Süddeutsche Zeitung

Jobverlust wegen Pornodrehs:"Das ist doch lächerlich!"

Lesezeit: 3 min

Sie bezeichnet sich als gläubig. Weil sie in ihrer Freizeit aber als "Julia Pink" Pornos dreht, wurde einer Erzieherin der Diakonie in Mittelfranken fristlos gekündigt. Ein Gespräch über Kirche, Doppelleben und Doppelmoral.

Von Dario Nassal, Oettingen

Unter dem Namen "Julia Pink" führte eine Erzieherin der Diakonie Neuendettelsau lange Zeit ein Doppelleben: Tagsüber betreute sie Erwachsene mit Behinderungen. In ihrer Freizeit drehte sie Porno-Filme und veröffentlichte sie im Internet. Als die Diakonie davon erfuhr, wurde der Frau fristlos gekündigt. Pornos seien mit den christlichen Werten der Kirche nicht vereinbar. Julia Pink zog vor Gericht. Das Urteil in der vergangenen Woche: Fristlos kündigen darf ihr die Diakonie nicht, fristgerecht dagegen schon. Ein Gespräch mit Julia Pink über Kirche, Doppelleben und Doppelmoral.

SZ: Können Sie jetzt mit etwas Abstand die Entscheidung der Diakonie nachvollziehen?

Julia Pink: Nein! Ich habe 15 Jahre bei der Diakonie als Erzieherin gearbeitet und es gab nie Probleme. Auch mein Team war immer super. Die Pornos habe ich in meiner Freizeit gedreht. Also nach Dienstschluss. Und ich finde: Das ist mein gutes Recht! Deshalb werde ich in Berufung gehen.

Aber die Diakonie ist ein kirchlicher Arbeitgeber. Es gibt Menschen, die finden, dass Kirche und Porno nicht ganz so gut zusammenpassen.

Warum denn nicht? Ich bin selbst katholisch und gläubig; hin und wieder gehe ich sogar in die Kirche. Trotzdem besuche ich Swinger-Clubs und drehe Pornos. Na und? Für mich besteht da kein Widerspruch. Millionen Menschen schauen Pornos in Deutschland und diejenigen, die Pornos drehen, auf die zeigt man dann mit dem Finger. Das sind dann die Bösen. Was sollen das für Werte sein? Bei uns in der Diakonie arbeiten sehr viele Menschen. Allein statistisch gesehen, müssten da einige dabei sein, die sich zu Hause Pornos anschauen. Aber ich soll dann entlassen werden, weil ich nebenher in Pornos mitspiele. Das ist doch lächerlich!

Bevor aufgedeckt wurde, dass Sie "Julia Pink" sind, mussten Sie ein Doppelleben führen. Zu Hause die Pornos, auf der Arbeit die Kollegen, die davon nichts wissen durften. Was war das für ein Gefühl?

Wissen Sie, für mich war das kein so großes Problem. Ich trenne Berufliches und Privates. Mit den Kollegen hatte ich kein enges Verhältnis; über Sex haben wir nie gesprochen. Außerdem drehe ich die Pornos erst seit vergangenem Oktober - das war am Anfang nur ein Experiment und Hobby. Die Drehtage habe ich mir auch immer auf freie Wochenenden gelegt; das hat sich mit der Arbeit nie überschnitten.

Und wie ist es jetzt, wo alle in Ihrem Umfeld davon wissen? Sie leben in der Kleinstadt Oettingen. Werden Sie jetzt geächtet von den Nachbarn und Kollegen?

Davor hatte ich am Anfang Angst. Auf einmal war der Medienrummel da. Die Bild-Zeitung interviewte mich. Am nächsten Tag lese ich "Fräulein Porno" in der Zeitung und sehe ein Foto von mir mit gespreizten Beinen. Das war ein Schock! Allerdings gefällt mir die Aufmerksamkeit auch. Und ich muss sagen, ich bin überrascht, wie positiv meine Nachbarn reagiert haben. Viele haben bei uns geklingelt und meinten: Ich finde toll, was du machst, weiter so!

Die fanden das mit den Pornos toll?

Sie finden es gut, dass ich in meiner Freizeit mache, was mir gefällt, und mich gegen die Entscheidung der Diakonie wehre. Ich habe Facebook-Nachrichten von Nachbarn bekommen, mit denen wir davor nie viel zu tun hatten und die jetzt einfach mal Kaffee trinken gehen wollen. Meine Kollegen trauen sich allerdings nicht mehr, mich anzurufen. Auch meine Heimleiterin, mit der ich lange Jahre ein gutes Verhältnis hatte, hat mir während der Verhandlung kein einziges Mal in die Augen gesehen und ist direkt nach dem Urteil aus dem Saal geeilt. Das finde ich schade! Wir leben im 21. Jahrhundert. Warum kann man in Deutschland nicht offen mit dem Thema Sexualität umgehen?

Können Sie sich vorstellen, weiterhin in einer kirchlichen Einrichtung zu arbeiten, oder haben Sie andere Pläne?

An sich gefällt mir die Arbeit mit Benachteiligten und Behinderten gut. Klar würde ich gerne weitermachen. Aber nach allem, was passiert ist, müsste ich mir zweimal überlegen, ob ich wieder bei der Diakonie anfange. Jetzt möchte ich mich erst mal auf die Pornos konzentrieren, in letzter Zeit bekomme ich viele Anfragen, auch für Foto-Shootings und erotische Shows. Und Schauspielerei! Einmal habe ich nun beim Tatort mitgespielt - als Stripperin.

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Quelle:
SZ vom 28.10.2014
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