Finanzkrise in IngolstadtSparen beim Jugendparlament: Wer bietet weniger?

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Die Audi-Stadt muss sparen. Das ist mühsam und gefällt nicht jedem. Anfang Juni traf es zum Beispiel das Jugendparlament.
Die Audi-Stadt muss sparen. Das ist mühsam und gefällt nicht jedem. Anfang Juni traf es zum Beispiel das Jugendparlament. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die Stadt will das Budget des Ingolstädter Jugendparlaments komplett streichen. Am Ende steht ein Kompromiss, der bei der Jugend trotzdem Kopfschütteln auslöst.

Von Thomas Balbierer, Ingolstadt

Ingolstadt muss sparen. Der kriselnden Audi-Stadt brechen allein in diesem Jahr rund 30 Millionen Euro an Steuereinnahmen weg. Massive Schulden sind nötig, um einen Haushalt auf die Reihe zu bekommen. Die Finanzsituation werde der fünftgrößten Stadt Bayerns „erhebliche Opfer abverlangen“, sagte Finanzreferent Franz Fleckinger am Dienstag im Stadtrat. Eines der ersten Opfer: das Ingolstädter Jugendparlament.

Seit Monaten wird über die neuen Sparpläne diskutiert. In dieser Woche sollte nun ein erster, wenn auch kleiner Schritt in Richtung Kostensenkung unternommen werden. Der Stadtrat beschloss eine Streichliste, die die freiwilligen Leistungen um 1,5 Millionen Euro kürzt. Vereine und Kultureinrichtungen müssen in den kommenden Jahren auf 20 Prozent ihrer Zuschüsse verzichten. Das Budget des Jugendparlaments sollte sogar komplett gestrichen werden.

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Das Gremium war erst 2021 vom Ingolstädter Stadtrat gegründet worden mit dem Ziel, die Interessen junger Menschen in die politische Debatte einzubringen. Dafür hatte man das 25-köpfige Parlament großzügig mit 30 000 Euro im Jahr ausgestattet. Projekte wie Trinkwasserspender, kostenlose Menstruationsartikel und Kulturgutscheine wurden so finanziert. „Ein Budget, das so kein anderes Jugendparlament in Bayern hatte“, sagte Sozialreferent Isfried Fischer am Dienstag. Doch die Zeiten der Generosität sind in Ingolstadt vorbei.

„Dass die Stimme der Jugend weniger wert ist“, sei ein bitteres Signal an alle Engagierten, warnte die Vorsitzende des Jugendparlaments, Evelyn Martin. Jugendbeteiligung sei von zentraler Bedeutung für eine lebendige Demokratie. „Ohne das Geld gibt es uns nicht.“ Den Einwand des Finanzreferenten, dass das Jugendparlament auch ohne Geld politisch aktiv sein könne, ließ die Jugendliche nicht gelten. Sie kam den Sparern aber weit entgegen: Man sei einverstanden, das Budget auf 10 000 Euro zu kürzen.

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Da stand also eine Schülerin vor fast 50, weitaus älteren Politikern und tat genau das, was demokratische Politik ausmacht: Sie argumentierte mit klarer Haltung für einen vernünftigen Kompromiss.

Vielleicht vom schlechten Gewissen ergriffen, debattierte der Stadtrat, ob doch noch was drin sei. Während die Grünen für 10 000 Euro warben, schlug die CSU 5000 Euro vor. „Ein Kuhhandel“, wie Fraktionschef Franz Wöhrl selbst bemerkte, aber ein bisschen Geld sei schon nötig, um den Umgang mit Budgets zu lernen. Irgendwann kursierte auch die Summe von 7500 Euro. Eine Grüne fühlte sich wie auf einem „türkischen Basar“. Dem Schulleiter Matthias Schickel (CSU) platzte der Kragen: „Ich finde es entwürdigend, wie wir hier mit politisch engagierten jungen Leuten im Stadtrat umgehen.“

Als die Mehrheit am Ende für 5000 Euro stimmte, schüttelte die Vertreterin des Jugendparlaments nur noch leise den Kopf. Dann waren schon die nächsten Sparmaßnahmen an der Reihe.

Das Beispiel zeigt nicht nur, wie mühsam Sparen sein kann, sondern auch, wie stark Jugendbeteiligung vom guten Willen im Rathaus abhängt. Die Münchner Politikwissenschaftlerin Eva Feldmann-Wojtachnia forderte genau deshalb im vergangenen Jahr, Jugendgremien als verpflichtend in der Gemeindeordnung zu verankern. „Etliche Studien zeigen, dass Menschen, die jung gelernt haben, sich zu engagieren, auch später eher bereit sind, sich politisch einzubringen.“

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