Süddeutsche Zeitung

Innere Sicherheit:Der Versuch, Terror zu unterstützen, soll strafbar werden

  • Seit gut eineinhalb Jahren gibt es in Bayern die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET).
  • Nun zieht Justizminister Winfried Bausback Bilanz: Die ZET sei ein voller Erfolg.
  • Insgesamt 179 Verfahren habe die ZET selbst eingeleitet oder von anderen Staatsanwaltschaften übernommen.

Von Lisa Schnell

Ein Mann aus Somalia will Asyl in Deutschland beantragen. Um seine Chancen zu erhöhen, tut er etwas, das zunächst absurd erscheint: Er gibt eine Straftat zu, bezichtigt sich selbst, Mitglied der Terrororganisation Al-Shabaab gewesen zu sein. Er will zuerst für sie gekämpft haben und sei dann vor ihr geflohen. Und hier ergibt seine Selbstanzeige wieder Sinn. Wer in seinem Heimatland verfolgt wird, etwa, weil er von Al-Shabaab als Verräter angesehen wird, kann nicht leicht abgeschoben werden. Lügt der Mann, um bleiben zu können und hängt vielleicht immer noch islamistischen Ideologien an? Oder spricht er die Wahrheit, dann muss er sich dennoch einem Verfahren stellen, weil er Mitglied einer Terrororganisation war.

Das herauszufinden ist eine Aufgabe der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET), die seit Anfang 2017 bei der Generalstaatsanwaltschaft in München angesiedelt ist. Nach gut eineinhalb Jahren zieht Justizminister Winfried Bausback Bilanz. In der Politik sei es nicht so häufig, dass man Entscheidung trifft, über die man sich nachträglich so freue, sagt er.

Die ZET sei ein voller Erfolg. Ihr Konzept, das andere Bundesländer sich zum Vorbild genommen haben sollen, besteht darin, selbst Strafverfahren zu führen und den Informationsaustausch über Gefährder durch die Vernetzung von Behörden zu beschleunigen. Insgesamt 179 Verfahren habe sie selbst eingeleitet oder von anderen Staatsanwaltschaften übernommen, größtenteils gegen mutmaßlich gewaltbereite Islamisten. Im Juli 2017 waren es 90. Gegen Gefährder aus dem links- oder rechtsradikalen Milieu gebe es kein Verfahren.

Am Anfang verfolgte die Stelle laut Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle vor allem Personen, die in den Dschihad zogen. Jetzt habe dessen Anziehungskraft deutlich nachgelassen, dafür stünden Vorbereitungshandlungen im Mittelpunkt, etwa, wenn eine Person sich Videos ansehe, wie Sprengstoff zusammengemischt wird. Auf einem Tisch sind Gegenstände aufgereiht, die sichergestellt wurden: neon-orangene Westen mit der Aufschrift "Shariah-Police", zwei Schwerter und ein Dolch.

Der gehörte einem syrischen Flüchtling, der sich Videos ansah, wie man am besten einen Lastwagen in eine Menschenmenge steuert, und bei dem ein Bekennervideo gefunden wurde. Ob durch seine Verurteilung ein Anschlag verhindert wurde, könne niemand sagen, sagt ZET-Chef Georg Freutsmiedl. Insgesamt gab es acht Verurteilungen, andere Verfahren laufen noch, bei 17 wurde Anklage erhoben. Keine Anklage könne Bausback zufolge erhoben werden, wenn eine Terrororganisation etwa durch Geld unterstützt werden sollte, dieses aber nie ankam. Bausback will sich in Berlin dafür einsetzen, dass sich das ändert.

Und dann beschäftigten die ZET noch zusätzliche 114 Verfahren. Die meisten seien Terrorismusverfahren, die der Generalbundesanwalt an die ZET abgibt wegen "verminderter Bedeutung". Ein juristischer Ausdruck, der laut Generalstaatsanwalt Röttle nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass es um hochkriminelle Sachverhalte gehe. Etwa 70 Mal habe der Generalbundesanwalt 2017 Fälle an Bayern abgegeben, sechs Mal so viel wie im Vorjahr. Für Röttle ein Vertrauensbeweis. Bei den meisten geht es um Flüchtlinge, die angeben, einer Terrororganisation angehört zu haben - so wie der Mann aus Somalia.

Als der plötzlich einen Haftbefehl bekam, nahm er seine Aussagen zurück. Die Ermittlungen ergaben, dass er zu dem Zeitpunkt, als er angeblich gekämpft hatte, schon in einem anderen EU-Land war. Das Terrorismusverfahren gegen ihn wurde eingestellt und ein neues eröffnet wegen falscher Angaben im Asylverfahren, das in einer Verurteilung endete. Die ZET habe mit solchen Fällen auch die Rechtssprechung verändert, sagt Justizminister Bausback.

Zuvor sei es nicht eindeutig gewesen, ob falsche Angaben im Asylverfahren bestraft werden könnten. Es müsse sich rumsprechen, dass Lügen sich nicht lohnten, sagt ZET-Chef Freutsmiedl. Die Fälle erforderten allerdings einen sehr hohen Ermittlungsaufwand, zudem könne in den allermeisten laut Generalstaatsanwalt Röttle kein harter Tatsachenkern ermittelt werden. Dann liege es in der Hand der Ausländerbehörden, wie über den Asylantrag entschieden wird.

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SZ vom 05.06.2018/amm
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