Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Becker, Genscher und Winnetou: In den Schuhen bekannter Menschen

In Iphofen können dreckige Schuhe bestaunt werden - aber welche mit Geschichte. In der Schuhausstellung sind 80 Schuhe von Sportlern, Politikern und Prominenten zu sehen.

Markus Mergenthaler nimmt einen überwiegend weißen, sichtlich gebrauchten Turnschuh aus einer Vitrine und dreht ihn um. Das Profil der Sohle ist verdreckt. "Da hängt noch Gras dran, Gras von Wimbledon", erzählt der Leiter des Knauf-Museums im unterfränkischen Iphofen stolz. Der dreimalige Wimbledon-Champion Boris Becker, 52, trug die Sportschuhe bei seinem legendären ersten Sieg auf dem heiligen Rasen 1985. Seit 19. Mai werden die eigens für den damals 17-Jährigen angefertigten Sneaker in dem Museum präsentiert - mit rund 80 Exponaten in der Sonderausstellung "Schuh-Stories".

"Es ist keine klassische Schuhausstellung", erklärt der Museumsleiter, "alle Schuhe der Ausstellung erzählen eine Geschichte." Dazu gehören etwa die legendären schwarzen Herrenschuhe des früheren FDP-Chefs Guido Westerwelle (1961-2016), auf deren Sohlen vor der Bundestagswahl 2002 das Wahlziel von 18 (Prozent) prangt. Direkt daneben steht ein Schuh von Westerwelles Parteifreund Hans-Dietrich Genscher (1927-2016). Der frühere Außenminister trug ihn bei seiner berühmten Prager Balkonrede 1989 vor Tausenden DDR-Bürgern. Ausgestellt ist nur der linke Schuh. "Der andere ist verschollen", sagt Mergenthaler. "Es weiß kein Mensch, wo der ist." Die ausgetretenen, braunen Stiefel des Asien-Reisenden und Schriftstellers Heinrich Harrer (1912-2006) erzählen von den Strapazen des Mannes, der seine erste Berühmtheit mit 26 Jahren erlangt. 1938 gehört er zu den vier Bergsteigern, die als erste die fast 2000 Meter hohe Eiger-Nordwand besteigen. Der Museumsleiter verweist auf Spezialschrauben in den Sohlen der Expeditionsschuhe, "weil Kleber sie nicht zusammengehalten hat". Tausende Kilometer und unzählige Bergpässe hat Harrer in den robusten Stiefeln zurückgelegt.

Die Geschichten rund um die Objekte aus Museen und von Privatleuten sind es, die den Kuratoren zu der Schau inspirierten. Zu sehen ist ein Laufschuh von Usain Bolt. Der Jamaikaner gehört zu den erfolgreichsten Athleten der Sportgeschichte. Der 33-Jährige war achtmal Olympiasieger, holte elfmal WM-Gold und hält zudem die Weltrekorde über 100 Meter (9,58 Sekunden) und 200 Meter (19,19). Ein roter Sportschuh erinnert an die Erfolge des früheren Formel-1-Rennfahrers Michael Schumacher. Gezeigt werden ein Schuh der brasilianischen Fußball-Legende Pelé und einer von Fußball-Weltmeister Bastian Schweinsteiger. An der Seite des eigens für den heute 35-Jährigen produzierten Stollenschuhs ist der Schriftzug "Sarah" eingestickt - in Erinnerung an seine damalige Freundin.

Auch Stücke aus Film und Fernsehen hat das Museum zusammengetragen. Aschenbrödels Schuh aus dem deutsch-tschechischen Märchenfilm von 1972/ 1973 "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" ist darunter. Oder Original-Stilettos der amerikanischen Schauspielerin Judy Garland (1922-1969). Lederstiefel des Apachenhäuptlings Winnetou finden sich neben aufwendig verzierten Mokassins nordamerikanischer Ureinwohner, die Schriftsteller Karl May (1842-1912) von einer Reise mitbrachte.

Beklemmend ist der Anblick farbenfroher Lotus-Schuhe aus China. In die seidenen Stücke mussten Frauen noch bis Anfang des vergangenen Jahrhunderts ihre durch Knochenbrüche und Abbinden deformierten Füße zwängen - unter massiven Qualen. Vornehmlich wohlhabende Leute steckten ihre Liebsten in die als erotisch geltenden Schühchen, wie Mergenthaler erzählt. "Gehen war damit nahezu unmöglich." Lederne Schnabelschuhe aus dem Mittelalter zeugen davon, wie bedeutend das meist einzige Paar war, was die Menschen damals besaßen. "Umso länger die Schnäbel waren, umso reicher war der Besitzer."

Nach Museumsangaben werden weltweit mehr als 20 Milliarden Paar Schuhe pro Jahr produziert. Laut Bundeswirtschaftsministerium sind es alleine in Deutschland etwa 20 Millionen Paar. In vielen Haushalten türmen sich Turnschuhe in unzähligen Farben, High Heels in schwinderregender Höhe und Stiefel für jede Jahreszeit, sodass manche Schuhschränke überquellen. Mergenthaler fühlt sich angesichts dieser Entwicklung wie ein Exot: "Ich habe nur sieben Paar."

Die Ausstellung läuft bis 8. November.

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