Interessensgemeinschaft fürs Tanken:Voll bis zum Rand

Eine Interessengemeinschaft bietet ihren Kunden an freien Tankstellen günstigen Sprit an. Zum Tagespreis können sich Autofahrer dort einen Vorrat anlegen. Auch in anderen Geschäften soll man künftig den billigen Treibstoff kaufen können - in Bäckereien zum Beispiel.

Von Alexander Kappen

"Toller Start in die Woche", schrieb Dominikus Hörnlein dieser Tage auf der Facebookseite seiner freien Tankstelle. Er bot dort den Liter Diesel für 1,29 Euro an, Super für 1,44 und Super E10 für 1,40. Jeweils versehen mit dem Vermerk: "Einlagerungsdauer acht Wochen."

Hörnleins Kunden können an Tagen mit günstigen Spritpreisen nicht nur ihr Auto mal schnell voll tanken, sondern haben die Möglichkeit, sich zu diesem Tagespreis ein größeres Treibstoffkontingent zuzulegen. Dieses wird dann bis zu acht Wochen eingelagert und kann nach und nach verbraucht werden. Theoretisch an allen freien Tankstellen in Deutschland. Einzige Voraussetzung: Sie muss irgendwann einmal an dem Anfang März gestarteten Tankstellenprogramm der in Weilheim ansässigen VTM Fair GmbH teilnehmen.

Die VTM bezeichnet sich als "Interessensgemeinschaft von Autofahrern, dem mittelständischen Energiehandel und freien Tankstellen". Zusammen mit ihrem Partner, der Swiss Kiss Petrol AG, hat sie den marktbeherrschenden Mineralölkonzernen den Kampf ansagt. Die VTM möchte den "ungerechtfertigten Hochpreisphasen und Ferienpreiserhöhungen" an deutschen Tankstellen sowie den "willkürlich und künstlich gemachten" Tagespreisschwankungen den Garaus machen.

Auch andere Geschäfte sollen das Benzin anbieten

Dominikus Hörnlein betreibt im oberbayerischen Moosburg eine von deutschlandweit zwei Pilottankstellen. Die zweite steht in Dietfurt in der Oberpfalz. Demnächst sollen 20 weitere dazu kommen. Theoretisch, sagt VTM-Sprecher Stefan Rettberg, könne man innerhalb weniger Minuten mehr als 3000 Tankstellen in Deutschland in das Programm aufnehmen und an das von der Swiss Kiss AG in einer dreijährigen Vorlaufphase entwickelte System anschließen. Dieses läuft über eine eigene Tankkarte, die die Kunden nach der Registrierung bekommen. Den Sprit kann man über die Internetseite vtm-fair.de, per SMS oder an sogenannten Points of Sale kaufen. Geplant ist, auch Geschäfte - beispielsweise Bäckereien - mit der Technik auszustatten, sodass man künftig beim Semmelnholen Benzin kaufen kann.

Um das System nutzen zu können, müssen die Tankstellenkunden eine Jahresgebühr von 19 Euro entrichten. Ein Betrag, den man laut Rettberg schnell wieder reingeholt hat, weil die VTM-Tankstellen günstige Endpreise anbieten können. Etwa dadurch, dass die Transaktionskosten wegfallen, die von Banken für das Bezahlen mit EC- und Geldkarten erhoben werden. Für die freien Tankstellenbetreiber entfällt die Vorfinanzierung des Kraftstoffes, weil sie ihn erst kaufen, wenn ihn der Kunden bezahlt hat. Auch die Versicherungen für mögliche Ausfallforderungen ihrer Lieferanten sind nicht mehr nötig. Die Mahnungskosten für säumige Kunden, die bislang bei den Freien oft erst am Monatsende zahlen mussten, fallen ebenfalls weg.

Der Wettbewerb ist härter denn je

Interessensgemeinschaft fürs Tanken: Domimikus Hörnlein betreibt im oberbayerischen Moosburg eine von deutschlandweit zwei Pilottankstellen, die Benzin nicht nur kurzfristig günstiger anbieten.

Domimikus Hörnlein betreibt im oberbayerischen Moosburg eine von deutschlandweit zwei Pilottankstellen, die Benzin nicht nur kurzfristig günstiger anbieten.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die VTM, die mit einem schlanken Verwaltungsapparat die eigenen Kosten niedrig hält, sieht sich und die Teilnehmer des Programms als eine Art große Tankstelle, die künftig in ganz Deutschland so etwas wie ein Filialnetz unterhalten will. Die Betreiber der freien Tankstellen, sagt Rettberg, würden dann nicht mehr gezwungen sein, die von den großen Mineralölkonzernen diktierten Tagespreisschwankungen mitzugehen. Diese lägen derzeit bei bis zu zwölf Cent. Und das, obwohl die Einkaufspreisschwankung etwa im Februar nur zwei Cent betragen habe. Die Freien, "die eh alle überschuldet sind und ums Überleben kämpfen", müssten derzeit noch die abendlichen Niedrig-Kampfpreise, die oft die Unkosten nicht deckten, mitgehen. Im Gegensatz zu den Konzerntankstellen könnten "sie das aber nicht kompensieren" und von den großen Konkurrenten somit "sanktioniert" werden.

Beim deutschen Mineralölwirtschaftsverband MWV, dem Firmen wie BP, Shell, Esso oder Total angehören, haben sie eine andere Erklärung. "Die Tagespreisschwankungen sind gerade das Resultat des Wettbewerbs, der härter ist denn je", sagt MWV-Sprecher Alexander von Gersdorff. Obwohl der Kraftstoffabsatz seit zehn Jahren schrumpfe, sei die Zahl der Tankstellen in etwa gleich geblieben. Derzeit gibt es in Deutschland gut 14 600 Stationen, rund 3500 sind Freie. Der Konkurrenzkampf um die Kunden werde über den Preis geführt, "die Tankstellen unterbieten sich gegenseitig, wodurch der Benzinpreis über den Tag mehr und mehr abbröckelt", sagt von Gersdorff. Weil dann "die Vertriebskosten nicht mehr gedeckt sind, müssen die Tankstellenpreise am Abend wieder angehoben werden, sodass am nächsten Morgen der Preiskampf von vorne beginnt".

Dominikus Hörnlein und seine Partner von der VTM sehen das anders. Sie sind zuversichtlich, den Preiskampf inklusive der hohen Tagesschwankungen einschränken zu können. Einen Monat nach Beginn des Tankstellenprogramms sind Hörnleins Erfahrungen "durchwegs positiv", wie er berichtet: "Die ersten Bestellungen und Tankungen laufen natürlich auch schon."

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