Neuer VerfassungsschutzberichtBayerns Innenminister warnt vor Extremisten von allen Seiten

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Manfred Hauser (links), Präsident des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, und Innenminister Joachim Herrmann (CSU) stellen den Verfassungsschutzbericht in München vor.
Manfred Hauser (links), Präsident des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, und Innenminister Joachim Herrmann (CSU) stellen den Verfassungsschutzbericht in München vor. (Foto: Hannes Förster/dpa)

Eine Serie von Anschlägen hat das Land in den vergangenen Monaten erschüttert. Bei der Vorstellung des neuen Verfassungsschutzberichts weist Joachim Herrmann vor allem auf die Radikalisierung junger Menschen im Internet hin.

Von Thomas Balbierer

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat am Freitag vor einer gewachsenen Bedrohung durch Extremisten jeglicher Couleur gewarnt. „Die Gefährdungslage hat sich in allen Phänomenbereichen erneut spürbar verschärft“, sagte Herrmann bei der Präsentation des neuen bayerischen Verfassungsschutzberichts in München. Extreme Botschaften würden zunehmend bei jungen Menschen verfangen, darunter auch bei Minderjährigen. Ein Beispiel aus dem Bericht: Ein 16-Jähriger soll im Internet nach einer Bauanleitung für eine im 3D-Drucker herstellbare Maschinenpistole gesucht und einen Anschlag auf einen Polizisten geplant haben.

Besonders junge Menschen ließen sich durch Propaganda und Desinformation auf digitalen Plattformen wie „im Zeitraffer“ radikalisieren, sagte Herrmann. Er forderte mehr Befugnisse für Ermittler, etwa im Bereich künstlicher Intelligenz, sowie einen kritischen Umgang mit Online-Inhalten.

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In den vergangenen Monaten hatten tödliche Anschläge mit mutmaßlich islamistischem Hintergrund Deutschland und Europa erschüttert. Bayerns Innenminister reihte am Freitag die Namen der Städte aneinander, die zuletzt im Fokus von Angreifern standen: Zürich, Mannheim, Solingen, Wien, Rotterdam, München, Villach, Mulhouse, Berlin. Hinter den Anschlägen stünden auffallend oft junge Männer mit Flucht- oder Asylgeschichte. Der Terroranschlag der Hamas auf Israel im Herbst 2023 habe der Gewalt einen massiven Schub verliehen. „Kein Zweifel: Wir befinden uns in einer neuen Welle von dschihadistischen Anschlägen“, sagte Herrmann. Auch die tödliche Messerattacke eines psychisch kranken Geflüchteten auf eine Kita-Gruppe in Aschaffenburg erwähnte der Innenminister am Freitag.

Es spiele für ihn keine Rolle, ob die Taten extremistisch motiviert oder ob psychische Probleme ursächlich seien. „Beide Varianten haben massive Auswirkungen auf unser friedliches Zusammenleben“, so Herrmann. Die Taten, begangen meist von Einzelakteuren ohne Anbindung zu Terrorgruppen, würden in der Bevölkerung Ängste schüren, die Extremisten wiederum für ihre Zwecke nutzen könnten. „Ihr Fernziel ist die Unterhöhlung und Zerstörung der Demokratie.“

Ein Bericht des ZDF warf kürzlich die Frage auf, ob auch Russland eine Rolle bei der Anschlagsserie spielen könnte, die ausgerechnet kurz vor den EU- und Bundestagswahlen stattfand. Dem ZDF zufolge habe es in Russland verdächtige Internet-Suchanfragen mit Täterwissen noch vor der Messerattacke in Mannheim im Mai 2024 gegeben. Bei dem Angriff auf einen Islamkritiker tötete ein mutmaßlicher Islamist einen Polizisten. Herrmann sagte auf Nachfrage, „dass wir bislang keine in irgendeiner Weise belastbaren Erkenntnisse in diese Richtung haben“. Man habe solche Verdachtsmomente früh geprüft. Der Präsident des bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz Manfred Hauser ergänzte, dass die in dem Bericht dargestellte Analyse der Suchbegriffe „keine valide und tragfähige Methode“ sei. Der Zeitstempel von Google-Suchen sei nicht unbedingt exakt. Man müsse aber angesichts der zunehmend feindseligen Aktivitäten Russlands „alles im Blick haben“, sagte Hauser.

Auch den Messerangriff von Aschaffenburg, der von einem psychisch kranken Geflüchteten verübt wurde, hat Innenminister Herrmann erwähnt.
Auch den Messerangriff von Aschaffenburg, der von einem psychisch kranken Geflüchteten verübt wurde, hat Innenminister Herrmann erwähnt. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Neben dem radikalen Islamismus stelle auch der Rechtsextremismus weiterhin eine Gefahr dar, betonte Innenminister Herrmann. Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten ging 2024 im Vergleich zum Vorjahr zwar zurück, von 476 auf 407, darunter 39 Gewalttaten. Allerdings nahm die Zahl der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Personen in Bayern auf 2740 erneut zu. Wie Dschihadisten würden auch Neonazis auf sozialen Plattformen vehement um junge Leute werben. Die subkulturelle Szene entwickle sich weiter.

Der CSU-Politiker ging zum Beispiel auf die Gruppe „Active Club“ ein, die etwa in Franken oder der Oberpfalz hauptsächlich online in Erscheinung tritt. Dem Verfassungsschutzbericht zufolge werden vor allem junge Männer im Kontext von Kampfsport, Fitness und Selbstverbesserung angesprochen. Optisch werden dafür zum Teil KI-generierte Bilder ästhetisch ansprechender Männer eingesetzt, wodurch auch ideologisch die „weiße Überlegenheit“ vermittelt werde.

Seit 2022 beobachtet der bayerische Verfassungsschutz auch die AfD, die bei Wahlen zuletzt große Erfolge erzielte und inzwischen die größte Oppositionspartei im Bundestag und im Landtag ist. Es gebe Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen, ein Beispiel taucht im neuen Verfassungsschutzbericht auf: In einem Facebook-Beitrag der AfD-Kreistagsfraktion Aichach-Friedberg wurde ein Beitrag veröffentlicht, in dem es heißt: „Der Optimist lernt Chinesisch Der Pessimist lernt Arabisch Der Realist lernt Schießen.“ Die Fraktion kommentierte dazu: „Wir wollen doch alle Realisten sein!“

Bayerns Innenminister thematisierte auch linksextreme Aktivitäten und Gewaltaufrufe, die seit den Wahlerfolgen rechter Kräfte und einem empfundenen Rechtsruck zugenommen hätten. Neben der AfD würden auch bürgerliche Parteien für manche Positionen des „Faschismus“ bezichtigt und diffamiert, etwa in der Migrationspolitik.

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