"Integreat":Smartphone-App für Flüchtlinge
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Ein Handy-Programm soll Asylbewerbern helfen, sich in Deutschland zurechtzufinden - Augsburg ist die Pilotstadt
Von Stefan Mayr, Augsburg
Julia Hüther ist bei der Stadt Augsburg für die Verteilung der Flüchtlinge zuständig. Kein leichter Job, etwa 3000 Asylbewerber leben derzeit in der drittgrößten Stadt Bayerns. 500 davon sind unbegleitete Minderjährige. "Irgendwann haben wir festgestellt, dass wir dringend ein mehrsprachiges Informationsangebot brauchen", sagt die Mitarbeiterin des Sozialreferats. "Wir hatten uns das zunächst auf Papier vorgestellt", erzählt sie lächelnd, "aber die Jungs um Daniel Kehne haben uns dann gleich auf Vordermann gebracht." Deshalb bietet die Stadt Augsburg nun eine Smartphone App an, in der Flüchtlinge die wichtigsten Informationen abrufen können. Das Handy-Programm gibt es in fünf Sprachen - in Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch und Farsi.
Die App trägt den Namen "Integreat", sie wurde ehrenamtlich programmiert von Studierenden der Universität Augsburg und der TU München. Initiator Daniel Kehne definiert das Projekt als "digitalen Alltagshelfer für Asylsuchende". Das Programm soll den Neuankömmlingen alle Fragen beantworten, die sich ihnen in der fremden Umgebung stellen. Wie lauten hier die Notrufnummern? Zu welchem Arzt kann ich gehen? Wo kann ich deutsch lernen? Wie funktioniert das mit den Straßenbahnen und Bussen? "Diese App ermöglicht den Ankömmlingen, Deutschland und Augsburg zu verstehen", sagt Augsburgs dritter Bürgermeister Stefan Kiefer (SPD), "das ist Hilfe zur Selbsthilfe und deshalb bin ich sehr froh, dass wir dieses Angebot jetzt haben."
Das Programm unterstützt nicht nur die Asylbewerber bei ihren ersten Schritten in die neue und fremde Umgebung, sie erleichtert auch den Bediensteten der Stadt und den ehrenamtlichen Helfern die Arbeit. "Angesichts der Flüchtlingszahlen können wir allen Anforderungen gar nicht gerecht werden", sagt Sozialreferent Kiefer. Aufgrund der angespannten Personalsituation sei er froh um jedes Instrument, dass den Betreuern und Helfern Arbeit abnehme. "Jetzt können wir die Informationen ganz einfach aktualisieren und die Flüchtlinge können sie sofort abrufen." Das sei vor allem für die zahlreichen Asylbewerber in den dezentralen Unterkünften wichtig, die keine Ansprechpartner wie Hausmeister oder Vertreter von Hilfsorganisationen in der Nähe haben. Julia Hüther weiß aus eigener Erfahrung nur zu gut: Einer Flüchtlingsfamilie, der man eine Wohnung zuweist, kann man nur einen Bruchteil aller nötigen Informationen mitgeben. Doch fortan können sich die Asylbewerber einfach die App herunterladen - danach sind die Informationen auch ohne Internetzugang in allen Sprachen abrufbar.
Unterstützt wird das Projekt der Studenten vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der TU München, vom Elite-Studiengang Finanz- und Informations-Management an der TUM und der Uni Augsburg sowie vom Augsburger Verein "Tür an Tür", der sich für Migranten und Asylbewerber einsetzt. "Augsburg ist unsere Pilotstadt", sagt Daniel Kehne. Ihm zufolge laufen bereits Gespräche mit anderen Kommunen aus ganz Deutschland, die die App ebenfalls anbieten wollen. In Bad Tölz gibt es bereits eine Variante, die bislang allerdings nur in deutscher Sprache läuft.
Angelegt ist die App als offene Plattform, die alle Hilfsorganisationen auf ihrem PC über ein gewöhnliches Textverarbeitungsprogramm füttern können. Die Texte werden dann vom Sozialreferat der Stadt geprüft, von ehrenamtlichen Dolmetschern übersetzt und von den Informatikern auf die App gespielt.
Es gibt bundesweit bereits ähnliche App-Angebote. Das Besondere an "Integreat" ist nach Daniel Kehnes Angaben der lokale Bezug. In jeder Kommune könnten die jeweiligen Behörden und Hilfsorganisationen ihre Angebote einspeisen. "In der App finden sich auch Freizeitmöglichkeiten und Kontakte zu anderen Flüchtlingen vor Ort ", sagt Andreas Bärnreuther von "Tür an Tür". Die App ist kostenlos, funktioniert bislang allerdings nur mit dem Android-Betriebssystem. "Grund hierfür ist, dass 70 Prozent der Flüchtlinge ein Android-Handy haben", sagt Daniel Kehne. Doch bereits Anfang 2016 soll das Programm auch auf allen anderen Betriebssystemen laufen.