Jahresrückblick:Katastrophen, Affären - und ein paar gute Dinge

Was 2016 in Bayern los war.

Von Diana Gäntzle

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Januar: Silvestertragödie

Regensburger Dom

Quelle: dpa

In dem kleinen Dorf Unterschleichach (Landkreis Haßberge) beginnt das Jahr mit einer Tragödie: In der Silvesternacht feuert ein 53-Jähriger mit einem Kleinkaliberrevolver auf Personen vor seinem Haus. Ein Geschoss trifft die elfjährige Janina M. in den Hinterkopf. Das Mädchen stirbt wenige Stunden später in einer Klinik. Das Motiv? Der Mann soll sich über die Knallerei geärgert haben. Im Dezember wird er wegen Mordes zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt.

Im Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen legt der vom Bistum eingesetzte Rechtsanwalt Ulrich Weber einen Zwischenbericht vor. Demnach könnten über die Jahrzehnte, vor allem in den Fünfziger- bis Siebzigerjahren, bis zu 700 Chorknaben zu Opfern geworden sein. In acht Monaten ermittelte Weber viermal so viele Opfer wie das Bistum in fünf Jahren. Der frühere Domkapellmeister Georg Ratzinger spricht zunächst von einem "Irrsinn", relativiert jedoch später seine Aussage: Es sei richtig, alle Beschuldigungen rückhaltlos aufzuklären. Im Herbst bittet Bischof Rudolf Voderholzer die Opfer um Vergebung und kündigt an, die Kirche wolle an Betroffene bis zu 20 000 Euro zahlen.

Mitten in der Flüchtlingskrise protestiert der Landshuter Landrat Peter Dreier von den Freien Wählern auf spezielle Art gegen die Flüchtlingspolitik: Er schickt 31 Syrer in einem Bus nach Berlin vor das Kanzleramt.

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Februar: Zugunglück

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Quelle: Matthias Schrader/ap

Bayern trauert. Am Faschingsdienstag, den 9. Februar, stoßen bei Bad Aibling auf eingleisiger Strecke zwei Regionalzüge frontal zusammen. Zwölf Menschen sterben, fast 90 werden verletzt. Bald stellt sich heraus: Unglücksursache ist menschliches Versagen. Abgelenkt durch ein Handyspiel hatte der Fahrdienstleiter mehrere Signale falsch gestellt. Er wird im Dezember wegen fahrlässiger Tötung zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. 750 Helfer aus der Region beteiligen sich an der Bergung und den Aufräumarbeiten (Foto: Matthias Schrader/AP). Erstmals nach dem Zeiten Weltkrieg sagen sämtliche Parteien den Politischen Aschermittwoch in Niederbayern ab.

Derweil verringert sich wegen der faktischen Schließung der Balkanroute die Zahl der ankommenden Flüchtlinge an der Grenze. Von Mitte Februar an ist sie nur noch dreistellig pro Tag, im März teils gerade noch zweistellig.

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März: Rotstift

Karl-Theodor zu Guttenberg beim "Süddeutsche Zeitung Wirtschaftsgipfel" in Berlin, 2016

Quelle: Stephan Rumpf

Der Bayerische Rundfunk ärgert sich über einen Bericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofs (ORH) über seine defizitäre Haushaltslage. Wäre der BR ein Privatunternehmen, stünde er vor der Insolvenz, heißt es. Seit 2010 hat der Sender ein Defizit von 101 Millionen Euro angehäuft. Fast ein Drittel der Ausgaben machen Personalkosten aus. Im April schließlich kündigt der BR drastische Einsparungen an - und einen Stellenabbau über den bereits geplanten hinaus.

Den Rotstift setzt auch die Sparkasse an: Sie kündigt an, in diesem Jahr 225 Filialen in Bayern zu schließen. Mit dem Tod der Dorfsparkasse reagiert das Unternehmen auf die zunehmende Verbreitung von Online-Bankgeschäften.

Bayerns Gymnasien erhalten einen neuen Lehrplan. Demnach sollen Lehrer künftig freier entscheiden können, welche Bücher aus der jeweiligen Epoche im Unterricht drankommen. Wirklich verpflichtend als Lektüre soll nur noch "Faust I" sein. Bayern diskutiert: Abitur im Kulturstaat, ohne "Kabale und Liebe" oder "Woyzeck" je gelesen zu haben?

Auch die CSU diskutiert und zwar über eine mögliche Rückkehr von Karl-Theodor zu Guttenberg. Ministerpräsident Horst Seehofer soll ihn sich als Parteichef und Listenführer für die Bundestagswahl gewünscht haben. Doch der ehemalige Verteidigungsminister lehnt ab.

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April: Hoheiten

Niederländisches Königspaar in Bayern

Quelle: Sven Hoppe/dpa

Royaler Besuch: Prinz Daniel von Schweden bereist den Freistaat, ebenso wie das Königspaar der Niederlande, Willem-Alexander und Máxima (Foto: Sven Hoppe/dpa), die auch den Nürnberger Justizpalast besichtigen.

Ebenfalls königlich geht es in Bayreuth zu, dort wird auf 45 Hektar die bislang größte Landesgartenschau Bayerns eröffnet. Der Park am Ufer des Roten Mains trägt der berühmten Markgräfin zu Ehren den Namen Wilhelmineaue. Bis zum 9. Oktober kommen mehr als 900 000 Besucher.

In Aschaffenburg beginnt der Prozess um den Mord an der 24-jährigen Rebecca. Sie war ein Jahr zuvor tot in einer Garage gefunden worden. Mit ihr starb ihr ungeborenes Kind, das ein paar Tage später hätte zur Welt kommen sollen. Der Vater des Babys erwürgte Rebecca, weil er kein Kind wollte und Angst hatte, dass seine Ehefrau von der Affäre erfuhr. Im Mai verhängt das Gericht das Urteil: lebenslang.

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Mai: Windräder

Windrad Hamberg, Ansichten von der Ferne

Quelle: Photographie Peter Hinz-Rosin

Der Sommer hält Einzug im Freistaat. Am Wochenende vom 7. und 8. Mai genießt Bayern das bislang wärmste Wochenende in diesem Jahr. Im unterfränkischen Kitzingen zeigt das Thermometer 27,1 Grad. Im Bayerischen Rundfunk endet eine Ära. Trotz monatelanger Proteste streicht der Sender alle Volks- und Blasmusiksendungen aus seinem Hörfunkprogramm und verlegt sie auf neue Digitalwelle BR Heimat.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof bestätigt das umstrittene Abstandsgesetz zwischen Windrädern und Wohnsiedlungen und weist die Klagen der Oppositionsparteien im Landtag und des früheren Grünen-Abgeordneten Hans-Josef Fell zurück. So bleibt das sogenannte 10-H-Gesetz rechtens, wonach in Bayern Windräder nur noch dann errichtet werden dürfen, wenn ihr Abstand zur nächsten Wohnsiedlung das Zehnfache der Höhe beträgt. Bei 200 Meter hohen Windrädern, wie sie aktueller technischer Stand sind, entspricht das zwei Kilometern.

Wenn es nach Heimatminister Markus Söder (CSU) geht, können ländliche Gemeinden künftig sehr viel leichter Gewerbegebiete ausweisen. Von den Städten und Naturschützern kommt harscher Protest.

Das Sturmtief "Elvira" tobt über Deutschland, flutet Keller und überschwemmt Straßen. Besonders in Mittel- und Unterfranken sind die Schäden groß. Der Freistaat sagt Hilfen zu.

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Juni: Spendenaffäre

Augsburger Bürgerbegehren zu Theatersanierung

Quelle: dpa

Zwei Politiker geraten ins Visier der Staatsanwaltschaft: Der Nürnberger CSU-Landtagsabgeordnete Michael Brückner legt alle Ämter nieder. Er räumt ein, gegen Bezahlung Sex mit einer Minderjährigen gehabt zu haben.

In Regensburg wird gegen SPD-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs ermittelt. Er soll in den vergangenen drei Jahren mehr als 500 000 Euro Spenden von drei Bauunternehmern angenommen und im Gegenzug zu deren Gunsten Einfluss auf die Vergabe von städtischen Bauaufträgen genommen haben. In den folgenden Monaten werden immer mehr belastende Details bekannt. Rücktrittsforderungen weist Wolbergs vehement zurück.

Ministerpräsident Horst Seehofer nimmt sich der Krise der Bauern an und lädt zum Milchgipfel in die Staatskanzlei. Der Preis für den Liter Milch fiel auf teils unter 20 Cent. In Augsburg muss das Theater wegen akuter Mängel beim Brandschutz schließen.

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Juli: Peggy

Flüchtlinge im Regensburger Dom

Quelle: Armin Weigel/dpa

In einem Waldstück in Thüringen findet ein Pilzsammler Teile eines menschlichen Skeletts. Es sind die Überreste der neunjährigen Peggy, die 2001 im oberfränkischen Lichtenberg verschwand. Von ihrem Mörder fehlt weiter jede Spur.

In Regensburg besetzen 40 Asylbewerber den Dom. Als Balkanflüchtlinge haben sie kaum Aussicht auf Asyl. Die Diözese bringt sie im Pfarrheim unter (Foto: Armin Weigel/dpa). Nach Wochen mit Hungerstreik, "unerfüllbaren Forderungen und massiven Drohungen" räumt die Polizei das Pfarrheim.

Wegen vierfachen Mordes an ihren neugeborenen Kindern muss sich eine 45-Jährige vor dem Landgericht Coburg verantworten. Andrea G. gesteht, in den Jahren 2003 bis 2014 in ihrem Haus im oberfränkischen Wallenfels acht Kinder geboren zu haben, mindestens vier waren lebensfähig. Nach der Geburt wickelte sie die Babys in Handtücher und Plastiktüten. Sie wird wegen Totschlags zu 14 Jahren Haft verurteilt.

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August: Gipfelkreuz

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Quelle: Max Nichtl/oh

Nach der Klausurtagung des Kabinetts ist es offiziell: Nach jahrelanger Kritik am achtjährigen Gymnasium (G 8) steht eine Reform an. Die Schulen sollen künftig frei entscheiden dürfen, ob sie vom Schuljahr 2018/19 an oder auch später auf ein neunjähriges Modell wechseln. Im Einzelfall sollen auch beide Varianten an einer Schule möglich sein.

Außerdem beschließt das Kabinett, einen dritten Nationalpark zu errichten. Der Streit um den Standort beginnt sogleich. Und auch die Entscheidung, das Gesundheitsministerium nach Nürnberg umzusiedeln, löst Kritik aus. Vor allem bei Mitarbeitern.

Auf dem Schafreuter nimmt ein wochenlanges Gipfelkreuz-Drama seinen Lauf. Ein Unbekannter beschädigt das Kreuz mit Axt und Säge so stark, dass es entfernt werden muss. Zuvor waren zwei andere Kreuze in den Tölzer Bergen Anschlägen zum Opfer gefallen. Im Oktober stellt der Alpenverein ein neues Kreuz auf dem Schafreuter auf, das aber bald wieder umgehauen wird. Im Dezember richten die Alpinisten erneut ein Kreuz auf. Bislang steht es.

Ein ehemaliger Benediktinermönch wird zu sieben Jahren Haft verurteilt. Er hatte im Klosterinternat Ettal einen damals 13-jährigen Schüler missbraucht. 2010 war der Skandal aufgeflogen. Bis zu 100 Schüler waren in Ettal über Jahre von ihren Betreuern geprügelt oder sexuell bedrängt worden.

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September: Skischaukel

Skigebiet Grasgehren am Riedberger Horn

Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Bei zwei Ratsbegehren in Balderschwang und Obermaiselstein spricht sich je eine deutliche Mehrheit für die umstrittene Skischaukel am Riedberger Horn (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa) aus. Die Staatsregierung will daraufhin den Alpenplan ändern, um die neue Gondelbahn an dem streng geschützten Berg zu errichten. Landtagsopposition und Naturschützer laufen Sturm. Im Dezember bekommt die Debatte neues Feuer, weil mögliche persönliche Interessen von sechs Lokalpolitikern an dem Projekt bekannt werden.

Tief blicken lässt der einstige Hoffnungsträger der bayerischen SPD, der Regener Landrat Michael Adam. Er räumt in einer Erklärung ein Alkoholproblem ein und bitte alle Mitbürger zu respektieren, dass er dem Alkohol nun komplett entsage.

Neben den Uniformen werden bei der Polizei auch die Fahrzeuge blau: Innenminister Joachim Herrmann präsentiert die neuen Dienstwagen.

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Oktober: "Reichsbürger"

'Reichsbürger' schießt auf Polizisten

Quelle: dpa

Die Razzia in der Wohnung eines sogenannten Reichsbürgers im mittelfränkischen Georgensgmünd endet für einen Polizisten tödlich und für drei weitere mit Verletzungen. Der 49-Jährige schießt auf die Beamten. Er wird festgenommen. In den folgenden Wochen stellt sich heraus, dass es auch in den Reihen der Polizei "Reichsbürger" gibt, die den Staat ablehnen. Sie werden vom Dienst suspendiert. In einem Ort im Landkreis Bayreuth wird ein 43-Jähriger aus seinem Elternhaus befreit, dass er offenbar seit seiner Grundschulzeit nicht mehr verlassen hatte. Der gut genährte, aber stark verwahrloste Mann kommt ins Bezirksklinikum.

Landshut erlebt eine politische Sensation, als der politische Quereinsteiger Alexander Putz (FDP) nach einer Stichwahl gegen CSU-Mann Helmut Radlmeier das Rathaus erobert. Er ist nach 32 Jahren der erste liberale Oberbürgermeister in Bayern. Für die CSU ist das besonders bitter, sie stellte fast ein halbes Jahrhundert den Rathauschef in Landshut.

In Nürnberg hält die erste bayerisch-tschechische Landesausstellung über Kaiser Karl IV. Einzug. Und Ministerpräsident Horst Seehofer nennt es "den wichtigsten Erfolg meiner gesamten Laufbahn", dass Bund und Länder ihre Finanzbeziehungen neu gestalten. Bayern zahlt von 2020 an 1,3 Milliarden Euro weniger in den Länderfinanzausgleich.

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November: Todesfälle

Luchsgehege des Nationalparks Harz

Quelle: Holger Hollemann/dpa

In einer Seniorenresidenz im unterfränkischen Untermerzbach werden die Geschäftsführerin und der Pflegedienstleiter wegen des Verdachts des Totschlags festgenommen. Es soll rätselhafte Todesfälle von Bewohnern gegeben haben. Die Ermittlungen laufen.

Ebenso wie in Straubing, wo ein verheerendes Feuer das historische Rathaus zerstört. Der denkmalgeschützte Bau stammt teils aus dem 14. Jahrhundert und bildet mit der Kirche das Herz der Stadt. Die Brandursache ist unklar; die Ermittler haben keine Hinweise auf Brandstiftung.

Hinweise gibt es aber auf einen Mann, der Luchse im Bayerischen Wald wildern soll. In den vergangenen sechs Jahren wurden in der Region Lamer Winkel/Bodenmais mindestens fünf Luchse getötet (Foto: Holger Hollemann/dpa). 14 weitere sind verschollen. Die Gegend wird "Bermuda-Dreieck" genannt. Dennoch streifen nun zwei junge Tiere mit ihrer Mutter umher.

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Dezember: Marathondebatte

Plenarsitzung im Landtag

Quelle: dpa

Der Freistaat feiert, die Bayerische Verfassung wird 70 Jahre alt. Am 1. Dezember 1946 stimmten ihr die Bürger in einer Volksabstimmung zu, eine Woche später trat sie in Kraft. Landtagspräsidentin Barbara Stamm bezeichnet die Verfassung als den Grund dafür, dass wir heute "in Frieden und Freiheit, in Rechtsstaatlichkeit und bislang nie erlangtem Wohlstand leben".

Eine Recherche von SZ und BR deckt auf, dass etliche Schlachthöfe Probleme damit haben, Schweine vor der Schlachtung so zu betäuben, dass sie keine Qualen erleiden. Betroffen sind auch Betriebe, bei denen schon zwei Jahre zuvor Verstöße festgestellt wurden. Verbraucherministerin Ulrike Scharf verurteilt die massiven Verstöße gegen die Tierschutzvorschriften und kündigt für Januar ein Sonderkontrollprogramm an.

Im Landtag stellen die Abgeordneten einen Rekord auf: 16 Stunden debattieren sie über das Integrationsgesetz, das die CSU-Mehrheit will und am Ende beschließt und gegen das SPD und Grüne mit eben dieser Marathondebatte protestieren.

Eine Woche später erschüttert das Parlament die Nachricht, dass der Abgeordnete Linus Förster verhaftet wurde. Gegen ihn wird wegen sexuellen Missbrauchs und des Besitzes kinderpornografischer Schriften ermittelt. Als die ersten Vorwürfe aufkommen, gibt Förster alle Ämter auf und tritt aus der SPD aus. Sein Mandat legt er zum Jahresende nieder.

© SZ.de/infu
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