Süddeutsche Zeitung

Jubiläum:Die Hanns-Seidel-Stiftung feiert 50. Geburtstag

  • Seit 50 Jahren gibt es die Hanns-Seidel-Stiftung.
  • Die politischen Analysen der CSU-nahen Denkfabrik haben Gewicht - doch die Stiftung will kein verlängerter Arm der Partei sein.
  • Sie ist in mehr als 60 Ländern aktiv, um demokratische Beteiligung und berufliche Bildung zu fördern.

Von Sebastian Jannasch

Nein, als politische Einflüstererin sieht sich Ursula Männle nicht. Zwar hat die ehemalige Staatsministerin einen kurzen Draht zur CSU-Spitze. Ratschläge für das Tagesgeschäft erteilt die Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung der Regierung aber nicht. "Wir sind keine Oberlehrer, die immer besser wissen, wie es gemacht werden muss."

Und doch haben die politischen Analysen der CSU-nahen Denkfabrik Gewicht. Das zeigt schon die Tatsache, dass Ministerpräsident Horst Seehofer an diesem Freitag bei der Feier zum 50-jährigen Bestehen der Seidel-Stiftung in München zu Gast ist. Festredner ist Bundespräsident Joachim Gauck, die Öffentlichkeit ist am Samstag zum Besuch eingeladen.

Gegründet wurde der nach dem früheren Ministerpräsidenten Hanns Seidel (1957 bis 1960) benannte Verein im Jahr 1967, nicht zuletzt, um mit SPD, CDU und FDP gleichzuziehen. Die politische Konkurrenz hatte bereits Stiftungen geschaffen, um im Sinne ihrer Weltanschauung politisches Wissen in der noch jungen Bundesrepublik zu vermitteln. Im Fall der Seidel-Stiftung bedeutet das die staatsbürgerliche Bildung auf christlicher Grundlage.

Während der Zeit von Franz Josef Strauß entwickelte sich die Seidel-Stiftung dann zu einer Art Außenamt der CSU. Das erste Auslandsprojekt startete in Togo. Strauß verband eine Freundschaft mit dem dort autoritär herrschenden Präsidenten Eyadéma. "Togo hat die Größe von Bayern und Bayern ist auch ein Universum für sich selbst", soll der CSU-Übervater bei einem Besuch gesagt haben. Mittlerweile ist die Seidel-Stiftung in mehr als 60 Ländern aktiv, um demokratische Beteiligung und berufliche Bildung zu fördern.

Hierzulande unterstützt die Stiftung begabte Studenten, stattet Parteimitglieder und Ehrenamtliche mit politischem Handwerkszeug aus und unterhält eine Akademie zur Politikberatung. Ein verlängerter Arm der Partei will man aber nicht sein. Und darf es nach dem Gesetz auch nicht.

Parteinahe Stiftungen sind politische Zwitter: Von Parteien initiiert und ihrem Weltbild verschrieben, sollen sie doch unabhängig sein. Als eine Art Volksschule der Demokratie animieren sie zum Engagement. "Personell und organisatorisch müssen Partei und die ihr nahe stehende Stiftung streng getrennt sein", sagt Heike Merten, Leiterin des Düsseldorfer Instituts für Parteienrecht.

Weder dürfen die Stiftungen Wahlkampfhilfe leisten, noch in die Parteiarbeit eingebunden sein. Andernfalls würde es sich um eine verdeckte Parteienfinanzierung handeln. Der Etat der Stiftungen - bei der Seidel-Stiftung waren es 2016 etwa 64 Millionen Euro -, stammt fast vollständig aus Steuermitteln. Wie viel Geld die Stiftungen von Bund und Ländern erhalten, hängt davon ab, wie stark ihre Parteien bei den Wahlen abschneiden.

In der Realität erscheint die Trennung aber nicht ganz so scharf. "Die Stiftungen sind aufs Engste mit den Parteien verwoben", sagt Parteienrechtlerin Merten. Die Leitungsgremien der Seidel-Stiftung setzen sich wie bei anderen politischen Stiftungen auch vor allem aus Partei-Granden zusammen. Dass manch aktiver CSU-Politiker die Seidel-Stiftung immer mal wieder als Versorgungswerk für ausgediente Spitzenkräfte ins Gespräch bringt, kommt bei der Stiftung allerdings nicht gut an.

Die amtierende Vorsitzende Ursula Männle ist da unverdächtig: Die 73-Jährige hat bereits zu Studienzeiten Seminare der Stiftung betreut. 20 Jahre lang war sie Vize-Vorsitzende, bis sie 2014 auf Vorschlag von Seehofer die Leitung übernahm. Zum Jubiläum verweist Männle stolz auf die Bilanz: 43 000 Seminare gab es in den vergangenen Jahrzehnten, bei denen 1,6 Millionen Teilnehmer weitergebildet wurden, zuletzt auch in der Flüchtlingshilfe.

Schwierige Momente gab es in dieser Zeit aber auch: Im Jahr 2012 kam heraus, dass das Ehepaar Wutz, das der Stiftung ein Millionenerbe für Volksmusikpreise hinterlassen hatte, zu Hitler-Verehrern der ersten Stunde zählte. Ein Eklat, denn daraufhin schlug der israelische Präsident Schimon Peres den von der Stiftung vergebenen Franz-Josef-Strauß-Preis aus. Auch die Aufgabe des symbolträchtigen Tagungsorts Wildbad Kreuth nach einer kräftigen Mieterhöhung war vergangenes Jahr ein schwerer Schlag für die Stiftung.

In den nächsten Jahren erwartet Ursula Männle große Herausforderungen. Intern will sie die Stiftung verjüngen und die Mitarbeiter mobiler machen. Inhaltlich steht die Digitalisierung im Fokus. In Zeiten, in denen sich Falschnachrichten rasant im Internet verbreiten, will die Stiftung ihr Online-Angebot neu aufstellen und Formate entwickeln, um politische Bildung besser digital zu betreiben.

Vor allem aber spürt Männle, dass die Flüchtlingsbewegungen und die Kritik der Populisten am politischen System viele Menschen verunsichern. Beobachter weisen den politischen Stiftungen hier eine zentrale Rolle zu. "In Zeiten der Konfusion liegt die Stärke der Stiftungen darin, Orientierung zu bieten und verlässlich aufzuklären", sagt Werner Weidenfeld vom Münchner Centrum für angewandte Politikforschung. Der Rat von Ursula Männle dürfte also in der Politik weiter gefragt sein.

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SZ vom 20.01.2017/vewo
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