ausstellungen zu sehen sein, bevor es von 2030 an Teil der neuen Dauerausstellung im Haupthaus an der Augsburger Halderstraße werden soll.

Die ehemalige Synagoge in Kriegshaber ist seit zehn Jahren der zweite Standort des Jüdischen Museums. (Foto: Auktionshaus Ader, Paris / Jüdisches Museum Augsburg)

Mit der Entdeckung des Leuchters rückt nicht nur die Geschichte der ehemaligen Synagoge Kriegshaber in den Blick – sie ist die älteste erhaltene Synagoge in Bayerisch-Schwaben und wurde nach einer Generalsanierung im Jahr 2014 Teil des Jüdischen Museums. Sondern auch die Biografie Aaron Guggenheimers, der im 19. Jahrhundert eine prägende Figur für die überwiegend jüdische Bevölkerung im damals noch eigenständigen Kriegshaber war.

„Guggenheimer muss eine sehr ausgleichende Persönlichkeit gewesen sein“, sagt Museumsleiterin Reichert. In Zeiten des Umbruchs innerhalb des Judentums sei es ihm gelungen, die zwischen der eher fortschrittlichen Großstadt Augsburg und dem konservativ geprägten schwäbischen Land gelegene Gemeinde zusammenzuhalten. Bis heute ist die Israelitische Kultusgemeinde in Augsburg eine strömungsübergreifende „Einheitsgemeinde“.

Als „sanfter Reformer“, so Reichert, habe er die Israelitische Kultusgemeinde Kriegshaber modernisiert, ohne eine Spaltung zu riskieren. Statt auf Hebräisch predigte er auf Deutsch und unterrichtete als Religionslehrer an Augsburger Gymnasien. Zudem sorgte er dafür, dass der Gottesdienst in der Synagoge nicht an einzelnen Betpulten, sondern in offenen Bankreihen stattfand. Zum Ende seiner Amtszeit wurde die Distriktsrabbinats-Stelle nach Augsburg verlegt. Guggenheimer war der letzte Rabbiner von Kriegshaber.

Zehn Jahre Jüdisches Museum Augsburg-Schwaben in der ehemaligen Synagoge Kriegshaber: 14. Juli, 11 bis 18 Uhr, Ulmer Straße 228, 86156 Augsburg. Weitere Informationen unter: https://jmaugsburg.de/veranstaltungen/sommerfest/

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