Bayerischer Landtag:Gerlach verspricht digitalen Fortschritt für alle

Bayerischer Landtag: Judith Gerlach, Staatsministerin für Digitales, gab im bayerischen Landtag am Mittwoch ihre erste Regierungserklärung ab.

Judith Gerlach, Staatsministerin für Digitales, gab im bayerischen Landtag am Mittwoch ihre erste Regierungserklärung ab.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

In ihrer ersten Regierungserklärung zeichnet die Ministerin eine Hightech-Zukunft für Bayern, lobt die Vergangenheit - und klingt dabei wie Markus Söder.

Von Andreas Glas und Johann Osel

Judith Gerlach beginnt auf der großen Bühne erst mal mit dem kleinen Alltag: bei ihr in der Familie. Die Tochter der bayerischen Digitalministerin habe gerade den ersten Milchzahn bekommen, erzählt sie. Und als die Frage aufkam, wann das bei ihr damals war, habe das Mädchen gemeint: "Dann google doch mal in deinem Kopf nach." Oder der Sohn, bei dessen Einschulung habe sie sich gedacht: Die Hälfte dieser Kinder werde später "in Berufen arbeiten, die wir heute noch gar nicht kennen". Nicht nur die heutige Jugend wachse in einer hoch digitalen Welt auf, sondern die Digitalisierung betreffe alle Menschen. Es sei daher die Pflicht von Politik, diese Zukunft zu gestalten, sagt Gerlach und klingt schnell wie Markus Söder: "Wir in Bayern sind keine Follower, wir sind Leader." Anführen also, nicht hinterherrennen.

So wie sich in ihrer ganzen Regierungserklärung am Mittwoch Sätze finden, die dem Vokabular des Ministerpräsidenten entsprungen sein könnten: "Bayern-Turbo zünden", immer wieder "Hightech und Heimat". Sie sagt: "Andere reden nur, gründen Stuhlkreise, wir liefern." Ein Glück, dass Söder nach ein paar Minuten Sitzung noch im Plenarsaal eintrifft, zuvor hatte man sich ja schon gefragt: Bleibt sein Stuhl ausgerechnet heute leer? Gerlach greift die Ankunft des Chefs gleich auf und adressiert ein paar Slogans an den "lieben Markus". Da zieht sie gerade eine Tangente von Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber bis Söder, Industriestandort, Hightech, Forschungsstandort. Das alles sei ein "riesengroßer Gewinn für unser Innovations-Ökosystem", beste Voraussetzungen für eine Vorreiterrolle Bayern bei der Digitalisierung. "Aber wir müssen am Ball bleiben."

Erstmals seit ihrer Berufung ins Kabinett 2018, seit Söders das Ressorts gegründet hat, hält Digitalministerin Gerlach eine Regierungserklärung. Es geht um den Digitalplan Bayern, eine übergreifende Strategie zur digitalen Transformation des Freistaats und für die nächsten zehn Jahre, die der Ministerrat vor einer Woche beschlossen hat. Ein Plan mit rund 200 Maßnahmen, für die im Haushalt 2023 etwa eine halbe Milliarde Euro hinterlegt seien.

Gerlach sagt, das seien oft "nicht die fancy, abgehobenen Themen, sondern wir verbessern konkret den Alltag der Menschen". Ein paar Schlaglichter: Für digitale Einsteiger, etwa Senioren, richtet man in 30 Kommunen Anlaufstellen für Fragen zu Smartphone und Internet ein. Wie bucht man online einen Arzttermin? Um solche Sachen soll es bei den Beratungstheken gehen. Zur Förderung der beruflichen Weiterbildung holt das Ministerium über eine Allianz Unternehmen ins Boot. Hochmoderne berufliche Bildungsstätten im Handwerk, neue Lernmedien in Schulen, ein virtueller Campus für Verwaltungsmitarbeiter, Impulse für Kommunen, damit digitale Behördengänge "so einfach wie Online-Shopping" werden - Gerlachs Tenor heißt "Schluss mit der Zettelwirtschaft". Und dennoch: Dafür, dass eine Zukunftserklärung angekündigt ist, geht der Blick doch sehr stark zurück. In Form von üppigem Lobpreis der eigenen Regierung.

Nach Gerlach ist Katharina Schulze dran, Fraktionschefin der Grünen. Ihre Konter-Rede ist keine zwei Minuten alt, da erhebt sich Söder demonstrativ desinteressiert von seinem Ministerpräsidentensessel und rutscht fünf Plätze weiter nach rechts, neben Gerlach. Er streckt ihr die Hand hin, Glückwunsch, der Chef ist offenbar zufrieden mit seiner Ministerin. Währenddessen hebt Schulze zur Fundamentalkritik am Digitalministerium an. "Es ist klein, es hat wenig Geld, wenig Kompetenzen und wenig Macht." Sie sieht die Verantwortung weniger bei Gerlach als bei Söder, der habe "versäumt, eine klare Digitalstrategie aufzusetzen und das rächt sich jetzt". Glasfaserverkabelung, digitale Bildung, Digitalisierung und Klimaschutz, Schulze listet auf, was der Ministerpräsident aus ihrer Sicht verschlafen hat. Aber Söder hört nicht zu, er ratscht, scherzt und lacht mit Gerlach und Finanzminister Albert Füracker. Und bevor Schulze ihre Rede beendet hat, ist Söder auch schon wieder aus dem Saal spaziert. Er ist ein paar Minuten zu spät gekommen, dafür geht er jetzt früher.

Gerlachs Digitalplan? Nur Aufgewärmtes, sagt Schulze unterm Strich, nichts Neues. Fast wortgleich formuliert das Gerd Mannes. Der AfD-Politiker findet, die Ministerin hätte sich die Ansprache sparen können, "mangels konkreter Inhalte". Die Staatsregierung spreche zwar von digitaler Souveränität, in Wahrheit sei aber auch Bayern längst abhängig von den Digitalkonzernen in China und den USA. Volkmar Halbleib (SPD) spricht von einer "Ministerin ohne Land", ohne Kompetenzen zur Umsetzung. Das sei in der Regierungserklärung mit "wolkigen Formulierungen und Sprechblasen" überdeckt worden. Ein Skandal sei, dass der Digitalplan der Opposition nicht vor der Debatte vorlag. Helmut Kaltenhauser (FDP) empört das auch. Und in der Arbeit der Ministerin habe noch "nichts so richtig durchgeschlagen", es gebe nur "Beschwörungen der Zukunft". Ein Grund: der "undankbare Ressortzuschnitt".

Die Ministerin wirkt nach der Debatte ganz zufrieden, beißt vor dem Plenarsaal in eine Banane, Nervennahrung. Auch an Beistand hat es ihr nicht gemangelt im Plenum, er kam in Reden von Freien Wählern und CSU, etwa von Ex-Verkehrsministerin Kerstin Schreyer. Sie führt den Begriff "Thinktank" auf fürs Digitalministerium: eine Denkfabrik also. Und sie betont noch mal eines mit Nachdruck: Die Ampel habe eben kein eigenes Ministerium dafür hingekriegt. All das dürfte Söder gefallen.

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