Unter Bayern:Geheimnisvolle Jachenau

Unter Bayern: Erst fragen, dann fotografieren: Das denkmalgeschützte "Bichlerkassl" in Hinterbichl, Gemeinde Jachenau.

Erst fragen, dann fotografieren: Das denkmalgeschützte "Bichlerkassl" in Hinterbichl, Gemeinde Jachenau.

(Foto: Sebastian Beck)

Wer abends durch Bayerns abgelegenstes Tal fährt, sieht mehr Rehe und Füchse als Menschen.

Glosse von Sebastian Beck

Zu den abgelegensten Gegenden in ganz Bayern gehört die Jachenau. In den Sommermonaten wird das Tal zwar von Cabriofahrern aus aller Welt heimgesucht. Wer aber an einem kalten Winterabend die 32 Kilometer zwischen Einsiedl und Lenggries mit dem Auto zurücklegt, der fühlt sich fast wie ein Störenfried.

Die Jachenauer machen es einem auch nicht leicht. Besucher, die von Westen kommen, müssen sich die Mautstraße am Ufer des Walchensees entlang schleichen. Das ist schon deshalb gefährlich, weil die Straße dort eng und eisig ist. Außerdem schweift der Blick immer wieder nach oben in den Sternenhimmel, der in diesem finsteren Winkel bei Neumond spektakulär leuchtet. Dabei kann man leicht allerlei Getier am Boden übersehen, das sich nicht an die Straßenverkehrsordnung hält. Offensichtlich ist es so, dass sich dort alle Füchse aus dem Bezirk Oberbayern Anfang Januar zur Jahreshauptversammlung treffen. Dem Hörensagen nach geht es heuer um Fragen der Jagd (Jäger erkennen, meiden und melden), der Impfung (Boostern gegen Tollwood?) und des Artenschutzes (Ja zu wolfsfreien Zonen).

Wer die Engstelle im Ortsteil Mühle passiert hat, dem öffnet sich ein Tal, das sich schon deshalb von allen anderen in Bayern unterscheidet, weil es hier weder ein großes Gewerbegebiet noch ein Wellnesshotel oder andere Riesenkästen gibt. Die Jachenauer - von denen die gefühlte Hälfte Danner heißt - wollen ihre Gäste am Abend anscheinend wieder loswerden, damit sie ihre Ruhe haben. Die Bauernhöfe verteilen sich so selbstbewusst in der Landschaft, als ob Bayern immer noch ein Agrarstaat wäre. Die schönsten Höfe zieren barocke Lüftlmalereien, damit alle wissen, dass es die Bauersleut zu was gebracht haben.

So ein Schloss traut man sich ohne Erlaubnis gar nicht zu fotografieren. Der Besucher entschließt sich also zum Klingeln, und während er noch überlegt, auf welche Weise er jetzt gleich vom Hof gejagt wird, öffnet ein Mädchen (besser gesagt: Deandl) die Tür und sagt: "D'Mama is ned do, aber de kimmd glei wieda." D'Mama erteilt dann auch sehr freundlich die Fotoerlaubnis. Ihr Hof mit dem Christbaum davor werde schließlich dauernd fotografiert.

Auf der Fahrt Richtung Lenggries springen dann nur noch zwei Rehe über die Straße, dann ist man wieder draußen aus der Jachenau, die eine Nacht lang wieder ganz sich selbst gehört.

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