Süddeutsche Zeitung

Ingolstadt:Dokumentation der Barbarei

Die neu konzipierte Dauerausstellung des Bayerischen Armeemuseums verdeutlicht das Grauen der Kriege zwischen 1600 und 1815 in vielen Facetten. Nicht nur die Soldaten starben auf den Schlachtfeldern, auch die Zivilbevölkerung musste Unmenschliches erleiden

Von Hans Kratzer, Ingolstadt

Am 3. August 1645 sind in der Nähe des Dorfes Alerheim bei Nördlingen bei einer der blutigsten Schlachten des Dreißigjährigen Krieges zwischen 5000 und 10 000 Soldaten ums Leben gekommen. Ihr Tod war völlig sinnlos. "Das Gemetzel hatte so gut wie keinen Einfluss auf den weiteren Kriegsverlauf", sagt Tobias Schönauer, Kurator am Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt. Das schreckliche Ereignis dokumentiert allerdings die Brutalität der Kriegsführung jener Zeit, die auf Menschenleben keinerlei Rücksicht nahm. Bezeichnend ist der Zynismus des französischen Oberbefehlshabers Condé, der gesagt haben soll: "Was wollen Sie? Eine Nacht in Paris zeugt mehr Leben, als diese Schlacht gekostet hat."

Im Jahr 2008 wurde auf dem alten Schlachtfeld von Alerheim ein Massengrab entdeckt, das zumindest die wissenschaftliche Forschung ein Stück weitergebracht hat. Die Opfer wurden anthropologisch untersucht, dabei ergaben sich neue Erkenntnisse über das Leben und Sterben der Söldner. Es ist kaum vorstellbar, was die Menschen damals erlitten haben, viele Soldaten waren noch nicht einmal 18 Jahre alt und hatten Knochenhautentzündungen, mit denen sie heute im Krankenhaus behandelt würden. "Damals sind sie krank, erschöpft und verletzt in die Schlacht gezogen, manche hatten sogar Absplitterungen am Kopf", sagt Schönauer.

Das Massengrab von Alerheim wirft überdies ein grelles Licht auf die Situation der umliegenden Dörfer. Niemand half der Bevölkerung bei der Räumung des Schlachtfeldes und beim Begraben der Leichen, die in der sommerlichen Hitze auf offenem Feld einfach liegen gelassen worden waren. Die Dokumentation dieses Kriegsdramas ist integriert in die neu konzipierte und vor wenigen Monaten eröffneten Dauerausstellung des Bayerischen Armeemuseums im Neuen Schloss in Ingolstadt, einem stattlichen gotischen Bau, der im 15. Jahrhundert für die bayerischen Herzöge errichtet wurde. Die Ausstellung verschafft Einblicke in die vielen Formen des Krieges in der Zeit von etwa 1600 bis 1815.

Es ist naturgemäß keine leichte Kost, die dort serviert wird. Als Betrachter muss man sich damit abfinden, dass die Unmenschlichkeit, die Grausamkeit und die Barbarei in jenen Zeiten keine Grenzen kannte. Beim Blick auf die große Reiterinszenierung zum Dreißigjährigen Krieg wird man aber in der Ausstellung schnell gewahr, dass sich solche Abgründe in manchen Teilen der Erde heute noch auftun.

Es geht beileibe nicht nur um blutige Schlachten. Dass der Krieg ganz unterschiedliche Fratzen hatte, zeigt sich in den beiden Turmräumen, die den Themen Belagerung und Krieg im Alltag gewidmet sind. Hierbei geht es um die Ausbeutung des Landes, die den Krieg erst möglich machte. Die Truppen waren ständig unterwegs, um sich selbst zu ernähren oder dem Gegner die Versorgung zu erschweren. Die Zeitgenossen nannten dies den "Kleinen Krieg". Unter ihm litt die terrorisierte Zivilbevölkerung am meisten. Häufig begaben sich Banden auch selbständig auf Beutezug. Eine Ahnung verschaffen zwei Helme von Marodeuren, die wohl beim Plündern von Bauern erschlagen wurden.

Auch der Bau und die Verteidigung von Festungen war für die Zivilbevölkerung aufwendig und gefährlich. Festungen spielten in fast allen Kriegen dieser Zeit eine tragende Rolle. Befestigte Städte waren die am härtesten umkämpften Orte. Eine Belagerung erforderte aber eine gewaltige Mobilisierung von Menschen und Material.

In der Ausstellung verschafft das einzigartige Planungsmodell der Festung Ingolstadt (um 1570) einen Eindruck davon. Mit dem Festungswesen beschäftigten sich die bedeutendsten Architekten, was aber nicht darüber hinwegtäuschen soll, wie grausam und zerstörerisch auch der Festungskrieg war. Objekte aus einer großen Ausgrabung vom Gelände nördlich des Neuen Schlosses lenken den Blick auf die schwere Arbeit der Festungsarbeiter. Symbolisiert wird dies durch eine der ältesten originalen Schubkarren überhaupt, das Exemplar stammt aus dem Jahr 1537.

So schmutzig und so grausam das Kriegsgeschäft sein mag, es ist bringt auch Schätze hervor. In einem Turmraum des Armeemuseums wurde deshalb sogar eine eigene Schatzkammer eingerichtet. Dort sind Dinge zu sehen, die sehr selten und deshalb besonders wertvoll sind. Dazu gehört das einzigartige Gewand eines europäischen Soldaten aus dem 16. Jahrhundert, das in Peru gefunden wurde. Es ist ein Zeugnis der frühen und gewaltsamen Expansion Europas nach Amerika.

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Quelle:
SZ vom 13.02.2020
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