Inzest-Fall von Willmersbach:Staatsanwaltschaft fordert 14 Jahre Haft für Vater

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Fast 34 Jahre dauerte das Martyrium einer Frau aus Franken, 500 Mal soll ihr Vater sie vergewaltigt haben. Für die Staatsanwaltschaft ist die Tat bewiesen. Sie fordert eine hohe Haftstrafe und Sicherungsverwahrung. Der Verteidiger beharrt darauf, dass der Geschlechtsverkehr einvernehmlich gewesen sei.

Fast 500 Mal soll er seine Tochter vergewaltigt haben. 34 Jahre lang. Nun wurden im Fall von Adolf B. aus Willmersbach nach knapp zwei Prozesswochen vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth die Plädoyers gehalten. 14 Jahre Gefängnis beantragte Staatsanwältin Beate Frasch; zudem die anschließende Sicherungsverwahrung für den 69-Jährigen. Die Aussage des Angeklagten, wonach die intime Beziehung einvernehmlich gewesen sei, bezeichnete sie als "völlig abwegig".

Inzest-Prozess am Landgericht Nürnberg-Fürth: Die Staatsanwaltschaft fordert 14 Jahre Haft und Sicherungsverwarhrung für den Mann, der seine Tochter über 30 Jahre lang vergewaltigt haben soll. (Foto: dapd)

Sie spricht von einem unfassbaren Fall. Das heute 46-jährige Opfer sei in einem Klima der häuslichen Gewalt groß geworden und jahrelang ohnmächtig und hilflos gewesen, auch aus Scham. Die Frau hat von ihrem Vater drei behinderte Söhne zur Welt gebracht. Zwei der Kinder sind bereits verstorben.

Die Anwältin der Tochter schloss sich dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft an. Sie warf die Frage auf, ob das Opfer nicht sogar am Stockholm-Syndrom leide. Der Begriff wird meist in Zusammenhang mit Entführungsopfern gebraucht, die ein emotional positives Verhältnis zu ihren Peinigern entwickelt haben.

Der Verteidiger des Angeklagten weist indes die Vorwürfe der Anklage zurück. "Es bestand Einvernehmen darüber, dass bei jeder sich bietenden Gelegenheit Geschlechtsverkehr ausgeübt wurde". Sein Plädoyer: maximal fünf Jahre Haft für den Vater.

Zum Prozessauftakt hatte der 69-Jährige zwar die sexuellen Kontakte zu seiner Tochter zugegeben, aber von einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gesprochen. Er hatte ausgesagt, dass die Initiative zum gemeinsamen Sex fast immer von ihr ausgegangen sei. Beim ersten Mal soll Renate B. nach seinen Angaben knapp 17 Jahre alt gewesen sein.

Bekannt geworden war der Inzest-Fall, nachdem sich die Tochter ihrer Bewährungshelferin anvertraut hatte. Die 46-Jährige hatte ausgesagt, von ihrem Vater bis kurz vor seiner Festnahme im März 2011 regelmäßig missbraucht und dabei auch geschlagen und mit einem Messer bedroht worden zu sein. Er habe ihr damit gedroht, sie umzubringen, wenn sie etwas verrate. Hätte sie nicht geschwiegen, "wäre der Teufel los gewesen".

Der Missbrauch durch ihren Vater sei in ihrer Familie bekannt gewesen. Beim ersten Geschlechtsverkehr im elterlichen Schlafzimmer habe sogar die Mutter im gleichen Bett gelegen.

Ein als Zeuge geladener Arzt des Opfers hatte erklärt, er habe von dem Inzest nichts gewusst. Auf die Vorhalte der Staatsanwältin, wonach er in einem Arztbrief nach dem Tod des jüngsten Sohnes von Renate B. darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass es sich um ein Inzest-Baby gehandelt haben könnte, entgegnete er, daran könne er sich nicht erinnern. Nachgehakt habe er nicht.

Die behandelnde Frauenärztin ging Anzeichen für einen Missbrauch ebenfalls nicht nach. Auch die Behörden sollen bereits Anfang der 1990er Jahre von einem entsprechenden Verdacht gewusst haben. Sie hätten jedoch abgelehnt, den in der Bevölkerung kursierenden Gerüchten nachzugehen, berichtete ein Zeuge.

Auch nach Aussagen anderer Zeugen kursierten seit Mitte der 1980er Jahre Gerüchte in der Region, dass der Vater regelmäßig Sex mit seiner Tochter habe. Dabei sei auch von Vergewaltigungen die Rede gewesen.

Wortkarg gaben sich auch die Familienangehörigen. Sowohl die Ehefrau des 69-Jährigen als auch seine drei Söhne machten von ihrem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern. Beim Betreten des Gerichtssaals gingen die Söhne auf den Angeklagten zu und begrüßten ihn mit den Worten "Grüß Dich, Papa".

Ein psychiatrischer Gutachter bescheinigte Adolf B. unterdessen volle Schuldfähigkeit. Der Angeklagte zeige zwar psychiatrische Auffälligkeiten, aber in keinem strafrelevanten Maß, sagte Psychiater Michael Wörthmüller. Er schilderte den 69-Jährigen als "leicht unterdurchschnittlich intelligent", aber nicht gestört oder abnorm. Allerdings bestehe eine "sehr hohe Wahrscheinlichkeit", dass er solche Taten in ähnlichen Situationen wiederhole.

Das Urteil wird für kommenden Montag erwartet.

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