Politik in Bayern 2024:Die ewige Konkurrenz zwischen Markus Söder und Hubert Aiwanger

Lesezeit: 3 Min.

Ministerpräsident Markus Söder (rechts) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger regieren zwar zusammen, stehen aber auch in ständiger Konkurrenz. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die Bauernproteste zu Beginn des Jahres boten dem FW-Chef die Bühne für umstrittene Auftritte. Der CSU-Chef hielt mit einer ebenso umstrittenen Personalie dagegen. Ein Rückblick.

Von Johann Osel

Das politische Jahr 2024 in Bayern begann mit ungewohnten Szenen von Revolte. Und mit altbekannten Szenen von Rivalität. Die Revolte war vor allem im Januar auf Plätzen und Straßen zu sehen. Die Bauern – rasch unterstützt durch Mittelständler und Spediteure – protestierten gegen die Streichung von Subventionen beim Agrardiesel, wie sie die Bundesregierung plante. All die Traktoren-Demos und Kundgebungen im Freistaat verströmten immer mehr eine allgemeine Stimmung von Aufstand – gegen eine vermeintliche Benachteiligung der Landbevölkerung, gegen die Ampel, gegen „die da oben“.

Die altbekannte Rivalität dagegen spielte im politischen München. In der bayerischen Staatsregierung, zwischen den beiden Parteien, die eigentlich Partner sind: CSU und Freie Wähler. Zwischen Markus Söder und Hubert Aiwanger.

Aiwanger, bekannt für seinen Riecher, witterte die aufziehende Lage früh, schon in den letzten Tagen des Jahres 2023. Auf „X“ schrieb er: Die Agrardiesel-Pläne seien „ein Schlag mit dem Dreschflegel ins Gesicht der Landwirte“. Und: „Jeder Taugenichts wird von der Ampel besser behandelt als unsere Bauern.“ Der Ton war damit gesetzt. Söder solidarisierte sich zwar prompt mit einem ganz oben in der Protestszene – er fuhr zu Günther Felßner, dem Präsidenten des Bayerischen Bauernverbands, um ein Videostatement auf dessen Hof abzugeben. Es war dann aber der Landwirt Aiwanger, der sich in den folgenden Wochen als Volkstribun inszenierte, der wie ein Proteststaubsauger von Ort zu Ort sauste.

Es war nicht so, dass Söder oder Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) auf Demos unfreundlich empfangen worden wären. Aber sie spielten, trotz aller Klarheit zum Agrardiesel, nicht die Aufwiegler. Das löste nicht die Euphorie aus wie Aiwangers Gebaren. Dieser sah sich wohl wirklich als Teil eines Umsturzszenarios: Es sei wie beim Schach, sagte er öfter, wenn vorn alle Bauern gefallen seien, werde es auch hinten in Turmstuben und Königspalästen unangenehm. Den „Damen und Herren aus der politischen Elite“, zu der er sich als Vize-Ministerpräsident offenbar nicht zählt, „geht’s dort nass rein“.

Die Protestwelle flaute ab, beim Agrardiesel zeichnete sich eine Lösung ab. In der CSU spotteten sie derweil immer lauter über Aiwangers „Demo-Hopping“, der dafür sein Amt als Wirtschaftsminister sträflich vernachlässige. Die CSU-Fraktion unter Klaus Holetschek erließ einen eigenen Fünf-Punkte-Plan für die Wirtschaft. „Ministrieren geht vor Demonstrieren“, befand Söder beim politischen Aschermittwoch der CSU in Passau.

Direkt genützt hat Aiwanger das Spektakel zum Jahresauftakt nichts. Bei der Europawahl im Juni kamen die FW auf keine drei Prozent national, in Bayern auf magere 6,8 Prozent; bei der Landtagswahl im Vorjahr waren es noch 15,8. Und das, obwohl Aiwanger die Landesbäuerin Christine Singer als Spitzenkandidatin für Brüssel aufbot. Am Tag nach der Wahl erklärte Söder genüsslich Aiwangers überregionale Träume für beendet, „Schuster bleib bei deinen Leisten“.

Seit der Neuauflage der Bayern-Koalition 2023 und bis heute ist da dieses Grundrauschen an wechselseitigem Misstrauen zwischen den Partnern CSU und FW, es bricht immer wieder in Sticheleien durch. Dennoch gab es auch ein paar Sachthemen in diesem Jahr: Söder hielt eine Regierungserklärung für Entbürokratisierung, erste Gesetze dazu sind schon beschlossen, es geht zum Beispiel ums Baurecht. Auch eine Enquete-Kommission im Landtag soll den Bürokratieabbau forcieren. Ein kurioses Thema beschäftigte die Abgeordneten: Bei der bayerischen Polizei mangelt es an Diensthosen, in einem Video der Polizeigewerkschaft DPolG zogen Uniformierte symbolisch blank.

Ein Schatten über der Landespolitik war und bleibt die Kassenlage: Finanzminister Albert Füracker (CSU) verbucht weniger Einnahmen und ungeplante Ausgaben. Auch die Migration und die Hilferufe aus Kommunen setzen alle Parteien unter Druck. Die politische Stimmung wirkte auch im Freistaat gereizt. Immerhin, zeigt eine Studie des Landtags: 93 Prozent der Bayerinnen und Bayern halten die Demokratie an sich für eine gute Regierungsform.

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Dann kam der November – das plötzliche Aus der Ampel. CSU-Chef Söder drängte auf rasche Neuwahlen. Schwarz-Grün als künftige Bundesregierung schließt er kategorisch aus, anders als die CDU. Dahinter steckt auch Taktik: Jedes noch so zarte Anbandeln der CSU mit den Grünen könnte, so Söders Sorge, die Aiwanger-Partei bei einer überregionalen Wahl erstarken lassen und die AfD weiter beflügeln. Bislang scheint das aufzugehen: Die CSU stand Ende November im BR-„Bayerntrend“ bei stolzen 45 Prozent. Die FW kam nur auf vier, die AfD auf 17, die SPD auf neun, die Grünen auf 13 Prozent. Aber der Wahlkampf ist noch jung.

In diesem tauchte Günther Felßner wieder auf, der Bauernpräsident. Er solle nach Söders Willen der nächste Bundesagrarminister werden, sei sein „Joker“. Er steht bei der CSU auf Listenplatz drei. Felßner selbst prahlt, die Bauernproteste im Januar hätten der Ampel „den ersten Riss“ zugefügt. In FW-Kreisen hört man dagegen dieses Lamento: „Die Personale geht gegen uns, nix anderes.“ Auf dem Wahlzettel gibt es die Konkurrenz der Frontmänner von CSU und FW aber nicht: Aiwanger ist Spitzenkandidat seiner Partei, Söder sieht seinen Platz in Bayern; zumal er in der K-Frage der Union Friedrich Merz den Vortritt lassen musste.

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