IS-Sympathisant:Kemptener Islamist meldet sich aus Syrien

IS-Sympathisant: Wuchs im Allgäu auf, begann zu studieren - und wurde zum Islamisten: Erhan A. aus Kempten.

Wuchs im Allgäu auf, begann zu studieren - und wurde zum Islamisten: Erhan A. aus Kempten.

(Foto: Matthias Ziegler)
  • In einem Interview mit dem SZ-Magazin hatte der Kemptener Islamist Erhan A. über seine radikalen Ansichten gesprochen - und wurde wenig später in einer Blitzaktion in die Türkei abgeschoben.
  • Nun ist der 22-Jährige offenbar nach Syrien ausgereist, wie er auf Facebook schreibt.
  • A. teilt mit, dass er "so glücklich" sei - und dass er sich nicht dem "Islamischen Staat" angeschlossen habe. Er zeigt sich aber gewaltbereit.

Von Frederik Obermaier

Erhan A. verschwand Ende Mai: Plötzlich war die Facebook-Seite des Kemptener Islamisten offline, sein Handy abgeschaltet. Seine Familie fürchtete, der junge Mann habe sich von der Türkei aus nach Syrien abgesetzt; womöglich gar einer Terrorgruppe angeschlossen. Eine nicht ganz unbegründete Sorge. Nun hat Erhan A. sich auf Facebook zurückgemeldet. Er sei "seit einer gewissen Zeit" in Syrien, behauptet er - und ergänzt: "Ich bin so glücklich hier."

Sollte stimmen, was Erhan A. schreibt - und davon gehen Sicherheitsexperten aus - wäre das der vorläufige Höhepunkt einer Radikalisierung in der bayerischen Provinz. Der Werdegang des Erhan A. wirft zugleich ein besonderes Licht auf den fragwürdigen Umgang der bayerischen Staatsregierung mit jungen Islamisten.

Wie Erhan A. sich radikalisiert

Erhan A. ist 22 Jahre alt. Er kam in der Türkei auf die Welt. Als er zwei Jahre alt war, kam er mit seinen Eltern nach Deutschland, ins Allgäu. Dort besuchte er die Fachoberschule, macht das Abitur, fing ein Wirtschaftsinformatik-Studium an. Dann schloss er sich einer Gruppe junger Muslime an, denen der Koran, wie er in den Kemptener Moscheen gelehrt wurde, schon bald zu liberal war.

Die jungen Männer suchten den Kontakt zu Islamisten in der Bundesrepublik, im Ausland, in Syrien. Der beste Freund von Erhan A. reiste im September 2013 in das Kriegsgebiet - wenige Monate später war er tot, erschossen in der Nähe von Aleppo. Erhan A. sagte später, er habe seinen Freund beneidet. Nachdem er gesehen habe, was mit ihm passiert ist, habe er erst recht in den Krieg ziehen wollen. "Das hat mir so einen richtigen Schub gegeben."

Was er in einem Interview über den IS sagte

Auch Erhan A. versuchte, nach Syrien zu reisen, kurz vor der syrischen Grenze drehte er jedoch um. Zurück in Deutschland gab er dem SZ-Magazin ein Interview. Er kritisierte darin den "Euro-Fake-Islam" vieler Muslime, schwärmte offen von der Terrorgruppe "Islamischer Staat" und phantasierte davon, dass man alle Homosexuellen umbringen könnte. Vor allem ein Satz dieses Interviews blieb in Erinnerung: "Ich würde sogar meine Familie töten, wenn sie sich gegen den Islamischen Staat stellt."

Kurz nach dem Erscheinen des Interviews wird Erhan A. - der nicht vorbestraft war - festgenommen und in einer Blitzaktion abgeschoben. Selbst ein Anruf seines Anwalts beim zuständigen Gericht konnte das Ganze nicht mehr aufhalten, Erhan A. saß bereits im Flugzeug Richtung Türkei.

Während die Innenminister von Bund und Ländern überlegten, wie man junge Menschen daran hindern könnte, nach Syrien zu gehen und sich dort irgendwelchen Terrorgruppen anzuschließen, ließ Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) Erhan A. ausgerechnet in jenes Land fliegen, das für seine durchlässigen Grenzen Richtung Syrien berüchtigt ist. Die Opposition sprach von einem regelrechten "Terrorexport".

Was er von seinem Leben in Syrien berichtet

Erhan A. lebte zunächst bei seinem Onkel in der Nähe der türkischen Provinzhauptstadt Kayseri. Im April scheiterte er mit einer Klage gegen seine Ausweisung vor dem Verwaltungsgericht Augsburg. Der Anwalt von Erhan A. argumentierte damals, es sei nicht "schlüssig", warum Erhan A. - den selbst das Gericht trotz seines türkischen Passes als "faktisch Deutschen" bezeichnete - abgeschoben wurde, nachdem er wenige Monate zuvor noch ein Ausreiseverbot auferlegt bekommen hatte. Am Ende entschieden die Richter jedoch, die Ausweisung sei "rechtlich nicht zu beanstanden". Kurz darauf tauchte Erhan A. in der Türkei ab.

Nach mehreren Wochen ohne ein Lebenszeichen, schrieb er am Donnerstag auf Facebook: "Bin wieder da." Schön sei es in Syrien. Alle Frauen seien verschleiert, jetzt brauche er nur noch eine zum Heiraten. Erhan A. betont aber: Dem "Islamischen Staat" habe er sich nicht angeschlossen. Nichtsdestotrotz soll Erhan A. dem Mainzer FDP-Politiker Tobias Huch, von dem er vor einigen Monaten angezeigt worden war, am Samstag eine deutliche Nachricht geschickt haben: "Wenn ich dich hier in Syrien irgendwie zwischen die Finger kriegen sollte, werde ich dir eigenhändig deinen hässlichen Kopf abschneiden."

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