Instrumente aus Franken:Bayerns bester Beckenbauer

Instrumente aus Franken: Auch Florian Daun von den Fantastischen Vier trommelt auf Meinl.

Auch Florian Daun von den Fantastischen Vier trommelt auf Meinl.

(Foto: Marco Hammer)
  • Die Firma Meinl stellt Becken für Schlagzeuger oder Orchester her und vertreibt Perkussionsinstrumente sowie Schalen oder Gongs für die Musiktherapie.
  • Weltstars kaufen in Mittelfranken ein - und kehren dann gern im Wirtshaus des kleinen Ortes ein.
  • Nach Höhen und Tiefen ist das Unternehmen gut im Geschäft - weltweit ist Meinl die Nummer zwei der Branche.

Von Anna Günther, Gutenstetten

Niemand würde vermuten, dass es in den grauen Hallen im Erlanger Hinterland glitzert und glänzt wie in einer Schatzkammer. Gutenstetten, eine 1300-Einwohner-Gemeinde in Mittelfranken. Am Ortsrand, hinter Wiesen und dem Fluss Aisch, liegt das Lager der Firma Meindl. Bis unter das Dach stapeln sich golden glänzende Scheiben, mal schimmern sie etwas silbriger, mal rötlich. Sogar die Abfallspäne aus Bronze lassen an Weihnachten und Engelshaar denken. Der Ort wirkt verschlafen, das Gasthaus gegenüber dem Lager hat an diesem Tag geschlossen. Doch sogar in Erlangen hört man Geschichten von Weltstars, die ab und zu beim Wirt sitzen.

Die Firma Meinl stellt Becken für Schlagzeuger oder Orchester her und vertreibt Perkussionsinstrumente sowie Schalen oder Gongs für die Musiktherapie. Die Becken made in Mittelfranken bringen Musiker aus aller Welt in die Provinz. Der Welt-Beckenmarkt wird von vier Firmen beherrscht, Meinl Cymbals gehört dazu. Im Gebäude hängen Dutzende signierte Scheiben an den Wänden. Die Namen lesen sich wie Charts. Rammstein, Annett Louisan, Tokio Hotel. Auch Florian Dauner, der für die Fantastischen Vier trommelt, nutzt mittelfränkische Becken. Norbert Saemann unterscheidet diese Band-Drummer von "Drummers-Drummern" wie Benny Greb, Wolfgang Hafner oder Thomas Lang, die solo auftreten und zu den besten Schlagzeugern der Welt gehören.

Prominente Schlagzeuger im Wirtshaus

Wenn diese Idole Meinl-Becken spielen, hat Saemann seinen Job richtig gemacht. Er kam als Hobby-Schlagzeuger zur Firma und machte eine Lehre als Groß- und Außenhandelskaufmann. Vor 25 Jahren war das, heute kümmert er sich um den Bereich Becken, Marketing, Entwicklung und den Kontakt zu den Künstlern. Mit Jens Herz von den Bamberger Symphonikern tüftelte Saemann lange an klassischen Symphonic-Becken, heute spielen die Münchner Philharmoniker und andere deutsche Rundfunkorchester Meinl.

Die besten Schlagzeuger bekommen Equipment, Service und mit dem 2005 gegründeten Meinl-Drum-Festival auch eine Plattform, um sich zu präsentieren. Dafür wirbt die Firma dann mit deren Namen. Und bei Saemann bricht schon mal der Jagdtrieb durch. Wie bei Anika Nilles, einer 30-jährigen Mannheimerin. "Die spielt wie ein junger Gott. Als ich sie zum ersten Mal hörte, hat sie nicht Meinl gespielt. Drei Tage später war das anders", sagt der 43-Jährige. Auch Nilles wird am 27. Juni spielen, wenn in Gutenstetten 2000 Schlagzeuger aus aller Welt ihren Helden zujubeln. Nach Mexico City, Moskau und Göteborg findet das Festival wieder in der fränkischen Heimat statt.

150 Leute arbeiten für die Roland Meinl Musikinstrumente GmbH. 18 Serien mit gut 500 verschiedenen Modellen gibt es im Sortiment. "Als eigener Name sind wir die Nummer zwei in der Welt", sagt Firmeninhaber Reinhold Meinl. Die Nummer eins: Zildjian aus den USA - "die haben halt 300 Jahre mehr Erfahrung im Beckenbau". Meinl saß schon als Kleinkind zwischen glänzenden Scheiben. 1951 gründete sein Vater Roland die Firma und hämmerte die Becken jahrelang selbst. Als junger Mann war er mit seiner Familie aus dem Sudetenland vertrieben worden und hatte sich nahe Würzburg niedergelassen. Roland Meinl hatte den Beruf des Instrumentenbauers gelernt und sich in Neustadt an der Aisch selbständig gemacht. Teures Profi-Equipment gab es, günstige Einsteiger-Becken fehlten. Meinl sah eine Marktlücke und baute auf Becken-Herstellung und Vertrieb anderer Instrumente.

Mehr Menschen denn je spielen Schlagzeug

Die günstigen Modelle begründeten den Erfolg. Das Image des Billig-Beckenbauers loszuwerden und von Profi-Drummern ernst genommen zu werden, dauerte. Mitte der Achtziger begannen auch die anderen Hersteller, Anfänger-Equipment zu produzieren. Die Existenz der Franken war bedroht und Meinl beschloss, ins Profi-Geschäft einzusteigen. 1994 übernahm Reinhold Meinl das Unternehmen und setzte alles daran, die Marke zu stärken. Er stoppte die Auftragsarbeiten für andere Firmen, konzentrierte sich auf die Entwicklung. "Aber wir haben jahrelang mehr investiert, als wir verdient haben", sagt er.

Instrumente aus Franken: Zahlreiche Arbeitsschitte sind nötig, bis alles richtig klingt.

Zahlreiche Arbeitsschitte sind nötig, bis alles richtig klingt.

(Foto: Meinl)

Der Umschwung kam 1998. Zwei türkische Geschäftsmänner standen vor der Tür und boten an, Becken für Meinl zu bauen. Erst mit dieser Zusammenarbeit gelang 2000 der Durchbruch. "Plötzlich wurden wir auf den Messen ernst genommen", sagt Meinl. Die Becken-Rohlinge kommen bis heute aus den Werken in der Türkei, der klangliche Feinschliff wird in Gutenstetten gemacht. Ein Teil der Profi-Becken hämmern die türkischen Schmiede von Hand. Im Orient liegt der Ursprung der Beckenschmiedekunst. "Das können sie einfach. So wie wir gute Autos bauen, machen die Türken gute Becken", sagt Marketing-Mann Saemann.

Die Rohlinge kommen aus der Türkei

Das Rohmaterial kommt als Klotz aus Süddeutschland, in der Türkei wird die Bronze gegossen und so lange ausgewalzt und wieder erhitzt, bis dünne Scheiben entstehen. Das Metall wird in Form gehämmert, bevor die Becken abgedreht werden. Dabei fräst ein Stahlstück Rillen in die Bronze und macht sie leichter. Den Unterschied im Klang machen Legierung, Oberfläche und Dicke der Bronze. Die Zusammensetzung von Kupfer und Zinn ist entscheidend für den Ton. Je höher der Kupferanteil, desto rötlicher wird das Metall und desto durchdringender der Klang. "Das ist wie ein weinendes Baby auf einem Bahnsteig voller Menschen", sagt Saemann, "das hört man". Zinn ist heller, die Becken glänzen silbrig, sind weicher und flexibler - der Klang fügt sich ein.

Instrumente aus Franken: Und dann kommen die Instrumente auch in großen Orchestern zum Einsatz.

Und dann kommen die Instrumente auch in großen Orchestern zum Einsatz.

(Foto: Meinl)

In Gutenstetten werden die Rohlinge maschinell bearbeitet. Mit jedem Schlag donnern 60 Tonnen auf Bronze, entsprechend laut ist es in der Fertigung. Nach dem Polieren und Reinigen werden die Becken lackiert, kontrolliert und mit Logo versehen. 1000 Becken stellt Meinl pro Tag in Gutenstetten her, in der Türkei brauchen zehn Schmiede dafür einen Monat. Die Produktion in Deutschland läuft in zwei Schichten, die Nachfrage könne kaum befriedigt werden, sagt Saemann. Der größte Markt ist Nordamerika, ein Drittel der Becken geht dorthin, gefolgt von Europa und dem deutschsprachigen Raum.

Die Musikindustrie klagt über fehlende Einnahmen, die Instrumente-Produktion betrifft das nicht. Mehr Leute denn je spielen Schlagzeug. Meinl blickt entspannt in die Zukunft, Sohn Alexander, 27, engagiert sich schon in der Firma. Wichtig für den Erfolg sei das Internet, das die Musikindustrie so verflucht. Meinl stellt Festival-Clips oder Klangproben ins Netz, das vereinfacht den Kauf und bringt PR. Die Wirtschaftskrise ist spurlos an der Firma vorbei gegangen. "Wir haben auch überlegt, wieso", sagt Saemann. Aus seiner Sicht ist es ganz einfach: "Wenn es den Menschen schlecht geht, machen sie Musik, weil es ihnen dann gut geht. Und wenn es ihnen gut geht, machen sie sowieso Musik."

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