Süddeutsche Zeitung

Jakob Kreidl:Der einsame Landrat

Erst die Plagiatsvorwürfe, nun die Familienaffäre: Der Miesbacher Landrat Jakob Kreidl ist angeschlagen. Wie sehr die Skandale den CSU-Politiker geschwächt haben, zeigt sich auch beim Landkreistag: Seine Kollegen lästern unverhohlen.

Von Christian Sebald

Das kann Horst Seehofer wie kein zweiter. "Früher hatten die Bayern einen König", ruft der Ministerpräsident und CSU-Chef. "Heute haben sie die Landräte." Da brandet Heiterkeit unter den Landräten und anderen Delegierten des Landkreistags in Altötting auf, einige lachen wie befreit auf. Zuvor hatte Seehofer angekündigt, dass er nach der Landtagswahl im September einen "Minister für Heimat und kommunale Selbstverwaltung" berufen und überhaupt den Kabinettszuschnitt" grundlegend überarbeiten" wird. Die Landräte spenden Seehofer denn auch heftigen Applaus.

Auch der Miesbacher Landrat und Präsident des Landkreistags, Jakob Kreidl (CSU), klatscht. Doch Kreidl wirkt angespannt, sehr angespannt, schon den ganzen Vormittag. Kaum dass er einmal vom Podium herab den Landräten zulächelt. Dabei ist der Landkreistag das wichtigste Treffen der Landräte in Bayern, die Landräte erwarten von ihrem Präsidenten, dass er Flagge zeigt und Akzente setzt.

Zwar würde es keiner der Landräte so offen sagen. Aber Kreidl ist reichlich angeschlagen. Die Plagiatsaffäre klebt zäh an ihm. Der Miesbacher Landrat, der stets so stolz auf seinen Doktortitel war, hat seine Promotionsarbeit über den Kosovo-Konflikt größtenteils abgeschrieben, ohne die Quellen zu nennen.

Und nun hat den 60-jährigen Politiker auch noch die Familienaffäre der CSU eingeholt. Vor seiner Zeit als Landrat gehörte Kreidl 14 Jahre lang dem Landtag an. All die Zeit beschäftigte er seine Ehefrau als Mitarbeiterin, für ein monatliches Salär von 1500 Euro. Selbst als er 2008 Landrat wurde, bezahlte er ihr das Gehalt fünf Monate lang weiter - als Übergangsgeld.

Er versucht die Schwäche zu überspielen

Kreidl versucht zu überspielen, wie sehr ihn die Affären schwächen. Die Zahlungen an seine Frau seien in Ordnung gewesen, sagt er in Interviews. Sie entsprächen geltendem Abgeordnetenrecht. Außerdem habe seine Frau so viel in seinem Stimmkreisbüro gearbeitet, dass die 1500 Euro Monatsgehalt "nicht überbezahlt" gewesen seien. "Es gibt keinen Grund für eine Rückzahlung", erklärt er. Den Doktortitel dagegen führt er nicht mehr. So stolz er auf ihn war, nun betont er stets, er werde sich einer Aberkennung ohne Widerworte fügen.

Nach außen tragen die Landräte Kreidls Haltung mit. "Er hat sich uns gegenüber erklärt", sagt einer. "Das muss ausreichen, zumal er in seiner bisherigen Amtszeit viel für die Landkreise erreicht hat." Aber intern rumort es gewaltig. "Die Stimmung ist richtig mies", sagt einer. Wie viele Landräte befürchtet er, dass ihr Präsident, angeschlagen wie er nun ist, weder der Staatsregierung noch den anderen Kommunalverbänden den Widerpart bieten kann, den sie von ihm erwarten. "Das ist ein verheerendes Bild, das Kreidl abgibt", sagt einer.

Auch bei seiner Rede hat Kreidl einen denkbar schwachen Auftritt. Zwar können die Landkreise nicht klagen. 2012 verbuchten die Kommunen satte 14 Milliarden Euro Steuereinnahmen. Das sind sechs Milliarden Euro mehr als im Krisenjahr 2008. Und der Freistaat fördert die Kommunen, wo er nur kann. Der kommunale Finanzausgleich, also seine Zahlungen an die Kommunen, erreichte zuletzt das Rekordniveau von 7,8 Milliarden Euro.

Sorge wegen steigender Sozialausgaben

Gleichwohl plagen die Landräte Sorgen - vor allem wegen der Sozialausgaben, die seit Jahren ungebremst anschwellen. "Wir haben besorgniserregende Entwicklungen auf der Ausgabenseite", sagt Kreidl gestelzt in seiner Grundsatzrede, die er mit auffällig verhaltener Stimme vorträgt. "Allein die Sozialausgaben steigen Jahr für Jahr um wenigstens 250 Millionen Euro an." Dann rekapituliert er die bekannten Forderungen der Kommunen.

Der Bund müsse endlich die Eingliederungshilfe für Behinderte übernehmen. Auch die Finanzierung der Kreiskrankenhäuser müsse jetzt auf eine solide Basis gestellt werden. Und er wiederholt die Forderung nach der Pkw-Maut, deren Erlöse in den Unterhalt der Kreis- und Gemeindestraßen fließen soll. Doch da haben etliche Landräte schon abgeschaltet. Einige plaudern, andere sind nach unten ins Foyer gegangen.

Seehofer: locker und hochkonzentriert

Natürlich tut sich Seehofer da sehr leicht mit der Versammlung. Ganz locker steht der Ministerpräsident am Rednerpult, aber er spricht hoch konzentriert. "Bayern funktioniert bestens, wenn wir die Kompetenz vor Ort zum Maßstab unseres Handeln machen", sagt er. "Deshalb will ich die Heimat als Gegenpol zur Globalisierung stärken, deshalb soll Bayern dezentraler und die kommunale Selbstverwaltung gestärkt werden." Später wird er vor Journalisten launig anmerken, an diesem Tage "habe ich nichts weniger als die Revolution des Staatsausbaus ausgerufen". Vor den Landräten selbst geht er nicht so weit. Dafür lobt er sie für ihr großes Engagement bei der Energiewende und verspricht, sich weiter massiv für den Ausbau des schnellen Internets einzusetzen.

Auch was die Sorgen der Landräte anbelangt, verspricht Seehofer seine Hilfe, bei der Eingliederungshilfe genauso wie bei der Finanzierung der Kliniken und der Pkw-Maut. Außerdem erklärt er ausdrücklich, wie sehr er sich auf die "weitere ersprießliche Zusammenarbeit" mit den Landräten freut. Nur zu deren Chef Kreidl geht Seehofer deutlich auf Distanz. In seiner Rede kommt keine einzige Vertrauenserklärung für den angeschlagenen Landkreistagspräsidenten vor. Dabei hat sich Kreidl doch stets gerühmt dafür, dass er beste Kontakte zu Seehofer hat.

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SZ vom 16.05.2013
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