Wirtschaft in Bayern:Kommt die Chipfabrik nach Penzing?

Die Ursache für die Belastung des Wassers liegt auf dem ehemaligen Bundeswehr Fliegerhorst in Penzing. Dort ist lange Löschschaum mit dem mittlerweile vebrotenen Zusatz PFOS verwendet worden, welches unkontrolliert ins Grundwasser sickert.

Auf dem ehemaligen Bundeswehr Fliegerhorst in Penzing könnte eine Halbleiter-Fabrik von Intel entstehen.

(Foto: Sophie Linckersdorff)

Bei Landsberg könnte die "Mega-Fab" von Intel entstehen, halb so groß wie die Stadt selbst. Bei den einen sorgen die Pläne für Hoffnungen - bei den anderen für Sorgen.

Von Maximilian Gerl, Penzing

Wenn es um die Ausmaße geht, die rund um Landsberg am Lech für Hoffen und Bangen sorgen, fehlen mitunter die Worte. Gabriele Triebel entscheidet sich schließlich für "Gigant". Schon jetzt kämpfe die Region mit all den Nebenwirkungen des wirtschaftlichen Erfolgs, sagt die örtliche Landtagsabgeordnete der Grünen am Telefon: Menschen fänden keine bezahlbaren Wohnungen mehr, Handwerker keine Leute, es herrsche faktisch Vollbeschäftigung. Und dann trotzdem eine riesige Fabrik bauen, in der einmal Tausende Menschen arbeiten sollen? "Das sind Dimensionen", sagt Triebel, "die kann man sich gar nicht mehr vorstellen."

Wirtschaft in Bayern: Intel-Chef Pat Gelsinger spricht bei den Plänen zu mehreren Halbleiter-Fabriken von einer "Mega-Fab".

Intel-Chef Pat Gelsinger spricht bei den Plänen zu mehreren Halbleiter-Fabriken von einer "Mega-Fab".

(Foto: Walden Kirsch/Intel Corporation)

Ein Riesending wäre es tatsächlich, sollte Penzing bei Landsberg den Zuschlag für eine neue Chipfabrik von Intel erhalten. Zum einen sind solche Werke hierzulande rar gesät, während der Mangel an Halbleitern die Industrie derzeit verzweifeln lässt. Zum anderen wäre die Anlage wahrhaft groß. "Im ersten Schritt bauen wir zwei Fabriken", sagte Intel-Chef Pat Gelsinger im September in einem FAZ-Interview, das seitdem überall als Maßstab herhalten muss. "In den nächsten Schritten dann eine dritte, eine vierte, fünfte, sechste, siebte und achte. Jede dieser Fabriken ist riesig, und alle zusammengenommen bilden sie die Mega-Fab." Hightech auf geschätzt 500 Hektar. Zum Vergleich: Penzing kommt auf rund 90 Hektar bebaute Fläche, das benachbarte Landsberg auf etwa 1000 Hektar. Und das BMW-Werk in Dingolfing, Bayerns wahrscheinlich bekannteste Industrieanlage, umfasst 280 Hektar.

Noch weiß freilich niemand, ob die "Mega-Fab" in Penzing je Realität werden wird. Intel hält sich bedeckt. Der US-Konzern will sein Europa-Geschäft ausbauen. Von rund 70 möglichen Standorten blieb eine Handvoll übrig. Man führe "vertrauliche Gespräche", sagt eine Unternehmenssprecherin, eine Entscheidung soll noch in diesem Jahr fallen. Bis dahin bleiben in Penzing die Fragezeichen zum Projekt fast so groß wie dieses selbst. Und die Sorgen. Nicht nur Triebel ist skeptisch. Sie würde es zwar begrüßen, wenn Intel nach Bayern und Deutschland käme. Aber zuvor müsse man prüfen, ob nicht andere Regionen als Standort besser geeignet seien. Was eine Ansiedlung in der "überhitzten" Metropolregion München angehe, "überwiegen für mich die Nachteile".

Umweltschützer haben bereits Bedenken angemeldet

Gesichert ist eigentlich nur, wo alles mal beginnen könnte: im Fliegerhorst Penzing. Die Bundeswehr geht, zurück bleibt Leere. Wie man die für die Zukunft am besten nutzt, ist ein großes Thema in dem 4000-Seelen-Ort. 90 Prozent des Areals gehören zur Gemeinde Penzing, die übrigen zehn Prozent zur Stadt Landsberg. Dort sieht ein Stadtratsbeschluss von Ende Oktober vor, die Flächen "qualitätsvoll" zu überplanen. "Aufgrund der hohen städtebaulichen Bedeutung und des möglichen Innovationspotenzials wird diese Entwicklung einen Impuls für den Landkreis und die Region auslösen."

Doch genau dieser "Impuls" macht vielen in der Region Sorge, nicht nur wegen ohnehin steigender Wohn- und Bodenpreise. Auch Umweltschützer haben öffentlich bereits Bedenken angemeldet: Denn der ehemalige Fliegerhorst umfasst 270 Hektar, also etwa die Hälfte der benötigten Fläche. Sollte es bei den 500 Hektar für die Fabrik bleiben, müsste die andere Hälfte also in der Umgebung akquiriert werden. Wiesen würden dann versiegelt und Versickerungsflächen für Starkregen wegfallen, so eine Befürchtung örtlicher Bund-Naturschutz-Vertreter. Weil außerdem die Produktion von Halbleitern viel Wasser verbraucht, könne das den Wasserhaushalt in der gesamten Umgebung belasten.

Für andere steht das Potenzial im Vordergrund. Bürgermeister Peter Hammer (CSU) hält sich bei Anfragen zu dem Thema zwar ebenfalls bedeckt. Per E-Mail verweist er aber auf eine Stellungnahme im örtlichen Kreisboten. "Falls Intel sich tatsächlich für Penzing als Standort entscheiden sollte", heißt es da, "werden Themen wie Flächenbedarf und Fachkräfte dann in enger Abstimmung zwischen staatlicher, kommunaler und Unternehmensseite zielorientiert geklärt werden." Die infrastrukturellen Herausforderungen habe man im Blick, die Ansiedlung könne "eine enorme Chance für die Region darstellen".

Immer mehr Produkte benötigen Chips

Auch die Staatsregierung hofft auf Zuschlag, auch für sie wäre eine Chipfabrik ein Riesending. Digitalisierung, Hightech, Leuchtturmprojekt - da steckt alles drin, von dem Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) gerne sprechen. Nicht zu vergessen der Werbeeffekt für den Wirtschaftsstandort Bayern: Dass Projekte dieser Größenordnung weit über die Landesgrenzen strahlen, merken sie in Brandenburg, wo Tesla in einer "Gigafactory" E-Autos im großen Stil produzieren will. Wobei, was heißt groß, verglichen mit dem, was in Penzing wachsen könnte? "Nur" knapp 300 Hektar hat Tesla damals gekauft. Die Staatsregierung musste sich daraufhin Kritik anhören, warum sie das Werk nicht nach Bayern geholt habe. Ein Intel-Deal gäbe nun die passende Antwort: Seht her, wir können immer noch eine Nummer größer.

Allerdings muss in Penzing nicht real werden, was für die einen Traum und die anderen Albtraum ist. Vielleicht löst sich der Konflikt auch einfach auf, weil anderswo die Bedingungen besser sind. Neben ausreichend Platz werden Fachkräfte für die Halbleiterproduktion gesucht. Die fänden sich in der weiteren Umgebung, etwa bei Infineon in Neubiberg oder Texas Instruments in Freising. Oder in Dresden. Die sächsische Landeshauptstadt mit ihrem Halbleiter-Ökosystem gilt als der große Wettbewerber im Auswahlverfahren. Im "Silicon Saxony" arbeiten rund 60 000 Menschen, unter anderem Infineon und Bosch betreiben Werke, Institute forschen. Daneben hängt viel von den finanziellen Rahmenbedingungen ab. Die geplante Gesamtinvestition beläuft sich auf "80 Milliarden Euro innerhalb der nächsten zehn Jahre" - so schreibt es Intel-Deutschland-Chefin Christin Eisenschmid in einem Online-Beitrag. Ein Teil davon könnte aus den von der EU geplanten milliardenschweren Förderprogrammen kommen. Aktuell stammen nur knapp zehn Prozent der weltweiten Halbleiterproduktion aus Europa. Das will Brüssel ändern, um die Wirtschaft resistenter gegenüber Logistikproblemen und Handelskonflikten zu machen. Immer mehr Produkte benötigen Chips, ob Spülmaschinen, Lüftungsanlagen oder Autos. Auch für die Industrie sind die vermeintlich kleinen Teile längst ein Riesending. Erst am Donnerstag brachten die Freien Wähler im Landtag deshalb einen Dringlichkeitsantrag zur Versorgungslage der bayerischen Halbleiter-Industrie ein.

Bei einer Entscheidung pro Penzing hat der Freistaat bereits signalisiert, sich ebenfalls in puncto Unterstützung nicht lumpen lassen zu wollen. Ob das reicht, um gegen die Konkurrenz zu bestehen? Sogar im grundsätzlich optimistischen Wirtschaftsministerium geht man davon aus, dass es eng wird. Gabriele Triebels Prognose: "fifty-fifty."

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