Initiative bayerischer Ärzte:Flüchtlinge sollen Flüchtlinge behandeln

Refudocs

Arzt dringend gesucht: Die vielen Flüchtlinge und notwendigen Untersuchungen bei der Ankunft überfordern oft den öffentlichen Gesundheitsdienst.

(Foto: Lukas Barth)
  • Flüchtlinge, die in ihrer Heimat medizinische Heilberufe gelernt haben, sollen in Deutschland bei der Behandlung von Flüchtlingen helfen dürfen.
  • "Refudocs", eine Vereinigung von Ärzten in München, betreut in der Münchner Bayernkaserne Asylbewerber medizinisch - dort sollten Mediziner aus anderen Ländern mitlaufen können.
  • Die bürokratischen Hürden sind allerdings hoch - doch bayerische Mediziner wollen sich beim Landesärztetag für die Kollegen einsetzen.

Von Dietrich Mittler

Der Internist Siegfried Rakette ist einer der Gründungsmitglieder der "Refudocs", die in der Münchner Bayernkaserne Asylbewerber medizinisch betreuen. Jüngst fragte er eine Patientin aus Afrika, was sie beruflich in ihrer Heimat gemacht hatte. "Krankenschwester", sagte die junge Frau - und Rakette dachte sich: "Was für Ressourcen gehen da wieder verloren, weil die Frau hier nicht zeitnah in ihren Beruf einsteigen kann."

Bei Antworten wie "Arzt" oder "Ärztin", würde sie Rakette oft liebend gern einladen, sich den Betrieb der Refudocs anzuschauen und dann später nach Anerkennung ihrer fachlichen Eignung auch mitzuhelfen bei der Betreuung von Asylbewerbern. "Wir müssen da aktiver werden", sagt der 72-Jährige. Beim bevorstehenden Bayerischen Ärztetag in Deggendorf will Rakette mit weiteren Ärzten nun Anträge in diese Richtung stellen.

Duo aus deutschem Arzt und asylsuchendem Mediziner

In Max Kaplan, dem Präsidenten der Bayerischen Landesärztekammer, wird Rakette dabei einen weiteren Mitstreiter finden. "Die Einbindung asylsuchender Ärzte begrüße ich außerordentlich - vorausgesetzt sie werden einem approbierten Arzt zur Seite gestellt", sagte Kaplan am Montag im Münchner Presseclub. Die Bundesregierung denke ebenfalls in diese Richtung: Sie will ermöglichen, "dass Asylsuchende, die über eine abgeschlossene Ausbildung in einem medizinischen Heilberuf verfügen, in die medizinische Erstversorgung von anderen Asylsuchenden" eingebunden werden dürfen. In der Funktion als "Arztassistent" könnten diese etwa deutschen Ärzten helfen, sprachliche und kulturelle Hindernisse zu überwinden.

"Ich würde gerne ein, zwei solche Kollege einarbeiten und ihnen beistehen, unser Gesundheitswesen kennenzulernen", sagt Rakette. Er versteht das als "aktiven, kollegialen Beitrag, den Flüchtlingen zu helfen". Und das wäre keine einseitige Sache, sagt er. "Langfristig könnte das dazu beitragen, den Fachkräftemangel in Bayerns Landkliniken abzufedern", sagt er. Die Betonung liegt indes auf "langfristig", wie Kammerpräsident Kaplan betont. "Wichtig ist zunächst mal, dass jene Asylbewerber, die hier an ihren Beruf anknüpfen wollen, Unterlagen mitbringen, die ihre Qualifikation belegen", sagt er. Das sei der erste Schritt hin zu einer Berufserlaubnis.

Rakette weiß ebenfalls, dass es noch weiterer Schritte bedarf: "Ich habe mal einen Kollegen auf Seiten der Flüchtlinge Einblick ins tägliche Geschäft der Refudocs gegeben. Am Ende des Tags hat der selbst gesehen, dass er noch weit davon weg ist, hier selbständig eine Arbeit übernehmen zu können." Zu groß seien die Unterschiede. "Das fängt schon damit an, dass mache Krankheiten ganz anders wahrgenommen werden", sagt Rakette. Manche hier gängige Beschwerdebilder seien im Orient oder in Afrika unbekannt. "Umgekehrt sind die Patienten, die uns begegnen, oft gar nicht gewohnt, so umsorgt zu werden, wie wir es jetzt mit ihnen machen", sagt Rakette.

Alle Seiten müssen viel lernen

Der Kinder- und Jugendarzt Mathias Wendeborn, der organisatorische Leiter der Refudocs, geht deshalb von "einer eher langen Anlaufphase" aus. "Die medizinischen Systeme sind zu verschieden", sagt er. Folglich könnten Arztkollegen aus dem Kreis der Asylbewerber zunächst einmal "keine große Hilfe sein". Auch wenn sie womöglich lediglich als Übersetzer fungierten, so müsse man doch sehr genau prüfen, wen man da vor sich hat. "Theoretisch könnte es ja sein, dass so ein sonst sehr freundlicher freiwilliger Übersetzer zu einer Patientin sagt: ,Du Schlampe, warum hast du kein Kopftuch an?' Und man selbst bekommt das dann gar nicht mit!"

Noch entscheidender aber sei, dass die Kolleginnen und Kollegen - seien sie aus Syrien, Afghanistan oder etwa Eritrea - zunächst einmal nicht wüssten, welche Präparate sie hier den anderen Asylbewerbern verordnen können. "Sie kennen auch nicht unserer Verfahrensweisen", sagt Wendeborn. Und: Sie wissen nicht, an wen sie sich wenden können, wenn ein Facharzt hinzugezogen werden muss. "Gerade aber von dieser Vernetzung mit den Kollegen rundum lebt unsere Arbeit", sagt Wendeborn.

Max Kaplan machen die Sprachbarrieren ebenfalls zu schaffen. Bei der Behandlung von Asylbewerbern seien sich Bayerns Ärzte weitgehend selbst überlassen. Kaplan besteht auf rasche Abhilfe. Er habe sich deshalb sowohl an den Leiter der Staatskanzlei, Marcel Huber, als auch an Gesundheitsministerin Melanie Huml (beide CSU) gewandt - seine Forderung: Sprach- und Kulturmittler, und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch auf dem Land. Wie etwa könne ein deutscher Hausarzt Asylbewerbern erklären, dass diese sich angesichts der bevorstehenden Grippewelle nun besser impfen lassen sollten?

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