Fünf Jahre ist es her, dass SPD-Politiker Christian Scharpf die 48 Jahre währende CSU-Herrschaft in Ingolstadt beendete und Oberbürgermeister wurde. Nun aber ist die CSU auf einem guten Weg, die Großstadt zurückzugewinnen. In der ersten Runde der vorgezogenen OB-Wahl lag der CSU-Kandidat Michael Kern am Sonntagabend mit 46,7 Prozent der Stimmen weit in Führung. Die absolute Mehrheit verpasste er um ein paar Prozentpunkte. In der Stichwahl tritt Kern am 23. Februar gegen den SPD-Politiker Christian De Lapuente an, der in einem Wahlbündnis mit Grünen, ÖDP, Linken und der Unabhängigen Wählergemeinschaft bei 31,9 Prozent landete.
Vor der Stichwahl in weniger als zwei Wochen geht es für die Konkurrenten nun darum, weitere Wähler zu mobilisieren und um die Stimmen der ausgeschiedenen Parteien zu werben. Die bessere Ausgangslage hat CSU-Mann Kern. Er darf darauf hoffen, dass sich ein Großteil der 21,4 Prozent, die in der ersten Runde für die Freien Wähler oder AfD gestimmt haben, für ihn entscheidet. Beide Parteien sprechen wie die CSU eher konservative und rechte Wähler an. „Das Ergebnis gibt Rückenwind für die kommenden zwei Wochen“, sagt der 49-jährige Unternehmensjurist am Morgen nach der Wahl. Er wolle jetzt zwar nicht herumrechnen und spekulieren, aber er sei schon zuversichtlich: „Die Option auf den Sieg ist voll da.“

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Für die CSU wäre ein Comeback in Ingolstadt die Korrektur einer historischen Niederlage. Sie hatte fast ein halbes Jahrhundert den Oberbürgermeister gestellt, bevor CSU-OB Christian Lösel bei der Kommunalwahl 2020 in der Stichwahl gegen seinen SPD-Herausforderer Scharpf verlor – und zwar deutlich. Die Ingolstädter hatten der Dauerregierungspartei einen heftigen Denkzettel verpasst, nachdem diese vom ehemaligen Oberbürgermeister Alfred Lehmann in eine Korruptionsaffäre verstrickt worden war.
Mit Michael Kern entschied sich die CSU für einen eher unbekannten, aber auch von den Affären unbelasteten Kandidaten. Er setzte sich in einem Mitgliederentscheid intern gegen Ex-Amtsinhaber Lösel durch – obwohl dieser mit Nachdruck von Ingolstädter Politgrößen wie Horst Seehofer unterstützt worden war.

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Trotz des CSU-Vorsprungs gibt sich Christian De Lapuente am Tag nach der Wahl unbeeindruckt. Er sei zufrieden, in der Stichwahl zu stehen, sagt der SPD-Politiker am Telefon. Das Duell am 23. Februar werde unter ganz anderen Voraussetzungen stattfinden: Am selben Tag findet die Bundestagswahl statt. Der Gewerkschafter setzt darauf, dass die Wahlbeteiligung dadurch erheblich steigt. Sie lag in der ersten Runde bei mageren 49 Prozent. Im Windschatten der Bundestagswahl wird für die OB-Wahl eine deutlich höhere Quote erwartet. Mehrere Tausend Ingolstädter könnten also zusätzlich abstimmen. „Die Karten werden neu gemischt“, hofft De Lapuente.
Den Vorsprung seines Konkurrenten nimmt aber auch er zur Kenntnis. Beobachter in Ingolstadt vermuten, dass auch der überraschende Abgang von Oberbürgermeister Scharpf nach München die SPD Stimmen gekostet hat. Er gab im vergangenen Jahr bekannt, dass er noch während seiner Wahlperiode in die Landeshauptstadt wechselt und Wirtschaftsreferent wird. Scharpfs Frau und Kinder leben in München, er wolle wieder näher bei der Familie sein, sagte er. Am 1. März startet seine Amtszeit. Der eine oder andere Wähler dürfte auch aus Enttäuschung sein Kreuz diesmal woanders gemacht haben.